Die Schönheit der Liturgie

Die Schönheit der Liturgie – Aussersynodale Gedanken zur Evangelisierung

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Von Thorsten Paprotny, 8. Februar 2020

Dass der Heilige Geist ein weltlicher Unruhestifter ist, darf mit Recht bezweifelt werden. Aber die medial befeuerte Sensationslust treibt in diesen Tagen Blüten eigener Art, so als würden wir die “Nachkonzilszeit 2.0” erleben. Noch vernehmen wir nicht, dass vom “Geist des Synodalen Weges” gesprochen wird. Die Unterscheidung der Geister wird bald sehr nötig sein. Wer die Gegenwart Gottes in Kirchenparlamenten sucht und neue Einigkeit beschwört oder Zwietracht erblickt, möge sich an die gegenwärtig fast vollständig übersehene Herzmitte der Kirche und so auch der Evangelisierung erinnern, die sehr viel leiser ist als alle grellen Debatten dieser Tage. Es ist die Feier der heiligen Eucharistie.

Papst Benedikt XVI. wurde nicht müde, von der Schönheit des Glaubens im Zusammenhang mit der Liturgie der Kirche zu sprechen. Zu den kostbarsten Dokumenten seines Pontifikats gehört “Sacramentum caritatis“, das Nachsynodale Apostolische Schreiben zur Bischofssynode vom 22. Februar 2007. Benedikt spricht vom “liturgischen Wert der Schönheit”: “Die Liturgie hat nämlich, wie übrigens auch die christliche Offenbarung, eine innere Verbindung zur Schönheit: Sie ist veritatis splendor. In der Liturgie leuchtet das Pascha-Mysterium auf, durch das Christus selbst uns zu sich hinzieht und uns zur Gemeinschaft ruft. In Jesus betrachten wir – wie der hl. Bonaventura zu sagen pflegte – die Schönheit und den Glanz des Ursprungs.” Er nimmt damit ein Wort des hl. Johannes Paul II. auf, die Überschrift von dessen Enzyklika zur Morallehre der Kirche. Diese Akzentuierung mag überraschen, aber vielleicht nur dann, wenn wir die Schönheit der Liturgie in der Dimension eines Ästhetizismus wahrnehmen. Schönheit weist den geistlichen Weg in die Tiefe des Mysteriums, also in die Vertiefung des Glaubens und in die kontemplative Wirklichkeit der Anbetung des Herrn im Allerheiligsten Sakrament des Altares. Benedikt spricht von der leuchtenden Schönheit der Liturgie. Darum legt er so grossen Wert auf die “Ars celebrandi”. Die Schönheit begegnet uns in der heiligen Messe: “Dieses Merkmal, auf das wir uns berufen, ist nicht nur blosser Ästhetizismus, sondern eine Art und Weise, wie die Wahrheit der Liebe Gottes in Christus uns erreicht, uns fasziniert, uns begeistert und so bewirkt, dass wir aus uns herausgehen und zu unserer wahren Berufung hingezogen werden: zur Liebe. … Diese Schönheit ist jedoch nicht eine bloße Harmonie der Formen; »der Schönste von allen Menschen« (Ps 45 [44],3) ist geheimnisvollerweise auch derjenige, der »keine schöne und edle Gestalt« hatte, »so dass wir ihn anschauen mochten« (Jes 53,2). Jesus Christus zeigt uns, wie die Wahrheit der Liebe auch das dunkle Geheimnis des Todes in das strahlende Licht der Auferstehung zu verklären vermag. Hier überragt der Glanz der Herrlichkeit Gottes jede innerweltliche Schönheit. Die wahre Schönheit ist die Liebe Gottes, die sich uns endgültig im Pascha-Mysterium offenbart hat. Die Schönheit der Liturgie ist Teil dieses Geheimnisses; sie ist höchster Ausdruck der Herrlichkeit Gottes und stellt in gewissem Sinne ein Sich-Herunterbeugen des Himmels auf die Erde dar.”

Wenn wir Benedikts Worte lesen, mögen wir uns selbst an manche höchst eigen wirkende Liturgien erinnern, aber zugleich den Glanz von innen her vergegenwärtigen, wenn wir ehrfürchtig und dankbar nicht einer Darbietung des Selbstgemachten hilflos ausgeliefert waren, sondern einfach teilhaben durften an einer würdig gefeierten heiligen Messe, in der Christus und niemand anderes im Zentrum stand. Benedikt XVI. erinnert daran, auch Worte der Synodenväter aufgreifend, dass der “treue Gehorsam” gegenüber den liturgischen Normen unverzichtbar sei. Umgeben vom Erbe der Nachkonzilszeit und des Eigensinns wissen wir nur zu gut, warum der Papst dies – wie sein Vorgänger – immer wieder betont hat: “Die Schönheit ist demnach nicht ein dekorativer Faktor der liturgischen Handlung; sie ist vielmehr ein für sie konstitutives Element, insofern sie eine Eigenschaft Gottes selbst und seiner Offenbarung ist. All das muss uns bewusst machen, mit welcher Sorgfalt darauf zu achten ist, dass die liturgische Handlung ihrem Wesen gemäss erstrahlt. … Achtung und Folgsamkeit gegenüber der Eigenstruktur des Ritus drücken die Anerkennung des Geschenk-Charakters der Eucharistie aus und offenbaren zugleich den Willen des Priesters, in Demut und Dankbarkeit die unbeschreibliche Gabe anzunehmen.” Mit behutsamer Deutlichkeit erinnert Benedikt zudem daran, dass die Homilie nicht als wörterreiche Unterbrechung oder wie eine Beigabe wirken, sondern in das Geschehen der Feier eingebunden sein soll. In gleicher Weise darf man erwägen, dass die Predigt eine höchst anspruchsvolle Aufgabe darstellt, diese schriftgerecht und liturgiegemäss auszugestalten, damit auch die Schönheit der würdig gefeierten Liturgie nicht beeinträchtigt wird. In diesem Sinn darf vielleicht auch bedacht werden: Nicht die Predigt ist der vorzügliche Ort der Evangelisierung, sondern die Schönheit der Feier der Liturgie, zu der die Predigt gehört, ist Evangelisierung. Deutlich wird dies in der Sendung des Christen. Jeder wird in den Alltag seines Lebens gesandt, um die Wahrheit des Glaubens zu bezeugen: “Die erste und fundamentale Aufgabe, die uns aus den heiligen Geheimnissen, die wir feiern, erwächst, ist die, mit unserem Leben Zeugnis abzulegen. Das Staunen über das Geschenk, das Gott uns in Christus gemacht hat, überträgt unserem Leben eine neue Dynamik, indem es uns verpflichtet, Zeugen seiner Liebe zu sein. Wir werden Zeugen, wenn durch unser Handeln, unsere Worte, unser Sosein ein Anderer erscheint und sich mitteilt. Man kann sagen, dass das Zeugnis das Mittel ist, durch das die Wahrheit der Liebe Gottes den Menschen in der Geschichte erreicht und ihn einlädt, frei diese radikale Neuheit anzunehmen. … Die Unterstreichung der inneren Beziehung zwischen Eucharistie und Sendung lässt uns auch den letzten Inhalt unserer Verkündigung entdecken. Je lebendiger im Herzen des christlichen Volkes die Liebe zur Eucharistie ist, desto deutlicher wird ihm der Auftrag der Mission: Christus zu bringen. Nicht nur eine Idee oder eine an ihm orientierte Ethik, sondern das Geschenk seiner Person selbst. Wer dem Mitmenschen nicht die Wahrheit der Liebe vermittelt, hat noch nicht genug gegeben. So erinnert uns die Eucharistie als Sakrament unseres Heiles unweigerlich an die Einzigkeit Christi und an die von ihm vollbrachte Rettung zum Preis seines Blutes. Darum ergibt sich aus dem geglaubten und gefeierten eucharistischen Mysterium der Anspruch, fortwährend alle zum missionarischen Einsatz zu erziehen, dessen Zentrum die Verkündigung Jesu als des einzigen Retters ist.”

Im selben Jahr veröffentlichte Papst Benedikt XVI. das Motu proprio “Summorum pontificum” und erinnerte auch hier an die Evangelisierung durch die Liturgie der Kirche: “Es steht fraglos fest, dass die lateinische Liturgie der Kirche mit ihren verschiedenen Formen in allen Jahrhunderten der christlichen Zeit sehr viele Heilige im geistlichen Leben angespornt und so viele Völker in der Tugend der Gottesverehrung gestärkt und deren Frömmigkeit befruchtet hat.” Heute – in den Zeiten des Relativismus und mancher Konfusion im kirchlichen Leben – können wir uns durch die Teilhabe an der Feier der Liturgie in ihrer Schönheit von innen her in, mit und durch Christus erneuern und bestärken lassen. Als Zeugen des Herrn werden wir in unseren Alltag gesandt. Die Schönheit der Liturgie schenkt uns die eine Hoffnung, die über alle kirchlichen Diskurse, mehr noch über die Grenzen und Horizonte dieser Welt hinausreicht. Die heilige Messe ist die Stätte der Begegnung mit dem lebendigen, sakramental gegenwärtigen Gott, mit dem schönsten Herrn Jesus, der uns als Boten in die Welt von heute sendet.

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