“Hoffen, dass Worten Taten folgen”
Nach dem Brandanschlag jüdischer Extremisten auf das Brotvermehrungskloster in Tabgha ist die Solidarität gross
Tabgha, Die Tagespost, 19. Juni 2015
Nach einem vermutlich von jüdischen Extremisten verübten Brandanschlag auf das katholische Brotvermehrungskloster in Tabgha am Donnerstag ist die Anteilnahme in Israel gross. Zahlreiche Israelis – Juden, Muslime, Drusen und Christen –, besuchten den Ort, um den Benediktinermönchen ihre Anteilnahme auszudrücken. Auch der deutsche Botschafter in Israel, Andreas Michaelis, reihte sich ein. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin und Premierminister Benjamin Netanjahu verurteilten die Tat umgehend. Das Präsidialamt in Jerusalem teilte mit, dass Rivlin Abt Gregory Collins von der deutschsprachigen Jerusalemer Dormitio-Abtei angerufen habe, dem das Priorat Tabgha am See Genesareth untersteht. Dabei habe er ihm seiner Solidarität versichert.
“Eine so schreckliche Schändung einer alten und heiligen Stätte des Gebets ist ein Angriff auf das Leben in unserem Land. Israel als Staat und als Gesellschaft ist verpflichtet, die heiligen Stätten aller Glaubensrichtungen zu schützen”, so Rivlin in einer am Donnerstag verbreiteten Stellungnahme. Premierminister Netanjahu sagte, dass der Brandanschlag ein Angriff auf “uns alle” gewesen sei. “In Israel ist die Religionsfreiheit eines unserer Grundprinzipien und gesetzlich garantiert. Die Verantwortlichen müssen mit der ganzen Härte des Gesetzes rechnen. Hass und Intoleranz haben keinen Platz in unserer Gesellschaft”, so Netanjahu. Zahlreiche Minister, Knesset-Abgeordnete und Rabbiner äusserten sich ähnlich.
Die katholische Ordinarienkonferenz des Heiligen Landes sprach in einer Mitteilung vom Donnerstag von einem Verbrechen, das das Zusammenleben der Religionen im Heiligen Land belaste. “Angesichts der Schwere der Tat fordern wir, dass die Ermittlungen schnell vonstatten gehen und die Täter dieses Vandalismus zur Rechenschaft gezogen werden.”
Die zu den meistbesuchten christlichen Pilgerstätten im Heiligen Land zählende Brotvermehrungskirche war am frühen Donnerstagmorgen das Ziel eines Brandanschlags von Unbekannten geworden. Ein von ihnen hinterlassenes hebräischsprachiges Graffito “Die Götzen werden vernichtet werden” verweist derweil in Richtung jüdischer Extremisten als Täter. Bei dem Satz handelt es sich um ein Zitat aus einem Gebet, das fromme Juden täglich beten. Die israelische Polizei hatte am Donnerstag kurzzeitig Jugendliche aus einer jüdischen Siedlung im Westjordanland festgenommen, danach aber wieder freigelassen.
Bernd Mussinghoff, Leiter des Jerusalemer Büro des Deutschen Verein vom Heiligen Lande, sagte gegenüber dieser Zeitung, dass die Schäden an den Gebäuden enorm seien, aber noch nicht genau beziffert werden könnten. Mussinghoff, dessen Vereinigung das Gelände gehört, auf dem das Priorat steht, erklärte wörtlich: “Teile des Eingangsbereichs zur Kirche sind vollständig niedergebrannt. Ausserdem wurde der Haupteingang zum Kloster schwer beschädigt. Die Täter haben mit Brandbeschleuniger gearbeitet.” Ein betagter Mönch und eine Volontärin aus Deutschland seien wegen des Verdachts auf Rauchvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Beide sind zwischenzeitlich wieder aus dem Krankehaus entlassen worden. Mussinghoff vermochte am Donnerstag noch nicht zu sagen, wann mit den Reparaturen begonnen werden könne. Staatliche Stellen haben derweil angedeutet, dass sie für die Schäden aufkommen werden.
Der Brandanschlag vom Donnerstag war dabei nicht der erste Vorfall dieser Art in Tabgha. Bereits im April vergangenen Jahres hatten jüdische Extremisten vandalistische Akte gegen im Freien befindliche Kreuze und Altäre der Anlage begangen. Im Mai dann war es kurz nach dem Besuch von Papst Franziskus zu einem Brandanschlag in der Kirche der Dormitio-Abtei in Jerusalem gekommen. Der Brand wurde früh entdeckt und verursachte deshalb geringe Schäden. Pater Nikodemus Schnabel, Mönch in der Dormitio-Abtei, sagte dieser Zeitung, dass seine Gemeinschaft durch die Vorfälle näher zusammenrücke. “Das zeigt uns, dass monastisches Leben im Heiligen Land nicht romantisch, sondern echte Christusnachfolge ist.” Als überwältigend habe er die Solidaritätsbekundungen von allen Seiten empfunden. “Hunderte, ja tausende Menschen kamen nach Tabgha, um uns ihrer Anteilnahme zu versichern, nicht nur Christen aller im Norden vertretenen Kirchen, sondern auch Muslime, Drusen und Juden. Die Juden haben uns gesagt, dass sie sich von dem Anschlag so getroffen fühlten wie wir.” Pater Nikodemus hob auch die klaren Reaktionen der israelischen Politik hervor. “Deutlichere Worte hätte die Politik nicht finden können. Da ist nichts beschönigt worden. Diesbezüglich stelle ich schon einen Unterschied zu den Reaktionen nach dem letzten Anschlag in Jerusalem fest. Aber ich hoffe, dass den Worten auch Taten folgen werden. Da bin ich aber skeptisch.” Pater Nikodemus verwies darauf, dass bislang in keinem der die Gemeinschaft betreffenden Fälle die Täter gefasst worden seien. Auch habe der Staat seine Zusagen hinsichtlich präventiver Massnahmen nicht gehalten. “Man hat uns nach dem Anschlag im Mai letzten Jahres in Jerusalem Kameras auf dem Zionsberg versprochen. Geschehen ist bisher nichts”, so Pater Nikodemus. “Wir erwarten, dass das diesmal anders ist. Vor allem fordern wir eine zügige Strafverfolgung.” Er könne sich derweil nicht erklären, warum seine Gemeinschaft immer wieder zum Ziel von Anschlägen werde. “Ich glaube, die Täter wollen einfach Christen treffen. In diesem Sinne gibt es eine Ökumene des Leidens. Es wurden in den vergangenen Jahren ja eine ganze Reihe von orthodoxen und protestantischen Einrichtungen von jüdischen Extremisten attackiert.”
Pater Nikodemus warnte indes davor, zu verallgemeinern. “Extremisten gibt es in jeder Religionsgemeinschaft. Man darf von wenigen nicht auf alle schließen.” Es sei aber die Pflicht der jüdischen Mehrheitsgesellschaft, derartige Extremisten zu isolieren. “Entscheidend ist, dass der Ungeist der Intoleranz und des Hasses an der Wurzel bekämpft wird. Und dies kann nur durch eine Erziehung hin zur Toleranz in den Schulen geschehen. Da muss aber noch viel geschehen.”
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