Wenn schon grün, dann richtig

Die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus lebt von einer ganzheitlichen Sicht von Mensch und Natur

Guido Horst xpVon Guido Horst

Die Tagespost, 19. Juni 2015

Die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus lebt von einer ganzheitlichen Sicht von Mensch und Natur. Wie zu erwarten haben die Medien die Stellen des Lehrschreibens herausgepickt, mit denen sich heute jede “grüne Seele” blicken lassen kann. Aber “Laudato si'” ist auch eine Ermahnung des Papstes, in der er Abtreibung verurteilt, den Druck der internationalen Politik auf die Entwicklungsländer geisselt, die Geburtenrate zu senken, oder die Einstellung kritisiert, den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen. Man hat es ihm durchgehen lassen. Zu gross ist das nicht immer deutlich artikulierte Sehnen der Menschen, so etwas wie eine Vaterfigur zu haben, die verhängnisvolle Entwicklungen anprangert und zur Kurskorrektur aufruft. Die Päpste sind immer noch eine moralische Autorität. Und indem Franziskus nicht in die Höhen theologischer Abstraktion entschwebt, sondern von den ersten Kapiteln an die Dinge deutlich beim Namen nennt, hat er mit “Laudato si” für Gesprächsstoff gesorgt. Auch Kritiker werden sich jetzt zu Wort melden.

Dass der Planet eine Klimaerwärmung erlebt, ist nicht zu bestreiten. Dass Franziskus diesen Klimawandel mit der vom Menschen verursachten Umweltbelastung in Verbindung bringt, mag jene erregen, die das Abschmelzen der Gletscher und das Schrumpfen des ewigen Eises an den Polen den natürlichen Zyklen von Erwärmung und Abkühlung der Erde zuschreiben. In diesen auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifenden Analysen und Handlungsanweisungen ist die jüngste Enzyklika des Papstes sicherlich nicht unfehlbar. Doch Franziskus steht da ganz im “mainstream” der modernen Forschung und vertritt hier keine Sondermeinung. Mit “Laudato si'”, so die doch fast einhellige Reaktion, hat sich der Papst aus Lateinamerika einmal mehr als jemand gezeigt, der der Welt etwas zu sagen hat. Und der sich nicht scheut, dabei auch starke sozial- und kapitalismuskritische Akzente zu setzen.

Die ausführliche Zitierung der Vorgänger-Päpste zeigt, dass Franziskus das Thema Umwelt als Gegenstand der kirchlichen Verkündigung nicht erfunden hat. Es gab Zeiten, da hat man Benedikt XVI. den “grünen Papst” genannt. Aber Franziskus tut noch etwas anderes. Immer wieder zitiert er aus Erklärungen von Ortskirchen und Bischofskonferenzen in aller Welt zum Thema Ökologie und Umweltschutz. Das ist so etwas wie der “methodologische rote Faden” der Enzyklika. “Laudato si” ist kein Lehrschreiben aus Rom, mit der die Weltkirche “von oben” berieselt wird. Sondern Papst Franziskus greift in den bereits vorhandenen Fundus kirchlicher Äusserungen zu einer christlich verstandenen, humanen Ökologie, die von einer ganzheitlichen Sicht des Menschen als Ebenbild Gottes ausgeht, und bringt diese als prominentester Sprecher der Christenheit der ganzen Welt zu Gehör. Und man muss sagen: Wenn es um die Bewahrung der Schöpfung geht, und dazu gehören auch Verteidigung und Schutz des menschlichen Lebens von seinem Anfang bis zu seinem natürlichen Ende, zieht die gesamte Kirche an einem Strang. Wäre das auch auf der kommenden Synode zu Ehe und Familie der Fall, wäre man schon einen Schritt weiter.

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