Christlicher Glaube ist auch Wunderglaube

Eine Verwandlung, Die den Unglauben auf die Probe stellt

Quelle
Das Hostienwunder von Lanciano

Die verwandelte Hostie und der zu Blut gewordene Wein von Lanciano sind das älteste bekannte Eucharistische Wunder der Kirche. Eine reiche Überlieferung und wissenschaftlich untersucht: Die Kirche hat den geheimnisvollen Schatz als authentisch anerkannt.

Von Christoph Münch

Der Glaube an die Wahrheit der katholischen Eucharistielehre erscheint auch vielen Katholiken entweder als Relikt aus einer längst vergangenen Zeit oder gar als Zumutung. Dass Jesus von Nazareth gelebt und eine auch für die Gegenwart noch wegweisende Botschaft verbreitet hat, bestreitet kaum jemand.

Dass der von Maria jungfräulich geborene Säugling tatsächlich der Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit war, weckt in vielen bereits Zweifel. Dass aber dieser Jesus gemäss seinen Worten im Abendmahlssaal in jeder katholischen Eucharistiefeier real gegenwärtig ist und sich in den verwandelten Gaben den Gläubigen tatsächlich in seinem Leib und seinem Blut schenkt, das sprengt vielfach die Grenze des Glaubbaren und Akzeptablen.
Was im protestantischen Glauben mehr oder minder auf ein symbolisches Geschehen reduziert wurde, bleibt im Katholizismus trotz aller Zweifel zentrale und unumstössliche Glaubenswahrheit. Nicht umsonst sieht das Zweite Vatikanische Konzil in der Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11).
Zweifel an der Wahrheit des Glaubens sind so alt wie der Glaube selbst. Bestes Beispiel hierfür ist der heilige Apostel Thomas, der bekanntlich Beweise verlangte, um glauben zu können. In der Tat könnte alles so einfach sein, wenn Gott sich den Menschen der Gegenwart als so real erweisen würde, wie Jesus dies gegenüber dem heiligen Thomas getan hat. Kein Wort eines Priesters oder gar des Papstes wird jemals eine solche Wirkung verursachen können wie die sicht- und greifbare Präsenz Gottes, die den Glauben in den Stand des Wissens erhebt. Der Überlieferung nach soll Thomas den christlichen Glauben sogar bis nach Indien gebracht haben, wo er von Feinden mit Lanzenstichen getötet wurde. Seine Gebeine wurden an mehreren Orten bestattet und verehrt, zunächst in Indien, dann in Edessa und seit 1258 in Ortona in den italienischen Abruzzen.

Nun mag es Zufall sein (oder auch nicht), dass genau in jenem Jahr, als die Reliquien des heiligen Thomas von Kreuzfahrern nach Ortona gebracht wurden, in einem anderen Ort ganz in der Nähe ein Gotteshaus neu gebaut wurde, das bis heute eines der grössten Wunder der katholischen Kirche beherbergt. Zwanzig Kilometer von Ortona entfernt befindet sich Lanciano, wo in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts nicht der Glaube, sondern Zweifel und Unglaube der Menschen auf die Probe gestellt werden. Denn das Eucharistische Wunder von Lanciano bietet augenscheinlich und wissenschaftlich fundiert den Beweis dafür, dass der katholische Glaube an die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi keineswegs als Symbol zu verstehen ist, sondern eben die Realität darstellt.
Im Jahre 1258 kamen die Gebeine des Zweiflers unter den Aposteln nach Ortona. Im selben Jahr bauten wenige Kilometer entfernt Franziskaner ein neues Kloster und eine neue Kirche, um den sichtbaren Beweis für die Wahrheit des Glaubens an die Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie angemessen beherbergen zu können. Fast schon gleicht es einem Fingerzeig Gottes, dass er die Antwort auf den Zweifel der Menschen so nahe an dem Ort gegeben hat, an dem die Gebeine des Apostels ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Seit nunmehr 758 Jahren kann beides innerhalb kürzester Zeit besucht und bestaunt werden. In der Franziskuskirche von Lanciano wird immer noch in einer Monstranz verehrt, was sich um das Jahr 700 herum an gleicher Stelle ereignet haben soll.

Das Ereignis selbst ist zwar erst später schriftlich fixiert worden, doch zeugt eine reiche mündliche Überlieferung und Verehrung in den Jahrhunderten zuvor von der Glaubwürdigkeit des Geschehenen. Ein schriftlicher Bericht über ebendieses Geschehen existiert seit dem Jahr 1631. Dieser Bericht wurde vom damaligen Bischof Andrea Gervasio in Auftrag gegeben und vom Prokurator Domherr Croce verfasst. Darin heisst es:

„In dieser Stadt [gemeint ist Lanciano] befand sich etwa um die Jahre 700 nach Christus ein Kloster des heiligen Legontianus, in dem damals Mönche des heiligen Basilius wohnten, das heute Sankt Franziskus heisst. Dort war ein Mönch, der – nicht sehr stark im Glauben, bewandert in den Wissenschaften der Welt, aber nicht jenen Gottes – von Tag zu Tag in Zweifel verfiel, ob in der verwandelten Hostie der wahre Leib Christi und desgleichen im Wein das wahre Blut zugegen sei. Dennoch war er von der göttlichen Gnade des beständigen Gebetes nicht verlassen und bat Gott fortwährend, er möge ihm diese Qual aus dem Herzen nehmen, die seine Seele betrübte, als der gütigste Gott, der Vater der Barmherzigkeit und all unseres Trostes, sich gefiel, ihn aus der so dunklen Finsternis zu befreien, indem er ihm dieselbe Gnade gewährte, die er schon dem Apostel Thomas zuteil werden liess. Während er eines Morgens mitten in seiner Messe nach den heiligsten Wandlungsworten mehr als je in seinen alten Zweifel versank, erblickte er – oh, einzigartige und wunderbare Gunst – das Brot in Fleisch verwandelt und den Wein in Blut.“
Wie das Dokument aus dem Jahre 1631 weiter berichtet, habe der Mönch seine Entdeckung nicht verheimlicht, sondern sie den anwesenden Gläubigen gezeigt; diese wiederum verehrten Fleisch und Blut fortan als Reliquien. In der Folge verbreitete sich die Kunde davon weit über Lanciano hinaus, sodass viele Gläubige dorthin pilgerten, um vor dem Eucharistischen Wunder zu beten.

Bruno Sammaciccia zeichnet in seinem Buch „Das Eucharistie-Wunder von Lanciano“ aus dem Jahre 1973 „ein möglichst vollständiges geschichtliches, religiöses und wissenschaftliches Bild“ über das Geschehen. Im Vergleich mit anderen Eucharistischen Wundern – solche gab es im Laufe der letzten beiden Jahrtausende immer wieder – bezeichnet Sammaciccia dasjenige von Lanciano als „das vollständigste und umfangreichste Eucharistiewunder, weil sowohl Brot wie Wein in ziemlich grosser Menge verwandelt wurden“. Tatsächlich sind bis heute in der Franziskuskirche in Lanciano mit blossem Auge sowohl die in Fleisch verwandelte Hostie als auch die Blutklumpen deutlich zu erkennen.

Am 18. November 1970 wurden von beiden Reliquienteilen des Wunders Proben genommen, welche in der Folge wissenschaftlich untersucht wurden. Die Untersuchung wurde von Professor Odoardo Linoli, dem Dozenten für Anatomie und pathologische Histologie und für Chemie und klinische Mikroskopie, dem Direktor der Vereinigten Spitäler von Arezzo, durchgeführt. Zur Absicherung seiner Ergebnisse zog Professor Linoli seinen Kollegen Professor Ruggero Bertelli, Professor im Ruhestand für Histologie an der Universität Siena, hinzu. Bezüglich der Untersuchungen lässt sich bereits vorwegnehmen, dass beide Professoren zu denselben Ergebnissen gelangten. Diese Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit am 4. März 1971 präsentiert. Fünf zentrale Aspekte lassen sich zusammenfassend hervorheben:

Das „Blut“ des Eucharistischen Wunders ist echtes Blut und das „Fleisch“ ist echtes Fleisch.
Das Blut und das Fleisch stammen von einem Menschen.
Das Fleisch ist Herzmuskelgewebe.
Das Fleisch und das Blut gehören der gleichen Blutgruppe an, was als Beweis dafür angesehen werden kann, dass sie von ein und derselben Person stammen.
Die im Blut vorhandenen Proteine sind normal verteilt in einem prozentualen Verhältnis, wie es das Blutbild normalen, frischen Menschenblutes aufweist.

Professor Linoli geht am Ende seines Berichts auf die in Wunderangelegenheiten häufig aufkommende Vermutung einer Fälschung ein. Diesbezüglich kommt er zu dem Schluss: „Die Ergebnisse der Untersuchungen, insbesondere jene über die Natur des Fleisches, machen eine Hypothese, dass es sich um eine während der Jahrhunderte bewerkstelligte Fälschung handeln könnte, wenig wahrscheinlich. Wenn wir annehmen, dass man einem Kadaver das Herz herausgeschnitten hätte, so behaupte ich, dass nur eine in der anatomischen Zergliederung erfahrene Hand einen so uniformen ‚Schnitt’ aus einem hohlen inneren Organ […] hätte ausführen können. Und wenn das Blut einem Kadaver entnommen worden wäre, so hätte es sich rasch verändert durch Zerfall und Verwesung. Festgehalten soll überdies werden, dass kein histologischer Schnitt eine Spur von Infiltration von Salzen oder benützten konservierenden Substanzen, wie sie im Altertum zur Mumifizierung Anwendung gefunden haben, aufgewiesen hat.“

Professor Linoli berichtet, dass die im Fleisch und im Blut gefundenen Proteine und Mineralstoffe für eine lange Zeit konserviert werden können, was beispielsweise auch bei ägyptischen Mumien festgestellt wurde. Allerdings betont er, dass diese Fälle verschieden sind „von unserem Fall, wo ein Fragment des Herzmuskels während Jahrhunderten in seinem natürlichen Zustand verblieben ist und der Wirkung physisch-atmosphärischer und biochemischer Kräfte ausgesetzt war“.

Die genannten Wissenschaftler sind sich also einig, dass es sich bei den Reliquien aus Lanciano unzweifelhaft um menschliches Fleisch und Blut handelt und dieses über Jahrhunderte hinweg ohne die Verwendung von Stoffen zur Konservierung nicht verfallen ist. Natürlich können sie nicht klären, ob dieses Fleisch und Blut, wie es das katholische Eucharistieverständnis sagt, von Jesus Christus stammt. Um ein Wunder aber handelt es sich in jedem Fall, zumal der Kontext, in dem dieses menschliche Fleisch und Blut verwandelt wurde, von Beginn an glaubwürdig bezeugt ist.
Wie auch heute noch bei jeder Selig- und Heiligsprechung geht die katholische Kirche von der Existenz von Wundern aus; mehr noch, sie stuft immer wieder bestimmte Fälle offiziell als Wunder ein. Genau dies hat sie beim Eucharistischen Wunder von Lanciano getan und damit ein klares Bekenntnis zu diesem Ort und dem dortigen Geschehen abgelegt. Namhafte Kirchenrepräsentanten wie Karol Wojtyla – der heilige Johannes Paul II. – und Angelo Sodano, ehemaliger Kardinalstaatssekretär und seit 2005 Kardinaldekan, haben diesen Ort besucht und die Reliquien verehrt. Sie waren von diesem wahrhaft wundervollen Glaubensbeweis beeindruckt, so wie Millionen Gläubige in den Jahrhunderten vor ihnen und den Jahren nach ihnen.

Dass anders als beim „Volto Santo“ von Manoppello, das ebenfalls nur wenige Kilometer entfernt liegt, bisher kein Papst Lanciano besucht hat, muss doch angesichts der gut dokumentierten Überlieferung, der Anerkennung als Eucharistisches Wunder und der wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse verwundern. Wenn nicht an diesem Ort das katholische Eucharistieverständnis in seiner Herrlichkeit und in seiner Wirklichkeit eindrücklich vor Augen geführt wird, wo sonst soll dies geschehen? Es ist bedauerlich, dass angesichts des stetig sich verbreitenden Unglaubens und der zu selten hinterfragten Wissenschaftsgläubigkeit der Gegenwart nicht gerade hier der Unglaube viel stärker demonstrativ auf die Probe gestellt wird.

Wie im Bericht aus dem Jahre 1631 so sollte auch heute das Eucharistische Wunder von Lanciano und alle anderen, von der katholischen Kirche offiziell anerkannten Eucharistischen Wunder als Zeichen der grossen „Gnade des gütigsten Gottes, des Vaters der Barmherzigkeit“ angesehen werden. Den Gläubigen beweist dieser Gnadenerweis auf eindrückliche und unvergessliche Weise, woran sie glauben; bei den Zweiflern und den Ungläubigen bleibt zumindest ein Staunen oder eine Sprachlosigkeit, die nachdenklich machen. In jedem Fall liegt darin das notwendige Potenzial, die greifbare Wirklichkeit des katholischen Glaubens zu spüren.

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