Szenen aus Aleppo
Und nachts noch die Post beantworten: Szenen aus Aleppo
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UNHCR – Papstbotschaft der Solidarität ist fundamental
Der Waffenstillstand für Syrien geht in die Verlängerung – doch er bleibt wackelig, das blutige Spiel der widerstreitenden Interessen kann jederzeit wieder losgehen. Es ist eine Zwischenzeit. „Was wir jetzt machen, ist: Essen kaufen und Medizin, und das an die Menschen verteilen.“ Das erzählte uns am Telefon aus Aleppo der Franziskaner Ibrahim al-Sabbagh. Er ist Pfarrer im Westteil der Stadt, der von den Regierungstruppen kontrolliert wird.
„Wir kaufen, mit der Hilfe von Spendern, was wir bekommen können, und warten nicht auf humanitäre Hilfen, von denen man ja nicht weiss, ob sie durchkommen oder nicht, und auf deren Basis man keine stabile monatlichen Hilfe organisieren kann. Die Menschen brauchen aber eine solche kontinuierliche Hilfe; darum hängen wir von Spendern ab, mit deren Geld wir unsere Einkäufe tätigen.“
Eines der vielen Probleme in Aleppo ist der Wassermangel, berichtet Pater al-Sabbagh. „Das hat sich in letzter Zeit etwas verbessert, aber das Wasser, das wir jetzt haben, ist kein Trinkwasser. Es enthält Bakterien, und viele werden dadurch krank. Unsere erste Plage, unsere wichtigste Herausforderung aber sind die Raketen, die den Leuten auf den Kopf fallen, auf die Wohnungen und Strassen. Das können die Menschen nicht mehr ertragen. Viele – auch in unseren Familien – entscheiden sich deswegen, die Stadt oder gar das Land zu verlassen. Die zweite Plage ist die allgemeine Lage der Stadt: Keine Arbeit zu haben bedeutet, dass die Familien keine monatlichen festen Einkünfte haben. Und dadurch wächst immer mehr die Zahl der völlig bedürftigen Familien. Damit einher gehen Depressionen, psychologische Probleme, Verzweiflung…“
Der Pfarrer versucht sich dem Elend entgegenzustemmen: Er arbeitet, sagt er, in der Regel von acht Uhr morgens bis elf Uhr nachts. Um den Leuten zuzuhören, dringende Probleme zu lösen. „Aber dann ist da noch eine andere Arbeit, die ebenfalls schwierig ist und die ich nachts mache: auf Nachrichten, auf Briefe der Freunde und der Spender zu antworten. Das ist ein sehr langer, sehr ermüdender Tag. Seit Monaten habe ich nie auch nur mal einen halben Tag frei. Und dann der geistliche, pastorale Dienst, der ja auch für sich schon viel Einsatz fordert. Dazu die humanitäre Hilfe für die Menschen. Wir können heute nicht aufgeben.“
Insgesamt fünf Franziskaner, er selbst eingeschlossen, arbeiten in seiner Pfarrei in Aleppo, berichtet Pfarrer al-Sabbagh. „Aber wir haben immer andere Ordensleute in der Nähe, Jesuiten, Salesianer und verschiedene Schwesterngemeinschaften, die ebenfalls zu helfen versuchen, auch wenn der Hauptort immer die Pfarrei bleibt. Wir haben Hunderte von Familien des lateinischen Ritus; insgesamt sind wir Christen hier im Westteil von Aleppo etwa 40.000 Menschen. Dazu muss man allerdings sagen, dass viele von ihnen alte, verlassene Menschen sind, viele Witwen; auch viele kleine Kinder ohne Eltern. Und jeden Moment kann eine Rakete vom Himmel fallen, dann muss man immer sofort handeln: hingehen, die Menschen besuchen, mit ihnen beten, an der Seite derer stehen, die leiden.“
Nein, sein Stadtviertel sei kein rein christliches, so al-Sabbagh: Hier hätten immer schon auch viele Muslime gewohnt, vor dem Krieg, und auch jetzt sei das immer noch so. „Alle Riten, alle Religionen“, sagt er. „So haben wir immer schon gelebt, und so leben wir auch heute noch in diesem westlichen Stadtteil. Es gibt grossen gegenseitigen Respekt und Zusammenarbeit, und wir bemühen uns auch immer, gerade bei den humanitären Hilfen die Hand auch zu den anderen hin auszustrecken, weil unser Herr Jesus uns mit seinem Gebot der Liebe dazu antreibt. Wir helfen also auch den anderen, das heisst, den Muslimen.“
rv 15.09.2016 sk
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