Bioethische Schweinereien

‘Dies gilt umso mehr, als die Einsicht, dass der Mensch nicht alles tun soll, was er kann, im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ auf keine allzu reiche Tradition verweisen kann’

Stefan RehderDie Tagespost, 13. Juni 2016

Die Experimente der Wissenschaftler um Pablo Ross, die an der Universität von Kalifornien erfolgreich menschliche Zellen in Schweineembryonen einbrachten und dort mehrere Wochen lang reifen liessen, stehen derzeit massiv in der Kritik. Das ist eine gute Nachricht. Denn es bedeutet, dass sich weder die Wissenschaft noch die Medien damit abgefunden haben, dass die Biobastler in ihren Labors Gattungsgrenzen überschreiten und nach eigenem Gutdünken immer neue Mensch-Tier-Mischwesen herstellen. Auch dass die ansonsten wenig zimperliche US-Aufsichtsbehörde, die „National Institutes of Health“, den Forschern die Förderung ihrer Experimente versagte, ist ein wichtiges Signal.

Eines, das zumindest hoffen lässt, dass die Forschungspolitik nicht länger bereit ist, den möglichen Nutzen eines Forschungsvorhabens regelmässig höher zu bewerten als das bioethische Porzellan, das dabei zerschlagen wird. Dies gilt umso mehr, als die Einsicht, dass der Mensch nicht alles tun soll, was er kann, im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ auf keine allzu reiche Tradition verweisen kann.

So erfreulich die neue Sensibilität der „scientific community“ auch sein mag, etwas merkwürdig mutet sie schon an. Denn die Aufregung darüber, dass Forscher Schweine als Inkubator für die Züchtung von Bauchspeicheldrüsen nutzen wollen, die aus Stammzellen gebildet werden, die wiederum aus menschlichen Körperzellen reprogrammiert wurden, steht in einem nahezu grotesken Verhältnis zu anderen Experimenten, bei denen Forscher völlig ungeniert Mensch-Tier-Mischwesen erschaffen. So werden etwa in Grossbritannien seit Jahren – gesetzlich erlaubt – sogenannte Mensch-Tier-Hybride erzeugt, bei denen menschliche Zellkerne mit zuvor entkernten Rinder-Eizellen fusioniert werden. Diese, mittels der „Dolly-Methode“ geklonten Wesen sind – ihrem Genom nach zu urteilen – zu 99,9 Prozent menschlich. Lediglich 0,1 Prozent des Genoms, nämlich die verbleibende Mitochondrien-DNA der Eizelle, stammen vom Rind. Trotzdem werden diese Wesen von Biowissenschaftlern und Forschungspolitikern als würdelose „Artefakte“ betrachtet, werden sowohl ihre Erzeugung als auch ihre spätere Zerstörung zur Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen als ethisch unproblematisch dargestellt und gegenüber Kritikern verteidigt.

Wer die Produktion von Tier-Mensch-Chimären der Forscher um Ross als bioethische Schweinerei betrachtet, die Erzeugung von Mensch-Tier-Hybriden zur Stammzellgewinnung aber für akzeptabel erachtet, der muss sich nicht nur vorhalten lassen, dass er ethisch mit zweierlei Mass misst. Er weckt darüber hinaus den Verdacht, dass es ihm generell an ethischen Massstäben mangelt. Zwar mag man zugeben, dass der Gedanke, dass Menschen eine Bauchspeicheldrüse transplantiert bekommen könnten, die in einem Schwein herangezüchtet wurde, ein Unbehagen hervorruft, das jenes übersteigen mag, das derjenige empfindet, dem eine biologische, vom Schwein oder Rind stammende Herzklappe transplantiert wird. Nur können Gefühle keine Ethik begründen. Ethisch verwerflich sind Ross Experimente nicht, weil sie für Unbehagen sorgen, sondern weil die Würde, die der Mensch als Individuum besitzt, diesem auch als Gattungswesen zukommt.

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