Aufruf zur Gebetsoffensive

Schick ruft zu Gebetsoffensive für Papstbesuch auf

Erzbischof Ludwig Schick leitet die Kommission Weltkirche der Deutschen BischofskonferenzDie Tagespost, 16. Mai 2014

Der Bamberger Erzbischof hofft auf ökumenische und politische Impulse der Heilig Land-Reise – “Die Kirche hat ein Angebot, das Washington nicht hat”. Von Markus Reder

Herr Erzbischof, ein Papstbesuch im Heiligen Land steht bevor. Nicht nur die Weltkirche schaut da mit besonderer Aufmerksamkeit zu, auch die internationale Politik blickt gespannt auf diese Reise. Entsprechend gross sind die Erwartungen: kirchlich, ökumenisch, politisch. Doch der Aufenthalt von Franziskus ist nur sehr kurz. Sollte man die hohen Erwartungen da nicht zurückschrauben? Muss man diese Papst-Reise etwas “tiefer hängen”?

Die Erwartungen sind in der Tat immens, aber ich würde diese Reise ungern “tiefer hängen”. Wie unter einem Brennglas konzentrieren sich im Heiligen Land politische und religiöse Konflikte. Viele Menschen, ob Christen oder Nichtchristen, gerade auch Politiker spüren das sehr deutlich. Deshalb sind die Erwartungen besonders hoch, wenn ein Papst in diese Region kommt. Wenn es dem Heiligen Vater gelingt, und das wünsche ich von ganzem Herzen, dort Impulse für mehr Zusammenarbeit und Frieden zu geben, dann hätte das nicht nur Auswirkungen auf die Region, dann wäre das heilsam für die ganze Welt.

Anlass für die Reise ist der 50. Jahrestag der Begegnung zwischen Papst Paul VI. und dem Patriarchen Athenagoras I. Welche Bedeutung hatte diese Begegnung damals für das Verhältnis der beiden Kirchen?

Das war wie eine Initialzündung für die Begegnung von Orthodoxie und Katholizismus. Und diese Begegnung hat sich sehr fruchtbar ausgewirkt. Es hat im Anschluss viele Dialoggespräche und Begegnungen gegeben. Die Probleme zwischen Orthodoxie und katholischer Kirche sind nicht alle gelöst. Aber es ist doch vieles vorangegangen. Wenn die Begegnung zwischen Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios I. einen ähnlichen Schub für die Ökumene bringt, wäre das ein grosser Erfolg.

Ist das denn realistisch? Sind wir da nicht wieder bei den allzu hohen Erwartungen?

Initialzündung und weitere Anstösse unterscheiden sich immer. Das ist auch vernünftig so. Aber ein weiterer Anschub, auf den wir alle hoffen sollten, könnte für das noch nähere Zusammenrücken von Orthodoxie und katholischer Kirche sehr fruchtbar werden.

Das Programm der Papstreise sieht auch Begegnungen mit Vertretern des Judentums und des Islam vor. Warum ist das Heilige Land der “Mutterboden“ für den interreligiösen Dialog weltweit?

Nirgendwo sonst sind die Weltreligionen auf geografisch so engem Raum so dicht beieinander. Wenn im Heiligen Land der Dialog zwischen Christen, Juden und Muslimen vorangeht, wäre das ein grosser Segen für den interreligiösen Dialog. Das hätte Signalwirkung und könnte geradezu eine Dominostein-Wirkung für die ganze Welt bedeuten. Die Verständigung der Religionen ist eine wichtige Voraussetzung für den Frieden in der Welt. Wenn sich die Religionen im Frieden begegnen, hat das weltweit Folgen – politisch und sozial.

Rabbi Rosen, einer der führenden Vertreter auf jüdischer Seite im Gespräch mit der katholischen Kirche, hat das Verhältnis von Judentum und Kirche als so gut wie nie zuvor bezeichnet. Woher rührt diese Wende zum Guten, nach Jahrhunderten einer schwer gestörten Beziehung?

Der Holocaust hat eine furchtbare Wirkung gehabt. Eine der Lehren daraus lautet: So etwas darf nie wieder geschehen. Aus diesem “nie wieder“ haben sich weltweit zahlreiche Initiativen und Aktionen entwickelt. Auch der theologische Dialog hat mit dem Zweiten Vaticanum grosse Fortschritte gemacht. Die Frucht all dieser zahlreichen Bemühungen ist, dass das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum nie besser war, als es jetzt ist.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat das besondere Verhältnis der Kirche zum Judentum hervorgehoben. Johannes Paul II. sprach immer wieder von “den älteren Brüdern im Glauben”. Was können Christen von ihren älteren Brüdern im Glauben lernen?

Zunächst einmal die grosse Ehrfurcht vor Gott. Wenn man wahrnimmt, wie in der Synagoge der Thora-Schrein, das Wort Gottes, verehrt wird, beeindruckt das doch sehr. Das gilt auch für den Gehorsam gegenüber Gottes Wort. Natürlich hat sich im Judentum auch viel in Gesetzlichkeit verflüchtigt, aber diese innere Pflicht zum Gehorsam gegenüber Gottes Gebot, das ist etwas, was uns Christen gut ansteht. Da können wir von den Juden lernen.

Heilig-Land-Reisen eines Papstes sind immer auch ein Politikum: Die USA beissen sich an den verhärteten Fronten im Friedensprozess die Zähne aus. Kann Rom etwas, was Washington nicht kann, um Frieden in dieses heillos Heilige Land zu bringen?

Ja, das glaube ich tatsächlich. Die Kirche hat ein Angebot, das die US-Regierung nicht hat: Jesus Christus. Ich hoffe, dass durch die Reise des Papstes an die Heiligen Stätten Jesus mit seinem Leben und mit seinem Evangelium neu und mehr ins Bewusstsein der Menschen kommt. Ich meine das nicht nur im Bezug auf die Christen, sondern gerade auch mit Blick auf Juden und Muslime. Jesus Christus kommt aus dem Volk der Juden, im Koran wird er als Prophet erwähnt. Wenn es dem Heiligen Vater gelingt, an den heiligen Orten die Bedeutung Jesu Christi für alle Menschen neu hervorzuheben, könnte das erhebliche Folgen haben. In “Evangelii gaudium” hat Papst Franziskus einen schönen Satz geschrieben, der in besonderer Weise auch für diese Reise gilt: “Die Erlösung durch Jesus Christus hat eine soziale Bedeutung, denn Gott erlöst in Christus nicht nur die Einzelperson, sondern auch die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen.“ Die zentrale Bedeutung Jesu hervorzuheben, hat demnach Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen, auch auf die zwischen Christen, Juden und Muslimen. Christus ist es, der erlöst – eben auch die sozialen Beziehungen. Wo dieses Bewusstsein wächst, gedeihen Gerechtigkeit und Frieden. Auch unter den Religionen.

Führt eine solche Betonung der Christozentrik nicht zwangsläufig zu interreligiösen Irritationen?

Ich glaube nicht. Jesus ist der Beziehungspunkt, der uns zusammenbringen kann. Denn er wird von allen anerkannt. Wir müssen über seine Person sprechen, wir müssen auch unsere unterschiedlichen Vorstellungen von ihm austauschen. Als Christen glauben wir, dass er der Sohn Gottes ist, dass sein lebendiger Geist wirkt. Ich bin überzeugt, dass er auch heute Zerwürfnisse heilen und Frieden bringen kann.

Viele Christen im Heiligen Land verlassen ihre Heimat. Was kann man tun, um diesen Exodus zu stoppen? Welchen Beitrag können die Christen des Westens leisten?

Zunächst ist es wichtig, dass wir die Christen im Heiligen Land besuchen und ihnen unsere Solidarität zeigen. Pilgerfahrten sind daher sinnvoll. Wichtig ist auch, dass wir die Christen dort finanziell unterstützen. Jede Heilig-Land-Reise unterstützt auch die Christen vor Ort in ihren Berufen, sei es im Tourismus, im Pilgergewerbe oder auch in Manufakturen. All das hilft. Auch die Unterstützung unserer christlichen Einrichtungen vor Ort ist ein wichtiger Beitrag. Ganz gleich, ob es Schulen, Krankenhäuser oder Einrichtungen für Behinderte sind. In diesen sozialen Einrichtungen kommen Christen, Juden und auch Muslime zusammen. Das schafft Bindung und Gemeinschaft. Aber wir Christen haben immer auch Lobbyarbeit zu leisten. Wir müssen in die politischen Gespräche hinein und müssen sagen: Helft, dass dort die verschiedenen Gruppen so miteinander leben, dass die Christen bleiben können. Die Christen werden nur bleiben, wenn sie für sich und ihre Kinder eine Zukunft sehen. Neben der materiellen und politischen Unterstützung haben wir Christen im Westen auch die Aufgabe, geistlich solidarisch zu sein und für unsere Schwestern und Brüder im Heiligen Land zu beten.

Das Heilige Land wird gerne auch als das fünfte Evangelium bezeichnet. Warum ist es so wichtig, in diesem Evangelium zu lesen, und welche spezielle Botschaft vermittelt dieses fünfte Evangelium?

Ich bin bestimmt schon an die zwanzig Mal im Heiligen Land gewesen, und ich erlebe es immer wieder: Wenn man dort vor Ort das Evangelium liest, bekommt man einen ganz anderen Eindruck von dem, was da geschehen ist, wie Jesus gewirkt hat. Das “fünfte Evangelium“ ist quasi wie ein Kommentar zu den vier Evangelien, die wir kennen. Der heilige Ignatius von Loyola hat gesagt: Man kommt Jesus näher, indem man sich das Evangelium, wenn man es liest, ganz lebendig vorstellt. Das gelingt viel besser, wenn man selbst einmal im Heiligen Land war. Wenn man später das Evangelium zu Hause liest, sind die Bilder gegenwärtig, die man vor Ort gespeichert hat, und das Gelesene wird viel lebendiger. Diese Lebendigkeit hilft zu einer lebendigen Begegnung mit Jesus Christus. Deshalb ist das “Wort“ des “fünften Evangeliums“ sehr wichtig.

Wir haben eingangs über die grossen Erwartungen gesprochen, die mit der Reise des Heiligen Vaters verbunden sind. Was können Christen tun, um diese schwierige Mission des Papstes zu unterstützen?

Ich möchte dazu aufrufen, dass wir den Heiligen Vater im Gebet begleiten. Der 24. Mai ist der Tag “Maria Hilfe der Christen“. Das passt gut – gerade zu dieser Reise. Wir sollten in besonderer Weise die Gottesmutter um ihren Beistand bitten, dass sie sich als die Hilfe der Christen im Heiligen Land erweist. Aber auch, dass durch den Papstbesuch den Christen dort Hilfe zuteil wird. Dann möchte ich noch vorschlagen, dass man sich die Reiseroute ansieht und an den verschiedenen Stationen der Papstvisite die dazugehörigen Stellen im Evangelium liest. Auf diese Weise kann man die Reise geistlich mitvollziehen und innerlich dabei sein. Ich bin überzeugt, das hilft einem selbst, das Evangelium tiefer zu erfassen, und es hilft auch dem Heiligen Vater, wenn er von vielen geistlich unterstützt wird.

Wir brauchen eine Gebetsoffensive zur Begleitung dieses Besuches.

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