Heiliges Land jenseits des Flusses

Papst Franziskus beginnt seine Nahost-Reise in Jordanien

Entrückung von Elija– Das Gebiet östlich des Jordan ist reich an christlicher und alttestamentlicher Geschichte. Von Oliver Maksan

Auch Benedikt XVI. begann 2009 seine Pilgerreise ins Heilige Land in Jordanien, um die Taufstelle Jesu zu besuchen.

Amman, Die Tagespost, 16. Mai 2014

Noch jeder der vier Päpste, der den Nahen Osten seit Paul VI. besucht hat, hat seine Reise östlich des Jordanflusses begonnen. Denn das Gebiet, das heute im Haschemitischen Königreich Jordanien liegt, gehört zweifellos zum Heiligen Land.

Es ist geheiligt durch die Gegenwart des Herrn sowie grosser Gestalten des Alten Bundes. Nach den Evangelisten Markus und Matthäus wählte Jesus die Route durch das Ostjordanland, um sich von Galiläa nach Jerusalem, der Stätte seines Leidens, zu begeben. Berühmte Gleichnisse Christi wie das von den Arbeitern im Weinberg wurden nach Matthäus hier verkündet.

Das Gedächtnis an die Taufe Jesu vor Augen

Aus christlicher Sicht die bedeutendste Stätte ist dabei ohne Frage die Taufstelle des Herrn am östlichen Ufer des Jordanflusses. Hier wird Papst Franziskus am Abend seines ersten Besuchstages Kranken und Flüchtlingen begegnen. Die Feier wird auf dem Gelände der dem Gedächtnis der Taufe Christi gewidmeten römisch-katholischen Kirche stattfinden. Sie ist noch im Bau. Ihren Grundstein hat Papst Benedikt während seines Besuchs an dieser Stelle 2009 gesegnet. Damals sagte der deutsche Papst in Gegenwart des jordanischen Königspaares: “An diesem Ort haben wir das Gedächtnis an die Taufe Christi lebendig vor Augen. Jesus stand mit den Sündern in einer Reihe und empfing die Bekehrungstaufe des Johannes als ein prophetisches Zeichen seines eigenen Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung für die Vergebung der Sünden. Im Laufe der Jahrhunderte sind viele Pilger zum Jordan gekommen, um Reinigung zu suchen, ihren Glauben zu erneuern und näher zum Herrn zu gelangen. Das gilt auch für die Pilgerin Egeria, die einen schriftlichen Bericht von ihrer Wallfahrt am Ende des vierten Jahrhunderts hinterlassen hat.”

Tatsächlich geht die christliche Verehrung der Gegend auf älteste Zeiten zurück. Allerdings war die Stätte wie ihr auf der westlichen Seite des Flusses gelegenes Pendant erst nach dem Abschluss des jordanisch-israelischen Friedensvertrages 1994 wieder zugänglich. Seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 war das Grenzgebiet zwischen den seit Israels Gründung verfeindeten Staaten militärische Sperrzone und stark vermint. Erst mit der Deminierung des Geländes konnte dessen archäologische Erforschung ab 1996 beginnen. Federführend waren hier Franziskanerarchäologen tätig. Zu Tage kamen zahlreiche bedeutende Relikte der Verehrung des Ortes aus byzantinischer Zeit: Kirchen, Klöster und Taufbecken. Sie alle lagen dem Jordan mehr oder weniger nah im Gebiet des Wadi al Kharrar, eines östlichen Zulaufes des Jordans, etwa vier Kilometer nördlich des Toten Meeres.

Wo genau indes die Taufe des Herrn in dem Gebiet stattfand, ist dabei unklar. Denn die Heilige Schrift selbst ist in dieser Frage nicht ganz eindeutig. Dem Markus-Evangelium zufolge taufte Johannes direkt “im Jordanfluss”, was einen Nebenfluss ausschliesst. Johannes hingegen berichtet in seinem Evangelium vom Wirkungsgebiet des Täufers in “Bethanien jenseits des Jordan”, verlegt das Geschehen also vom Fluss weg an einen Nebenlauf. Noch in altkirchlicher Zeit begann man, einen Tell Elija genannten, am Wadi al Kharrar gelegenen Hügel, mit dem ansonsten unbekannten Ort “Bethanien jenseits des Jordan” zu identifizieren, von dem Johannes spricht. So wurden auf dem etwa zwei Kilometer vom Jordan entfernt liegenden Tell Elija Reste einer byzantinischen Klosteranlage aus dem 5. Jahrhundert freigelegt. Zu Gunsten der Lokalisierung gemäss der johanneischen Tradition spricht die enge Verbundenheit des Gebiets mit dem Propheten Elija. Dieser stammt dem ersten Buch der Könige zufolge aus Tischbe im Lande Gilead, einer Landschaft im heutigen Nordwesten Jordaniens. Sein irdisches Leben endet der Überlieferung zufolge indes im Gebiet der heutigen Taufstätte. Der Tell Elija wurde nämlich bereits in der jüdischen Antike als der Ort angesehen, wo Elija vor den Augen seines Schülers Elischa in einem von feurigen Rossen gezogenen Wagen gen Himmel entrückt wurde. Weil Johannes der Täufer aber nach dem Zeugnis der Evangelien als der wiedergekommene Elija gesehen wurde und er sich wohl selbst in dessen Nachfolge sah, mag er bewusst die Gegend, in der der Entrückung des Elija gedacht wurde, für sein busstäuferisches Wirken gewählt haben.

Archäologisch lässt sich indes eine Tendenz nach Westen feststellen: Die der Taufe des Herrn gedenkenden Bauten näherten sich dem Hauptlauf des Jordan an. Soll heissen: Man gab mehr und mehr Markus den Vorzug vor Johannes. Das mag damit zu tun gehabt haben, dass die Quellen des Nebenlaufs zunehmend versiegten. Egal, ob man nun Markus oder Johannes folgt: Für das Gebiet spricht insgesamt, dass es weit im Süden des Jordanflusses kurz vor der Mündung ins Tote Meer liegt, für die Massen aus Jerusalem und Judäa – “alle Einwohner Jerusalems” sollen zu Johannes hinausgezogen sein – also relativ gut erreichbar war.

Die biblische Geschichte des heutigen Jordanien

Grössere Präzision ist wohl hinsichtlich der Lokalisierung einer anderen in Zusammenhang mit Johannes dem Täufer stehenden Stätte möglich, die heute nahe dem Ort Muqawir ebenfalls in der Gegend des Toten Meeres liegt. In Qualaat al Mischnaqua – in der Antike wurde die auf einem kegelförmigen Berg gelegene Festung Machärus genannt – wird der Ort der Enthauptung Johannes des Täufers vermutet. Im Matthäus-Evangelium – Kapitel 14 – wird der Vorläufer Christi bekanntlich auf Drängen der Herodias und ihrer Tochter ermordet. Sein Kopf wird auf einer Schale serviert. Wo dies grausige Geschehen stattfand, bleibt im Evangelium offen. Der jüdische Historiker Flavius Josephus lokalisiert in seinen Jüdischen Altertümern die Gefangenschaft und Enthauptung des Vorläufers Christi durch König Herodes Antipas indes in Machärus. Tatsächlich war der Vierfürst Herodes Antipas im Besitz der Festung. Sie war nach dem Tod Herodes des Grossen in seinen Besitz übergegangen.

Doch reicht die biblische Geschichte des heutigen Jordanien weit über das Neue Testament hinaus. Die Hauptstadt Amman etwa, wo der Papst ankommen und eine grosse Messe feiern wird, steht im Zusammenhang mit dem Ehebruch des König David und dessen Folgen. Als das Heer der Israeliten Rabbat Ammon belagerte, die sich im Gebiet der Zitadelle des heutigen Amman befindliche Hauptstadt der Ammoniter, beobachtete David in Jerusalem Batseba, die Frau des Urija, lüstern beim Bade. Um den daraufhin stattfindenden Ehebruch samt Schwangerschaft zu vertuschen, lässt er Urija aus dem Felde zurückrufen. Doch dieser weigert sich, mit seiner Frau zu verkehren, während seine Männer im Kampf stehen. David bleibt nur noch eines: Er befiehlt seinem Heerführer Joab, Urija an die vorderste Front und damit den sicheren Tod zu schicken. In der Gegend der Zitadelle von Amman, die ausweislich archäologischer Funde bereits seit der frühen Bronzezeit besiedelt ist, fällt Urija.

Von grosser Bedeutung ist das Gebiet östlich des Jordan auch hinsichtlich der Erzählungen von der Landnahme. Das Volk Israel unter Josuas Führung zog bekanntlich durch den gestauten Jordanfluss von Osten kommend in das gelobte Land ein. Moses war dies nach dem Zeugnis der Schrift nicht mehr vergönnt. Der sterbende Führer seines Volkes musste sich mit einem Blick auf das von Gott verheissene Land begnügen. Im Buch Deuteronomium heisst es: “Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob versprochen habe mit dem Schwur: Deinen Nachkommen werde ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen schauen lassen. Hinüberziehen wirst du nicht.” Den berühmten Blick tat Mose nach dem Zeugnis des Alten Testaments vom Berge Nebo, genauer gesagt von dem Pisga genannten Gipfel. Spätestens seit byzantinischer Zeit wird dieser mit dem Bergvorsprung Ras al-Siyagha identifiziert. Die pilgernde Nonne Egeria, die im vierten Jahrhundert das Heilige Land besuchte, berichtet von einer Kirche, die im Gedenken an den Tod des Mose hier errichtet wurde. Heute steht auf dem Gelände ein Kloster der Franziskaner, die dort seit 1932 Ausgrabungen durchführen. Die Reste dabei gefundener alter Kirchen wurden in einem zeitgenössischen Kirchenbau eingefasst. Der heilige Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. besuchten den Ort 2000 und 2009.

Stätten des Alten wie auch des Neuen Bundes

Zeitlich noch weiter zurück in die biblische Geschichte, in die Zeit der Erzväter, führt das Lotkloster am Toten Meer. Das Buch Genesis erwähnt Zoar als den Ort, in den sich Lot, Abrahams Neffe, rettet, da Sodom und Gomorrha durch Feuer vom Himmel gerichtet werden. Die Tradition identifizierte Zoar mit der Oase Ghor al Safi. Diese lag vor der Verlandung am südöstlichen Rand des Toten Meeres. Nordöstlich der Oase befindet sich eine Höhle, die seit byzantinischer Zeit als der Zufluchtsort Lots gedeutet wird. Ausgrabungen in den achtziger Jahren haben Reste eines byzantinischen Klosters aus dem 5. Jahrhundert freigelegt, das einst Lots Höhle barg. Schon die Mosaikkarte des Heiligen Landes in der Kirche von Madaba verzeichnet dieses Lot-Heiligtum. Das im 6. Jahrhundert entstandene Mosaik kann heute in der griechisch-orthodoxen Kirche der unweit des Toten Meeres gelegenen Stadt Madaba besichtigt werden. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die verbliebenen Fragmente des einst sechs mal 15 Meter messenden Mosaiks freigelegt, das Stätten des Alten und des Neuen Bundes verzeichnet. Aber selbst die verbliebenen Reste machen auf einen Blick klar, warum Jordanien heiliges Land ist.

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