Myanmar: Drohender Bürgerkrieg
Myanmar: Ein trauriges Osterfest im Schatten eines drohenden Bürgerkrieges
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Myanmar: Ordensfrauen unterstützen Familien
Myanmar: Ein trauriges Osterfest im Schatten eines drohenden Bürgerkrieges
Über 600 Menschen sind in Myanmar bislang den Repressalien durch das Militär zum Opfer gefallen, darunter auch knapp 50 Kinder. Beobachter fürchten den Ausbruch eines Bürgerkriegs. Ostern sei in dem Land mit Angst, doch auch Hoffnung gelebt worden, berichtet im Gespräch mit Radio Vatikan ein Sozialarbeiter aus Rangun, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will.
Wie bei vielen Bewegungen, die in letzter Zeit kräftig an Fahrt gewinnen und den althergebrachten Trott in Frage stellen, ist es auch in Myanmar die Jugend, die die treibende Kraft hinter der Demokratiebewegung ist. Doch die Demonstranten zahlen einen hohen Preis. Das Militär scheut nicht davor zurück, brutale Gewalt zur Unterdrückung der Protestbewegung anzuwenden, zahlreiche junge Menschen, darunter auch Kinder, starben. Mit roter Farbe, die sie auf den Strassen von Rangun versprüht haben, und Schuhen, in die Blumen gelegt wurden, erinnerten die Demonstranten dieser Tage an die Verstorbenen.
Nägel mit Köpfen versucht unterdessen die Junta auch im Ausland zu machen: für Schlagzeilen sorgte die Entscheidung, den Botschafter Myanmars in London durch seinen militärischen Vize zu ersetzen. Grossbritannien wolle dem geschassten Diplomaten, der bereits erklärt hatte, nicht in ein vom Militär reagiertes Myanmar zurückkehren zu wollen, Asyl gewähren, hiess es am Freitag.
Schuhe mit Blumen erinnern in Rangun an die getöteten Demonstranten
Bekannte Figuren werden verhaftet
Trotz der gefährlichen Situation gehen die prodemokratischen Kundgebungen im gesamten Land weiter, während die Machthaber versuchen, mit gross angelegten Internetblockaden die Zusammenkünfte und Absprachen der Demonstranten zu verhindern. Insbesondere Influencer, Modelle und Schauspieler scheinen derzeit im Visier der Militärs zu stehen, Dutzende von bekannten Gesichtern wurden in den vergangenen Tagen mit der Anklage verhaftet, “Nachrichten zu verbreiten, um die Stabilität des Staates zu untergraben.”
Die internationale Gemeinschaft ist allerdings uneins über den richtigen Umgang mit den Militärs, die sich Anfang Februar an die Macht geputscht hatten. Russland zeigte sich jüngst davon überzeugt, dass wirtschaftliche Sanktionen gegen das Land erst recht zu einem blutigen Bürgerkrieg führen würden. Brunei, das derzeit den Generalsekretär des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) stellt, hatte zugesagt, eine Versammlung seiner Mitglieder zur Krise in Myanmar einzuberufen, ohne jedoch ein Datum zu nennen. Auch innerhalb des südostasiatischen Verbandes mit seinen zehn Mitgliedern herrscht keine Einigkeit über den richtigen Umgang mit den Militärs, die den Zivilisten mit brutaler Gewalt entgegentreten.
Ostern in einem Klima der Angst
In dieser Gemengelage feierten die Einwohner Myanmars Ostern in einem Klima der Angst, durchaus allerdings gemischt mit Trotz. Am Sonntag hatten die Demonstranten einen “Ostereierstreik” organisiert, mit Ostereiern, die aus Solidarität mit den Protesten bemalt und an öffentlichen Orten sowie im Internet ausgestellt wurden. Die wenigen Menschen, die sich an Ostern aus Angst vor den Strassenschlachten, aber auch wegen des Coronavirus, in die Kirchen getraut hätten, hätten jedoch mit grosser Wärme an den Feiern teilgenommen, berichtet uns am Telefon ein Sozialarbeiter aus Rangun, der anonym bleiben will.
In einigen Diözesen, so berichtet er, seien die Kirchen auch an Ostern geschlossen geblieben, auch wenn er das Motiv dafür nicht kenne: “Hier nahmen die Menschen teil, aber nicht wie in den Jahren zuvor. Ein bisschen, weil die spannungsgeladene Situation es unmöglich macht, sich nach Einbrechen der Dunkelheit sorglos auf der Strasse zu bewegen. Und dann auch, weil die bekannte Situation eine adäquate Vorbereitung verhindert hat. Normalerweise bereiten die Menschen hier sich sehr gut vor, ich erinnere mich an lange Schlangen vor den Beichtstühlen. Auch im vergangenen Jahr war das so, die Massnahmen waren sogar noch strenger.
Sorge um die Zukunft
In wenigen Tagen feiere man in Myanmar traditionell das Neujahrsfest, erinnert der Sozialarbeiter, doch er wisse selbst nicht, wie es dieses Jahr ablaufen werden werde. In der Tat haben die Demokratie-Aktivisten dazu aufgerufen, das Fest aus Respekt für die Opfer der Repressalien der vergangenen Wochen und deren Familienmitglieder zu boykottieren. Die Stimmung in der Bevölkerung sei sehr schlecht, klagt unser Interviewpartner.
“Sehr niedergeschlagen, sehr ängstlich, alle Menschen – von aller Religionen – leben in Sorge um die Zukunft. Das betrifft alle. Man weiss nicht genau, was passieren wird.”
Zwar gebe es Menschen, die versuchten, die anderen aufzumuntern, doch es sei klar, dass es so nicht weitergehen könne – auch Arbeit werde in dieser Situation knapp. Die Sorge, der Papst Franziskus in seiner Osterbotschaft zur Situation in Myanmar Ausdruck verliehen habe, werde von vielen Menschen auf der ganzen Welt geteilt, unterstreicht der Sozialarbeiter:
“Es sind junge Menschen mit einer beachtlichen Kraft”
“Das, was abgesehen von der aktuellen Situation an diesem Volk besonders beeindruckt, ist seine Jugend. Überall sieht man eine wunderbare Jugend, einfach, noch mit grossen Werten verhaftet, der Familie. Es sind junge Menschen mit einer beachtlichen Kraft. Manchmal habe ich mich mit unseren Jungen angelegt, die vielleicht ein wenig zu sehr verhätschelt werden, die hier Schwierigkeiten haben – einige ohne Ausbildung, aus grossen Familien, aber sie haben eine derartige Unbedarftheit, eine enorme und tiefe Grosszügigkeit, die sie bis zum bitteren Ende kämpfen lässt, auch mit einem gewissen Leichtsinn, wie er typisch ist für die Jugend. Doch es besteht ein Bewusstsein dafür, dass das Leben uns gehört, und dass unsere Zukunft von uns abhängt und nicht von anderen. Das ist wahr und eine grosse Sache hier.”
“Und die Unschuldigen zahlen immer”
Eine Sache, für die die Menschen in Myanmar auch den Tod in Kauf nähmen. Denn zwar seien die Proteste friedlich angelaufen, doch von dem quasi festlichen Klima der Anfangszeit sei nicht mehr viel zu spüren, berichtet unser Gesprächspartner: “Es ist wirklich ein grosses Leid. Ich wüsste nicht, auf welche Weise das geschehen ist, zu Beginn waren die Proteste sehr, sehr friedlich. Ich erinnere mich, dass gesungen wurde, man brachte sogar Blumen zu den Uniformierten, es war fast ein Fest. Eine ausserordentliche Sache, dort, wo die Umzüge vorbeikamen, wurden die Strassen gesäubert, man bot ihnen Wasser an, die Familien kamen mit den Kindern. Anfangs war es so. Dann ist die Situation umgeschlagen. Und die Unschuldigen zahlen immer.”
“Die Ordensfrau auf Knien”
Das Bild der Ordensfrau, die vor den Soldaten mitten auf der Strasse niederkniete, um die Demonstranten hinter sich vor der Gewalt durch die Truppen zu bewahren, wird wohl für immer im Gedächtnis der Weltgemeinschaft haften bleiben, ähnlich wie es mit dem unbekannten jungen Mann geschah, der sich auf dem Tian’anmen-Platz in Beijing den Panzern in den Weg gestellt hatte. Doch neben dieser mutigen Schwester gebe es viele andere, ist unserem Interviewpartner ein Anliegen zu betonen: “Viele Ordensleute haben dasselbe getan. Viele andere, die kämpfen – auch aus dem religiösen Umfeld, und nicht nur Katholiken – die mit einer gewissen Intensität für die Sache eintreten. Ich muss sagen, dieses Bild, in dem die Grosszügigkeit auf eine unglaubliche Weise ausgedrückt wird, hat sehr viele Menschen begleitet und begleitet sie immer noch.”
vatican news – cs, 9. April 2021
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