Homilie zur Missa vespertina im Hohen Dom zu Regensburg
Homilie zur Missa vespertina im Hohen Dom zu Regensburg am Gründonnerstag, 18. April 2019
‘Laisierung des Klerus und Klerikalisierung der Weltchristen’
Bischof Dr. Rudolf Voderholzer
Liebe Mitbrüder im geistlichen Dienstamt,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Ostern ist zusammen mit dem Pfingstfest die Geburtsstunde der Kirche Jesu Christi. Und ein entscheidendes Moment dieses Gründungsgeschehens ist die Einsetzung des Abendmahls, die zeichenhafte Vorwegnahme der Kreuzeshingabe Jesu im Brechen des Brotes und in den Worten über Brot und Kelch.
Die Vergegenwärtigung von Tod und Auferstehung Jesu Christi im eucharistischen Opfermahl ist die Quelle des kirchlichen Lebens, der Quell der Auferbauung der Kirche, bis er wiederkommt in Herrlichkeit. Im Empfang des Leibes Christi empfängt sich die Kirche immer neu als Leib Christi und wird so, vom Leib Christi her, zum Volk des Neuen Bundes.
Beim Letzten Abendmahl waren die Zwölf um Jesus versammelt, sie, die er durch persönliche Berufung in seiner Nachfolge geholt und im täglichen Umgang darauf vorbereitet hatte, seine qualifizierten Zeugen zu sein bis an die Enden der Erde.
Nicht für sich und zu ihrer persönlichen Ehre, sondern für die Anderen, für die, die noch nichts von ihm, dem gekreuzigt auferstandenen Herrn wissen, sind zu bestellt, bestellt auch zur Feier des Herrenmahles mit den und für die schon zum Glauben Gekommen Frauen und Männer.
In der österlichen Freude über die Auferstehung, in der Freude über die Gegenwart des Auferstandenen im anfangs am Sonntag, bald dann auch täglich gefeierten Herrnmahl, in der aus der Gemeinschaft mit dem Herrn erwachsenden caritativen Sorge für alle wuchs die Kirche und ist längst im wahrsten Sinne des Wortes an die Grenzen der Erde gelangt.
Und da ist es gut, dass heute, da wir uns das Gründonnerstagsgeschehen mit Einsetzung der Eucharistie, aber auch der Zeichenhandlung der Fusswaschung vergegenwärtigen, dass heute eine Zwölferschar in den Dom gekommen ist zur symbolischen Fusswaschung, die in gewisser Weise einen Querschnitt durch die Stände und Berufungen der Kirche darstellt und so das Ganze der Kirche repräsentiert. Zwei Priester, zwei Diakone und zwei Ordenschristen, zwei Ehepaare und zwei Vertreter des öffentlichen Lebens, die ihren Glauben, ihre Erfahrung und ihr Urteil im Diözesanpastoralrat des Bistums einbringen. Frauen und Männer, sowohl nach den evangelischen
Räten lebend, als auch im Ehestand. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie die Einladung angenommen und der Bitte des Bischofs entsprochen haben.
Die Einladung an die Priester, Diakone und Ordensleute soll ein ausdrücklicher Akt meiner Solidarität sein. Angesichts eines bisweilen sogar unverhohlen öffentlich geäusserten Generalverdachts gegen die Priester, Diakone und pastoralen Mitarbeiter möchte ich mein Votum bekräftigen, und ich sage voller Dankbarkeit: Die Priester und die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bistum leisten in ihrer überwältigenden Mehrheit einen hervorragenden Dienst in der Verkündigung des Evangeliums und in der Weitergabe des Glaubens. Ich stelle mich vor die Priester, die Diakone, die Ordensleute und alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Dass
es schwarze Schafe gab, zum allergrössten Teil schon vor langer Zeit, so dass die Beschuldigten nicht mehr leben und sich nicht mehr äussern und auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, schmerzt; schmerzt gerade angesichts vieler zerstörter Kinderseelen, die an Gott geradezu irre werden mussten. Aber wir dürfen über all dem nicht den oft hingebungsvollen Einsatz der vielen anderen übersehen. Dafür bin ich, dafür sind wir alle sehr dankbar. Und das soll dieses im wahrsten Sinne des Wortes bescheiden-demütige Zeichen heute auch zum Ausdruck bringen.
Darüber hinaus ist die Auswahl, wie schon gesagt, ein Querschnitt durch die verschiedenen Stände und Berufungen in der Kirche, der Kirche, die ein Leib in vielen Gliedern unter dem Haupt Christus selbst ist.
Die Fruchtbarkeit und die Glaubwürdigkeit der Kirche hängen vom Miteinander der verschiedenen Ämter und Berufungen ab. Die innerkirchlichen Diskussionen, die sich zuletzt auf die Fragen von „Macht“ und „Partizipation“ zugespitzt haben, sind fruchtlos und vergeuden Zeit und Energie, die wir so notwendig bräuchten für die eigentlichen Aufgaben von Missionierung und Neuevangelisierung.
Vor allem setzen sie, vielfach unbewusst, dafür umso folgenreicher, eine Verkürzung und Entstellung der Kirche auf eine weltlich-politische Grösse voraus. So als gehe es in der Kirche wie in einer Partei oder in einem Parlament darum, „das Sagen“ zu haben, Entscheidungskompetenz ausüben zu können und Mehrheiten gewinnen zu müssen.
Die Berufung von vielen, die auf diese Weise die Reform der Kirche anstreben, auf das Zweite Vatikanische Konzil, greift nicht, hat kein Fundament in der Lehre des Konzils. Gerade das Konzil hat die Verantwortung der Bischöfe, und zwar eine persönliche, nicht delegierbare oder an Synoden abzutretende Verantwortung für den Glauben und seine Weitergabe in der Nachfolge der Apostel unterstrichen.
Umgekehrt spricht das Konzil mit Nachdruck vom „Weltcharakter“ der getauften und gefirmten Frauen und Männer: „Weltcharakter“ heisst Einsatz für das Evangelium und die darin gründenden Werte in Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Medienwelt, Gesundheitswesen, Kunst usw. usw.
Niemand wird doch im Ernst behaupten können, dass es hier nicht auch dringend des christlichen Zeugnisses bedarf. Und dass Sie, lieber Herr Landrat Reisinger, als gestandener Weltchrist hier und heute auch auf diese Weise Zeugnis geben, ist gerade auch für mich eine grosse Ermutigung.
Dass es in der Kirche nicht um eine geradezu klassenkämpferische Konkurrenz von „oben“ und „unten“ geht, sondern um Komplementarität, um Ergänzung und Miteinander, kann man exemplifizieren an der Wertschätzung für die „Ehe von Mann und Frau“ auf der einen und die „Ehelosigkeit um des Himmelreiches“ auf der anderen Seite. Man kann es ja fast statistisch belegen:
Wo die Bedeutung der Ehe und der ehelichen Treue, die Bedeutung der Ehe als Keimzelle der Familie schwindet, schwindet auch die Bedeutung und das Verständnis für die Ehelosigkeit und das Leben nach den evangelischen Räten – und umgekehrt:
Wo in der Familie die Hauskirche gelebt wird, wo schon zuhause gebetet, über Gott und den Glauben gesprochen und um die Weitergabe des Glaubens gerungen wird, wo Kinder als Segen und nicht als Belastung (gar als „Umweltbelastung“) betrachtet werden, dort gibt es auch Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben. Der Widerstand dagegen, die oft erbitterte Ablehnung von beidem, von Ehe im
traditionellen und einzig sinnvollen Sinn und von Ehelosigkeit, sie entspringen demselben gestörten Verhältnis zu Gott dem Schöpfer, und einer Lebensauffassung, die selbstbezogene Lustmaximierung und vermeintliche Selbstverwirklichung zum höchsten Lebensziel erklärt. Ich meine, dass Benedikt XVI. in seinem Gründonnerstagsschreiben an die Priester im Klerusblatt sehr zu Recht auf diese Zusammenhänge hingewiesen hat.
Priester, Ordensleute, Weltchristen, sie verwirklichen auf je ihre Weise die eine Sendung der Kirche.
Das Wesen und die Aufgabe des geistlichen Dienstamtes ist die Vergegenwärtigung Christi, des Hauptes der Kirche, in der Feier der Sakramente, der Verkündigung des Glaubens und in der Leitung der Kirche; damit die geistliche Zurüstung der Getauften und Gefirmten für die Ausübung des gemeinsamen Priestertums in den „weltlichen“ Aufgaben mit all den dort notwendigen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten.
Die Frauen und Männer, die den Weltdienst in den vielen Bereichen des öffentlichen Lebens verwirklichen, tun damit einen unersetzlichen Dienst, der niemals vom Bischof oder den Priestern getan werden könnte, wo Sie, liebe Schwestern und Brüder, unersetzlich sind, und zwar nicht als „verlängerter Arm des Bischofs“, sondern als „Glied am Leib Christi“. Dass wir aufeinander
schauen, uns gegenseitig beraten, von den unterschiedlichen Sichtweisen profitieren, ist doch selbstverständlich, und hat in den institutionalisierten Räten darüber hinaus seine strukturelle Form.
Wenn aber, wie heute nicht selten zu beobachten, von kirchenamtlicher Seite politische Stellungnahmen zu hören sind, die Laienverbände sich dagegen in theologischen Fragen mit dem Glauben der Kirche zuwiderlaufenden Forderungen zu Wort melden, dann haben wir es zu tun mit einer „Laisierung des Klerus“ und einer „Klerikalisierung der Weltchristen“, letztlich zum Schaden für die Kirche. Denn davon ist eine wirkliche Erneuerung der Kirche nicht zu erwarten.
Noch immer waren es die Heiligen, die, die nicht die Kirche zu verändern, sondern sich selbst zu bekehren und zu heiligen sich bemühten, die wirklich etwas vorangebracht haben.
So kann ich Ihnen hier und heute nur von Herzen danken für Ihren engagierten Dienst in der Ihnen jeweils von Christus zugedachten Sendung und Berufung. Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren durch Verdächtigung und Argwohn. Beten wir lieber füreinander, dass der Geist einem jeden von uns zeige, wie und wo seine Aufgabe ist in der Kirche für die Welt und für die Menschen, zu denen wir gesandt sind. Das Zeichen der Fusswaschung, Zeichen seiner Liebe zu uns und zugleich herausforderndes Beispiel, möge uns alle dazu stärken.
Amen.
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