Wenn die Lehre (nicht) gelebt wird UPDATE

Die Natürliche Empfängnisregelung ermöglicht es Paaren, nach der Ordnung der Kirche zu leben und zu lieben. Doch ihre Verkündigung wird bewusst unterdrückt

Quelle
NER – Natürliche Familienplanung
Erschütternde Untreue der österreichischen Bischöfe
Enzyklika ‘Humanae vitae’ – Über die Weitergabe des Lebens
Josef Rötzer

Von Helmut Prader, 18. Juli 2018

Im Juli 1968 erschien die Enzyklika „Humanae vitae“ (HV) von Papst Paul VI., in der es um „die rechte Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens“ geht, um die verantwortliche Elternschaft im umfassenden Sinn. Diese Enzyklika und die damit verbundene Lebensweise der Natürlichen Empfängnisregelung (NER) sollten der Normalfall für jede Ehe sein. NER ist kein Ideal in dem Sinne, dass es idealistisch sei, so zu leben, sondern: „Wenn die Lehre von HV wahr ist, dann muss sie auch lebbar sein“, so Josef Rötzer, der durch seine Forschungen die Hilfestellungen erstellt hat, die es Paaren ermöglichen, tatsächlich nach der Ordnung der Kirche verantwortliche Elternschaft zu leben.

Die Feststellung, HV und NER seien nicht lebbar, kommt nicht selten von Leuten, die sich nicht wirklich mit NER befassten oder ideologische Blockaden haben. In meiner seelsorglichen Beratung ist mir in 15 Jahren kein Paar untergekommen, denen nicht hätte geholfen werden können. Ähnliche Erfahrungen machen Multiplikatoren, die NER unterrichten. In meiner Ehe-Seelsorge begegnen mir etwa Paare, die sich zwar ursprünglich mit NER befasst, dann in gewünschter Weise Kinder bekommen haben, aber in dieser Zeit ein Stück weit verlernten, wie NER funktioniert und wie die Auswertungen bei Vermeidung einer Empfängnis durchzuführen sind. Nicht selten fehlen Zeit und Motivation, eine NER-Auffrischung zu machen. Der Aufwand wäre vielleicht zwei bis drei Stunden gewesen. Dadurch beginnen oft die Kompromisse, die zwar selten zur Verhütung mit Hormonen führen, dafür aber zu Kondom, Coitus interruptus und vor allem zu Petting.

Alle drei Methoden können zu den gleichen emotionalen und zwischenmenschlichen Problemen führen, wie sie klar in HV 17 beschrieben wurden, abgesehen von den gesundheitlichen Problemen, wie sie oft durch hormonelle Verhütungsmethoden auftreten. In diesem Abschnitt spricht Papst Paul VI. die Befürchtung aus, dass Männer, die sich an empfängnisverhütende Mittel gewöhnt haben, die Ehrfurcht vor der Frau verlieren könnten und – ohne auf ihr körperliches Wohl und ihr seelisches Gleichgewicht Rücksicht zu nehmen – sie zum blossen Werkzeug ihrer Triebbefriedigung erniedrigen, also nicht mehr als Partnerin sehen, der man Achtung und Liebe schuldet. Diese Erfahrung muss ich bei Ehepaaren in meiner Beratungstätigkeit als Familienseelsorger immer wieder machen. Dabei sind die „Kompromisse“ (Kondom, Coitus interruptus, Petting) letztlich ebenso Verhütungsmethoden mit schlimmen Folgen für die Paare, vorrangig für die Frauen. In meiner Begleitung von dutzenden Paaren, bei denen es gelungen ist, sie etwa von Petting wegzubringen, konnte ein enormes Aufblühen beobachtet werden. Regelmässig kommen von den Betroffenen dann Aussagen, dass es ihnen als Paar jetzt so gut gehe wie noch nie in ihrer Ehe. Es sind dies sehr häufig sogar Paare, die vor der Beratung bereits kurz vor der Trennung standen.

Als Moraltheologe muss ich mich auch mit jenen Strömungen in der Theologie auseinandersetzen, die die Lehre von Humanae vitae nicht annehmen. In jüngster Zeit mehren sich Stimmen, die die Lehre von HV nicht nur aufweichen wollen, sondern es sogar als geboten sehen, Verhütungsmittel unter bestimmten Bedingungen zu empfehlen. So hielt Maurizio Chiodi, der seit 2017 Mitglied der „Päpstlichen Akademie für das Leben“ ist und als Professor an der Theologischen Fakultät in Mailand unterrichtet, im Rahmen einer Veranstaltung über HV an der Päpstlichen Universität Gregoriana einen Vortrag. Darin sagte er, es gebe Situationen, in denen es unmöglich sei, natürliche Methoden zu leben, weshalb es Umstände gebe, die die „Empfängnisverhütung“ erfordern würden. Explizit hat sich Chiodi dabei auf Amoris laetitia 8 berufen. Die dramatischen Folgen der Verhütung werden sicher nicht abgemildert, sollte die Lehre von HV aufgeweicht werden. Vielmehr sind zusätzlich Paare zu erwarten, die Schaden nehmen werden, wenn sie sich nicht mehr konsequent an die bisherige Lehre von HV halten.
Die wesentlichen Einwände gegen die NER lauten:

1. NER sei unsicher und nur lebbar bei sehr regelmäßigen Zyklen. Doch gerade bei unregelmässigen Zyklen bewährt sich NER, weil der jeweilige konkrete und aktuelle Zyklus ausgewertet wird. Die Auswertungsregeln sind so präzise, dass auch bei unregelmässigen Zyklen eine hundertprozentige Zuverlässigkeit festgestellt werden kann. Gerade dort, wo absolute Kontraindikation gefordert ist, etwa aus medizinischen Gründen oder wegen der Einnahme verschiedener Medikamente, ist NER die Lösung schlechthin, weil keine Methode der Verhütung eine Sicherheit von hundert Prozent hat. Es bliebe einzig die völlige Enthaltsamkeit.

2. NER sei nur etwas für Paare, die tief im Glauben stehen. Es ist jedoch genau umgekehrt: Viele Paare finden durch NER zum Glauben, weil sie ein viel tieferes Gespür für die Verantwortung und Freiheit bekommen, die Gott ihnen übertragen hat. NER ist ein Leben mit der Natur und mit dem Wesen der Frau, nicht gegen sie.

3. NER sei nur für Personen, die kein starkes Bedürfnis nach Sexualität haben. Tatsächlich ist nicht zu leugnen, dass die zeitweilige Enthaltsamkeit bei der NER eine Herausforderung ist. NER bewirkt aber auch, dass die Sexualität nicht zu etwas Banalem abgleitet, sondern Vorfreude reifen darf und die Sexualität etwas Besonderes bleibt, gerade deshalb, weil der andere nicht ständig zur Verfügung steht.

4. NER und die damit verbundenen Phasen der Enthaltsamkeit seien unzumutbar. Meine Erfahrung zeigt mir bei allen begleiteten Paaren, dass gerade durch die Verhütung Paare mit der Zeit immer weniger eins werden. Umgekehrt hat die Hinwendung zur NER zur Folge, dass es oft zu einer Wieder- und Neubelebung der Sexualität kommt und Paare rückmelden, dass es trotz der periodischen enthaltsamen Phasen – oder gerade wegen der periodischen Enthaltsamkeit – zu einem häufigeren körperlichen Einswerden kommt.

5. Der überwiegende Teil der Paare halte sich ohnehin nicht an die Lehre der Kirche. Das stimmt, aber woran liegt es, dass NER nicht bekannt ist? Ich kann nicht den Paaren die Schuld geben, dass sie NER nicht leben und nicht kennen, wenn es in den vergangenen 50 Jahren kaum verkündet wurde. Mein Vorwurf lautet: Die Lehre der Kirche wurde über Jahrzehnte erfolgreich verschwiegen! In Ableitung von Röm 10,14 möchte ich schreiben: Wie aber sollen sie an etwas glauben, von dem sie nichts hörten? Und wie sollen sie hören, wenn niemand verkündet?

Die meisten katholischen Paare leben in verschiedenen Formen eine Weise der Verhütung. Es bleibt ihnen auch keine andere Wahl, weil die, die es besser wissen müssten, über Jahrzehnte darüber geschwiegen haben, weil sie bewusst wollten, dass die Lehre geändert wird. Noch schlimmer aber wiegt, dass bewusst all jene in ihrem Tun behindert und unterdrückt wurden und werden, die von der Richtigkeit der Enzyklika HV überzeugt sind und ganz praktisch den Menschen eine Hilfe an die Hand geben wollen, um im Sinn von HV ihre Ehe und Sexualität zu leben. Es hat einen schlechten Beigeschmack, wenn jemand behauptet, „praktisch niemand“ würde sich an die Lehre der Kirche halten, weshalb die Lehre überflüssig sei, während er selbst dafür mitverantwortlich ist, dass die Lehre nicht bekannt wurde. Ja, viele haben aktiv dafür gesorgt, dass die Verkündigung unterdrückt wird.

Mittlerweile haben wir die dritte Generation, für die Verhütung der Normalfall ist. Wie viel wird kirchlicherseits unternommen, um die Lehre der Natürlichen Empfängnisregelung bekannt zu machen? Sind es nicht immer nur Rufer in der Wüste innerhalb der Kirche, die dies versucht haben? Gäbe es nicht private Initiativen wie das Institut für Natürliche Empfängnisregelung von Professor Josef Rötzer (www.iner.org) und andere Organisationen, die unter dem Sammelbegriff „natürliche Methoden“ lehren, gäbe es nur wenige Angebote, um Paaren im Sinne von HV praktische Anleitungen zu bieten, wie sie verantwortliche Elternschaft leben können.

Gleiches gilt für das Theologiestudium: Über Jahrzehnte wurde konsequent die Lehre von HV der Lächerlichkeit preisgegeben und als unlebbar hingestellt. Die moralische Bewertung der unterschiedlichen Methoden der Geburtenregelung sieht so aus, dass die Verhütung allgemein als Normalfall angesehen wird. Wie könne man sich da noch erdreisten, die Lehre von HV noch immer zu verkünden, gar zu empfehlen oder sie sogar einzufordern? Und werden nicht jene Hochschulen, die in ihrem Lehrplan die Lehre der Kirche positiv vorlegen, als altmodisch, konservativ und nicht in unsere moderne Zeit passend dargestellt?

In meiner seelsorglichen Tätigkeit kann ich beobachten, was es für Paare an Lebens- und Ehequalität bedeutet, wenn sie zur Lehre von HV finden. Jene, die die tatsächliche Lehre kennengelernt haben und konsequent umsetzen, sind ganz überwiegend (über 95 Prozent) mit NER glücklich und zufrieden (siehe Rhomberg-Studie), 99 Prozent empfehlen NER weiter! Geprägt durch viele Erfahrungen ist meine Überzeugung, dass grundsächlich jedes Paar die Lehre von HV leben könnte, wenn es entsprechend angeleitet würde und eine gute Begleitung bekäme. Ich bin überzeugt, dass ein Grossteil der Scheidungen verhindert werden könnte, wenn die Sexualität nach dem Plan Gottes gelebt würde. Darum ist es eine schwere Unterlassung, den Paaren die gesunde Lehre vorzuenthalten. Positiv formuliert: Machen wir uns auf den Weg, allen Paaren diesen ehelichen Weg nach dem Plan Gottes zu lehren, um so beizutragen, dass Ehen immer tiefer gelingen und sogar geheilt werden können.

Der Moraltheologe Helmut Prader ist Pfarrer sowie Dozent für Bioethik und für die Theologie von Ehe und Familie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz.

Von Helmut Prader

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