Generalaudienz Mittwoch, 7. Juni 2006

Benedikt XVI. – Generalaudienz Mittwoch, 7. Juni 2006

Quelle
Kirchengeschichte: kathpedia
Generalaudienz 17. Mai 2006
Do. 24. Mai 2006

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir nehmen die wöchentlichen Katechesen wieder auf, mit denen wir in diesem Frühjahr begonnen haben. Bei der letzten Katechese vor vierzehn Tagen hatte ich von Petrus als dem Ersten der Apostel gesprochen; heute wollen wir noch einmal auf diese grosse und wichtige Gestalt der Kirche zurückkommen. Der Evangelist Johannes berichtet von der ersten Begegnung Jesu mit Simon, dem Bruder des Andreas, und erwähnt dabei einen einzigartigen Vorfall: »Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heissen. Kephas bedeutet: Fels (Petrus)« (Joh 1,42). Gewöhnlich änderte Jesus die Namen seiner Jünger nicht. Sieht man von dem Beinamen »Donnersöhne« ab, den er in einer ganz bestimmten Situation auf die Söhne des Zebedäus anwandte (vgl. Mk 3,17) und der später nicht mehr gebraucht wurde, so hat er nie einem Jünger einen neuen Namen gegeben.

Bei Simon hingegen hat er das getan, als er ihn »Kephas« nannte. Dieser Name wurde dann im Griechischen zu »Petros«, im Lateinischen zu »Petrus«. Und er wurde eben deshalb übersetzt, weil es sich nicht bloss um einen Namen handelte; es war ein »Auftrag«, den Petrus auf diese Weise vom Herrn erhielt. Der neue Name »Petrus« kehrt in den Evangelien dann mehrmals wieder und ersetzt schliesslich den ursprünglichen Namen Simon.

Diese Tatsache nimmt besondere Bedeutung an, wenn man bedenkt, dass im Alten Testament die Namensänderung im allgemeinen der Übertragung einer Sendung vorausging (vgl. Gen 17,5; 32,28ff.; usw.). Tatsächlich gibt es zahlreiche Hinweise auf den Willen Christi, Petrus eine besondere Stellung innerhalb des Apostelkollegiums zu geben: In Kafarnaum geht der Meister in das Haus des Petrus, um dort zu übernachten (vgl. Mk 1,29); als sich das Volk am Ufer des Sees Gennesaret um ihn drängt, wählt Jesus von den beiden dort liegenden Booten das Boot des Simon aus (vgl. Lk 5,3); wenn Jesus sich in besonderen Situationen nur von drei Jüngern begleiten lässt, wird Petrus stets als erster der Gruppe erwähnt: so bei der Auferweckung der Tochter des Jairus (vgl. Mk 5,37; Lk 8,51), bei der Verklärung (vgl. Mk 9,2; Mt 17,1; Lk 9,28) und schliesslich während der Agonie im Garten Getsemani (vgl. Mk 14,33; Mt 26,37). Und weiter: An Petrus wenden sich die Steuereintreiber des Tempels, und der Meister zahlt nur für sich und für ihn (vgl. Mt 17,24–27); dem Petrus wäscht Jesus beim Letzten Abendmahl als erstem die Füsse (vgl. Joh 13,6), und nur für ihn betet er, damit sein Glaube nicht erlischt und er dann die anderen Jünger im Glauben stärken kann (vgl. Lk 22,30–31).

Petrus selbst ist sich dieser besonderen Stellung auch bewusst: Er ist es, der oft auch im Namen der anderen spricht, und um die Erklärung eines schwierigen Gleichnisses bittet (vgl. Mt 15,15) oder nach dem genauen Sinn eines Gebotes fragt (Mt 18,21) oder die förmliche Zusage einer Belohnung erbittet (vgl. Mt 19,27). Insbesondere ist er es, der gewissen Situationen ihre Verlegenheit nimmt, indem er im Namen aller eingreift. Als Jesus beispielsweise wegen des Unverständnisses der Menge nach seiner Rede über das »Brot des Lebens« betrübt ist und fragt: »Wollt auch ihr weggehen?«, antwortet Petrus mit Entschiedenheit: »Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens« (vgl. Joh 6,67–69). Ebenso deutlich ist das Glaubensbekenntnis, das er, wieder im Namen der Zwölf, bei Cäsarea Philippi ablegt. Auf die Frage Jesu: »Für wen haltet ihr mich?«, antwortet Petrus: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!« (Mt 16,15–16). Als Erwiderung spricht Jesus daraufhin die feierliche Erklärung aus, die ein für allemal die Rolle des Petrus in der Kirche festlegt: »Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen … Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein« (Mt 16,18–19). Die drei Metaphern, auf die Jesus zurückgreift, sind in sich sehr deutlich: Petrus wird der »Felsengrund« sein, auf dem das Gebäude der Kirche stehen wird; er wird die »Schlüssel« des Himmelreichs besitzen, um es für Menschen zu öffnen oder zu verschliessen, so wie er es bei jedem für richtig hält; schliesslich wird er »binden« und »lösen« können, in dem Sinne, dass er festlegen oder verbieten kann, was er für das Leben der Kirche, die die Kirche Christi ist und bleibt, als notwendig erachtet. Die Kirche ist immer die Kirche Christi und nicht die des Petrus. So wird in sehr anschaulichen Bildern das beschrieben, was in der späteren theologischen Reflexion mit dem Begriff »Jurisdiktionsprimat« bezeichnet werden wird.

Diese Vorrangstellung, die Jesus dem Petrus zuerkannt hat, begegnet uns auch nach der Auferstehung: Jesus beauftragt die Frauen, die Auferstehung dem Petrus gesondert von den anderen Aposteln zu verkündigen (vgl. Mk 16,7); zu ihm und zu Johannes läuft Maria von Magdala, um diesen mitzuteilen, dass der Stein vom Eingang des Grabes weggenommen ist (vgl. Joh 20,2), und Johannes wird ihm den Vortritt lassen, als die beiden vor dem leeren Grab angekommen sind (vgl. Joh 20,4–6); Petrus wird dann unter den Aposteln der erste Zeuge einer Erscheinung des Auferstandenen sein (vgl. Lk 24,34; 1 Kor 15,5). Seine Rolle, die deutlich unterstrichen wird (vgl. Joh 20,3–10), betont die Kontinuität zwischen der Vorrangstellung, die Petrus in der Gruppe der Apostel hatte, und der Vorrangstellung, die er, wie die Apostelgeschichte bezeugt, in der Gemeinde haben wird, die mit dem Ostergeschehen entstanden ist (vgl. Apg 1,15–26; 2,14–40; 3,12–26; 4,8–12; 5,1–11.29; 8,14–17; 10; usw.). Sein Verhalten wird als so entscheidend angesehen, dass es aufmerksam beobachtet wird und auch Kritik unterworfen ist (vgl. Apg 11,1–18: Gal 2,11–14). Beim sogenannten Konzil von Jerusalem kommt Petrus eine Leitungsfunktion zu (vgl. Apg 15 und Gal 2,1–10), und eben weil er Zeuge des wahren Glaubens ist, wird auch Paulus in ihm in gewisser Weise den »Ersten« erkennen (vgl. 1 Kor 15,5; Gal 1,18; 2,7f.; usw.). Verschiedene auf Petrus bezogene Schlüsseltexte können auf den Kontext des Letzten Abendmahls zurückgeführt werden, in dem Christus dem Petrus den Auftrag gibt, seine Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,31f.). Das zeigt, dass die Kirche, die aus dem österlichen Gedächtnis entsteht, das in der Eucharistie gefeiert wird, in dem Petrus anvertrauten Amt eines ihrer grundlegenden Elemente besitzt.

Dieses Hineinstellen des Primats des Petrus in den Kontext des Letzten Abendmahls, in den Augenblick der Einsetzung der Eucharistie, des Pascha des Herrn, weist auch auf den letztendlichen Sinn dieses Primats hin: Petrus muss für alle Zeiten der Hüter der Gemeinschaft mit Christus sein; er muss zur Gemeinschaft mit Christus hinführen; er muss dafür Sorge tragen, dass das Netz nicht reisst und so die universale Gemeinschaft fortdauern kann. Nur gemeinsam können wir mit Christus sein, der der Herr aller Menschen ist. Bei Petrus liegt also die Verantwortung, mit der Liebe Christi die Gemeinschaft mit Christus zu gewährleisten, indem er zur Umsetzung dieser Liebe im täglichen Leben hinführt. Beten wir darum, dass der Primat des Petrus, der einfachen Menschen anvertraut worden ist, immer in diesem ursprünglichen, vom Herrn gewollten Sinn ausgeübt werden kann und so von den Brüdern, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit uns stehen, immer mehr in seiner wahren Bedeutung erkannt werden kann.

Heute möchte ich mit euch weiter über Simon Petrus und seine Stellung im Kreis der Apostel nachdenken. Das Evangelium berichtet uns, dass Simon bei seiner Berufung einen neuen Namen erhält. Jesus blickt „den Sohn des Johannes“ an und sagt ihm: „Du sollst Kephas heissen.“ Der Evangelist fügt erläuternd hinzu: „Kephas bedeutet Fels – Petrus“ (Joh 1, 42). Diese Namensgebung zu Beginn der Mission des „Menschenfischers“ unterstreicht die ihm vom Herrn selbst zugedachte hervorgehobene Rolle unter den Jüngern. Immer wieder ist es Petrus, der im Namen der anderen Apostel spricht. Auf sein Bekenntnis zu Jesus „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes!“ erhält er den Auftrag und die Vollmacht des Herrn: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (vgl. Mt 16, 15–18). Die anschaulichen Worte des Evangeliums von den „Schlüsseln des Himmelreichs“ und vom Mandat Petri zu „binden“ und zu „lösen“ begründen später den mit dem Petrusamt verbundenen Jurisdiktionsprimat. Wir sehen, liebe Freunde, die Vorrangstellung Petri im Apostelkollegium setzt sich fort in der Gemeinschaft der Kirche. Einen ersten Hinweis darauf finden wir in den Berichten über das „Apostelkonzil in Jerusalem“, bei dem Petrus eine Leitungsfunktion innehat (Apg 15; Gal 2, 1-10).

* * *

Ein herzliches Willkommen sage ich allen Pilgern und Besuchern deutscher Zunge. Unter den vielen Gruppen, die ich gerne namentlich grüssen würde, kann ich hier nur einige nennen: die Delegation der Stadt Altötting, Mitarbeiter des Erzbistums München und Freising, die Mesnerwallfahrt der Diözese Eichstätt und die Bayerische Studentenverbindung Rhaetia. Bleibt alle stets in lebendiger Einheit mit Petrus und unterstützt den Papst, den Nachfolger Petri, mit eurem Gebet. Euch allen wünsche ich eine gesegnete Zeit hier in Rom!

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Eine Antwort auf Generalaudienz Mittwoch, 7. Juni 2006

  • Marquard Imfeld:

    Papst Benedikt XVI: “Petrus muss für ALLE Zeiten der Hüter der Gemeinschaft mit Christus sein; er muss zur Gemeinschaft mit Christus HINFÜHREN; er muss dafür SORGE TRAGEN, dass das Netz nicht reisst und so die universale Gemeinschaft FORTDAUERN KANN. Nur gemeinsam können wir mit Christus sein, der der Herr aller Menschen ist. … Beten wir darum, dass der Primat des Petrus, der einfachen Menschen anvertraut worden ist, IMMER in diesem ursprünglichen, vom Herrn gewollten Sinn AUSGEÜBT WERDEN KANN und so von den Brüdern, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit uns stehen, immer mehr in seiner wahren Bedeutung erkannt werden kann.”

    Fragen dazu:
    Handelt Papst Franziskus so wie Jesus Christus das Papstamt vorgesehen hat? Kann die katholische Kirche die Kirchenspaltung, welche Papst Franziskus eingeleitet hat, ohne Schaden überstehen? (Amoris Laetitia -> unterschiedliche Auslegung & Implementierung in Bistümern durch Nichtbeantworten der Dubia). Ist Papst Franziskus noch ein “Fels” auf welchem die Kirche gebaut ist?

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