Ein Ministaat als Grossreich der Nächstenliebe

Einst kämpfte er für christliche Kaiser und Könige, heute gegen das Elend in der Welt

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Malteser 2013
Malteser feiern 900 Jahre Anerkennung durch den Vatikan
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Von Paul Badde | Veröffentlicht am 15.02.2013

Einst kämpfte er für christliche Kaiser und Könige, heute gegen das Elend in der Welt. Am 15. Februar 1113 wurde der Malteser-Orden souverän. Zum Geburtstag versammeln sich seine Ritter in Rom.

Einen der letzten Abende vor ihrer 900-jährigen Geburtstagsfeier feierten einige der 4500 nach Rom gereisten Malteser mit einer Messe in der Palastkapelle der Rhodos-Ritter, unterhalb der Piazza del Grillo.

Die Gebete natürlich Lateinisch, die Fürbitten Spanisch, das Evangelium Englisch. Der zelebrierende Bischof ein Franzose. Viele Menschen passen nicht in den Raum. Das Gemäuer ist 2000 Jahre alt: die Säulen, die Bögen, die ganze Struktur. Hier betet und singt der Ort gleichsam mit.

Winterlich klares Abendlicht flutet vom Westen über die Ruinen des Forum Romanum durch drei kleine Fenster in den antiken Raum. Die Ritter aus aller Welt in ihren rotweissen Halskrausen, ihren schweren bodenlangen schwarzen Kokullen mit dem aufgestickten weissen Kreuz, die Damen mit Schleier, das Licht, der gregorianische Gesang des „Sanctus“ – hier kommen Stimmen aus Jahrhunderten ins Gespräch miteinander. In diesem Raum fällt der Blick auf eines der tragenden Kellergewölbe des Abendlandes.

Doch die einzigartige Kirche ist neu (na ja, von 1946), allerdings im alten Kastell der Rhodos-Ritter, die wiederum die geächteten Templer beerbt hatten, die sich hier der alten und völlig intakten Strukturen vom Kaiserforum des „göttlichen“ Augustus bedient hatten. So ähnlich muss man sich auch den Orden der Malteser-Ritter selbst vorstellen, doch natürlich nicht ganz.
Mitten im alten Rom gibt es neben dem unabhängigen Staat der Vatikanstadt in der deutschen Anima-Kirche auch noch einen materiellen Rest des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, dessen Souveränität mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 allerdings erloschen ist.

Ein völkerrechtliches Unikum

Daneben aber gibt es auch noch ein zweites kleines und zwar vollkommen souveränes und höchst lebendiges Reich, das den anderen in ihrem Stolz nicht nachsteht, auf einem allerdings fast noch schöneren Platz. Das ist der Aventinhügel, wo ihn der Papst rechts von der Benediktiner-Abtei San Anselmo eine Heimat gegeben hat, wo die rot-weisse Flagge der Malteser über dem Minireich des „Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom Heiligen Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos, genannt von Malta“ gleissend im scharfen Winterwind flattert.

Der schwere Duft von Orangenblüten umweht den mit Damast bespannten Palast in seinem verwunschenen Paradiesgarten. Rote Teppiche bedecken die Fliesenböden. Hoch über dem linken Tiberufer haben sie hier am Ende einer Odyssee durch die Weltgeschichte im 19. Jahrhundert Asyl gefunden. Oder besser, eine neue Hauptstadt von ein paar hundert Quadratmetern. Denn von hier aus unterhält der Orden noch immer reguläre diplomatische Beziehungen zu über 100 Staaten. Und welcher Staat in Europa ist schon älter.

Deshalb waren in diesen Tagen rund 4500 „Damen und Herren“ und ehrenamtliche Helfer nach Rom gereist, um im Petersdom den Anfang der Geschichte dieses völkerrechtlichen Unikums und ältesten Ritterordens der Welt vor 900 Jahren zu feiern. Dieses Datum machen sie an der Bulle „Pie Postulatio Voluntatis“ fest, mit der Papst Paschalis II. sie am 15. Februar 1113 formal anerkannte, den Orden unter den Schutz des Heiligen Stuhls stellte und ihm eine Reihe von Privilegien gewährte, die ihnen einen beispiellosen Weg durch die Geschichte eröffneten.

Es ist ein richtiges Reich mit allem Drum und Dran, mit einer Regierung und allen notwendigen Ministerien, eigenen Briefmarken, Münzen, Autokennzeichen und Pässen – nur ohne Volk und ohne Land! Es ist ein „staatenloser Staat“. Doch sollte jemals der Fall eintreten, dass sich keiner mehr für das umkämpfte Heilige Land zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer interessieren sollte, wären die Malteser im Nu imstande, hier einen Musterstaat zu errichten. Hier waren sie schon einmal Herren, doch ganz besonderer Art, und was die Palästinenser sich nun schon so lange vergeblich erträumen, haben sie schon lange hinter sich.

Es begann mit einem Hospital

Brandflecken zieren das brüchige Pergament aus dem Päpstlichen Geheimarchiv. Als Papst Paschalis II. es unterzeichnete, war gerade 14 Jahre zuvor der Kreuzfahrerstaat des fränkischen „Königreichs Jerusalem“ von Franzosen, Deutschen und anderen Europäern zwischen Küste und Wüste gegründet worden. Es war die vielleicht glücklichste Zeit dieses unglücklichen Königreichs, dessen Bauten die Altstadt von Jerusalem und das Heilige Land noch heute allenthalben prägen, von Gemäuern rings um die Grabeskirche bis zu den Burgen Belvoir in Galiläa und Krak de Chevaliers in Syrien, das die Ritter 1142 eroberten und in dem heute wieder Rebellen vor den Regierungstruppen Assads Zuflucht suchen.Die Gründung der Malteser aber hatte mit dem Kreuzzugsgedanken der militärischen Eroberung und Verteidigung des heiligen Landes noch gar nichts zu tun und das ist wichtig. Italienische Kaufleute aus Amalfi hatten vielmehr schon ein gutes halbes Jahrhundert zuvor – noch unter muslimischer Herrschaft und lange vor dem ersten Kreuzzug! – in Jerusalem eine Hospitalbruderschaft gegründet, um Pilgern aus ihrer Heimat und später auch aus allen anderen Ländern der Christenheit Schutz und Hilfe und Pflege in der heiligen Stadt zu geben, besonders den vielen Kranken unter ihnen.
Die Gründung der Malteser aber hatte mit dem Kreuzzugsgedanken der militärischen Eroberung und Verteidigung des heiligen Landes noch gar nichts zu tun und das ist wichtig. Italienische Kaufleute aus Amalfi hatten vielmehr schon ein gutes halbes Jahrhundert zuvor – noch unter muslimischer Herrschaft und lange vor dem ersten Kreuzzug! – in Jerusalem eine Hospitalbruderschaft gegründet, um Pilgern aus ihrer Heimat und später auch aus allen anderen Ländern der Christenheit Schutz und Hilfe und Pflege in der heiligen Stadt zu geben, besonders den vielen Kranken unter ihnen.

Schon in dieser Zeit konnte ihr „Spital des heiligen Johannes“ – einen Steinwurf vom Heiligen Grab Christi in Jerusalem entfernt – rund 2000 Kranke aufnehmen, und zwar aus allen Religionen. Schon damals beschäftigte der Orden muslimische Ärzte, die im Orient einfach führend waren. Viel später zählten die Hospitäler des Ordens zu den ersten, wo um der Forschung willen Leichen seziert wurden. Die Malteser waren eine Avantgarde. Das Hospitalwesen, das lange ein Alleinstellungsmerkmal der Christenheit war, ist ohne ihre Impulse nicht zu denken.

Ihr Gründer – ein so genannter Fra’ oder „Meister“ Gerhard Sasso (ca. 1040-1120) – war allerdings kein Italiener, sondern Normanne. Auch Internationalität gehört von Anfang an zur DNA des Ordens, der sich schon seit Jahrhunderten in verschiedene „Zungen“ gliedert, dazu ein gewisser Adel – bis heute, wo die meisten Ritter aus Italien und den ansonsten und traditionell nicht sehr adeligen USA. kommen. Von ihren rund 13.500 Rittern stammen 3200 aus Italien, 3000 aus den Vereinigten Staaten und 650 aus Deutschland – unter ihnen auch, als priesterliche und nichtadelige Ausnahme, Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI.

Ehelosigkeit, Keuschheit, Armut

Und aus der ursprünglichen Hospital-Bruderschaft wurde im Laufe eines halben Jahrhunderts eben auch mit Hilfe der Bulle des Papstes damals ein regulärer Orden der katholischen Kirche aus weltlichen Laien. Auch der innere Kern der drei verschiedenen Stände des Ordens besteht nicht aus Priestern, jedoch aus weltweit rund 60 so genannten Justizrittern, die wie Priester in einem Gelübde die Ehelosigkeit, die Keuschheit, die Armut und den Gehorsam versprechen und die kirchenrechtlich einen ähnlichen Stand wie andere Mönche haben.

Der Großmeister Robert Matthew Festing aus England hat innerhalb der Kirche Roms in seiner purpurroten Fest-Uniform die Würde eines Kardinals, nur ohne Wahlrecht des nächsten Papstes, und in der politischen Welt den Rang ein Staatsoberhaupts.

Sein „Staat“ war allerdings lange ein Staat auf der Flucht, in einer abenteuerlichen Saga Europas, von der es nur wundert, dass sich noch kein Großmeister der Kunst dieses Stoffes für ein noch nie gesehenes Epos angenommen hat. Der lange und umständliche Name des Ordens speichert die Etappen der Flucht bis heute noch in ihren wichtigsten Stationen ab.
Und auch ihre Kleidung. Die zunächst schwarze Mönchskutte der anfangs noch als Johanniter oder Hospitaliter bezeichneten Ritter bekam in den ersten Kämpfen zum Schutz ihrer Kranken ein weißes Kreuz mit acht Spitzen auf die Mäntel, wozu in den Kämpfen des 13. Jahrhunderts die roten Mäntel mit weißem Kreuz dazu kamen. Keine Position widerstand der muslimischen Rückeroberung so lange wie ihre Festung Belvoir, die sich über dem Jordantal erhob „wie das Nest eines Adlers zwischen den Sternen“.

Grossreich der Nächstenliebe

Als Jerusalem 1187 an Saladin fiel, flohen die Ritter nach Akkon. Nach der vollständigen Vertreibung aus Palästina wurde der Sitz des Ordens 1291 nach Zypern verlegt, 1503 nach Rhodos. 1522 vertrieben sie von dort die Osmanen. Nach acht Jahren des Vagabundierens durch Europa machten sie 1530 das steinige Malta zu ihrer Insel, die sie 1798 kampflos an Napoleon übergaben, weil die Ordensregel ihnen verbot, ihr „Schwert gegen andere Christen zu erheben“.

Auf Einladung des Zaren erhielten sie danach eine Art Asyl in Sankt Petersburg, wofür sie den orthodoxen Alleinherrscher sogar zum Großmeister wählten. Erst 1834 endete ihre Odyssee auf dem Aventinhügel in Rom.

Den 900. Geburtstag feiern sie nun nach einer Serie von Widersprüchen, sagt seine Eminenz Matthew Festing, der „Prinz und Großmeister der Ritter von Malta“ in ihrem brokatbespannten Renaissance-Palast an der Via Condotti. Der katholische Orden aus Laien, der sich seiner Verfassung nach immer noch als „adelig, religiös und militärisch“ versteht, hat mehrmals seinen Namen gewechselt, doch niemals sein Charisma.
Jetzt widmet er seinen militärischen Kampf in seinen „Werken“ und Assoziationen in zahllosen Krankenhäusern, Ambulanzen und Altenhäusern in allen Kontinenten nur noch den Katastrophen und Hinfälligkeiten dieser Welt. In diesem letzten Kreuzzug ist der Ministaat der Malteser ein revolutionäres Großreich der Nächstenliebe geblieben, wo die Ritter immer noch nach ihrer Anfangslosung den „hochwürdigen Herren (und Damen) Kranken“ dienen – in deren Gesichtern sie das Antlitz Christi suchen.

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