Warum wird ein Teil der Hostie in den Kelch gegeben?

Beide Gestalten enthalten den einen Christus, das eine Sakrament

fronleichnam Erzbistum BerlinDer Altar als Quell der Gnade

Rom, 17. Juli 2015, zenit.org, Edward McNamara LC

P. Edward McNamara, Professor für Liturgie und Studiendekan der Theologischen Fakultät am Päpstlichen Athenäum “Regina Apostolorum” in Rom, beantwortet eine Frage zur Vermengung von Brots- und Weinsgestalten.

Frage: Warum wird während des “Agnus Dei” ein Fragment der konsekrierten Hostie in den Kelch gegeben? Es war Brauch, dass der Papst die konsekrierte Hostie brach und zum Zeichen der Einheit Fragmente davon in seine Hauptkirchen sandte, nicht wahr? Das tut der Papst aber nicht mehr.

Die getrennt stattfindenden Wandlungen bezeichnen die Trennung zwischen Fleisch und Blut. Im Mittelalter wurde dies wörtlicher verstanden und daher bestand damals das Bedürfnis, vor der Kommunion Christi Leib mit seinem Blut zu vereinen. Wir glauben, dass nach der Konsekration beide Gestalten, Brot und Wein, den ganzen Christus enthalten. Warum wird also immer noch ein Stück der Hostie in den Kelch gegeben? — C.F., Chicago, USA.

P. Edward McNamara: Der Brauch, wonach ein Teil der vom Papst konsekrierten eucharistischen Gestalten in andere Kirchen gesandt wird, stammt aus frühester Zeit (einige Bischöfe taten das auch). Dafür legen Werke des hl. Irenäus (130-202 n.Chr.) und Werke aus späteren Jahrhunderten Zeugnis ab. Die Fragmente wurden aber nie in alle Kirchen gesandt. Allmählich wurde der Brauch nur noch an Hochfesten praktiziert und schliesslich vollständig aufgegeben. Nach dem neunten Jahrhundert gibt es hierfür kein Zeugnis mehr.

Es entstand später auch ein weiterer Brauch, nach dem zum Zeichen der Kontinuität des Opfers ein Hostienfragment, das von einer vorherigen Papstmesse stammte, in den Kelch gegeben wurde. Dieser Brauch aus dem achten Jahrhundert war von relativ kurzer Dauer und breitete sich nie ausserhalb von Rom aus.

Der gegenwärtige Brauch scheint ein Nachlass aus dem achten Jahrhundert zu sein, da der Usus bestand, dass der Papst ein Fragment der von ihm konsekrierten Hostie in den Kelch senkte und dabei das Gebet sprach, das wir im Wesentlichen noch heute sprechen: “Das Sakrament des Leibes und Blutes Christi schenke uns ewiges Leben” [in der ausserordentlichen Form des Ritus: Das Sakrament und die Konsekration…].

Die gegenwärtige Form des Ritus scheint aus einer Verschmelzung des Römischen Ritus mit germanischen Bräuchen hervorgegangen zu sein, die zur Zeit Karls des Grossen (etwa 747-814) unter dem hl. Benedikt von Aniane (747-821) stattgefunden hat, doch setzte sie sich nicht vor Ablauf eines Jahrhunderts durch.

Nach den Ausführungen des bekannten Liturgiewissenschaftlers J. A. Jungmann hatte diese Praxis aus dem Mittelalter folgende symbolische Bedeutung: “Die Vermengung, die den zum Leben wiedererstanden Leib Christi darstellte, ging dem Friedensgruss “Pax Domini” voraus; denn in der Tat brachte unser Herr Himmel und Erde den Frieden erst nachdem er von den Toten erstanden war.”

J. A. Jungmann weist darauf hin, dass die Verbindung mit dem Tod am Kreuz ausserdem zu dem Brauch führte, dass man während der Einladung: “Der Friede des Herrn sei allezeit mit Euch” mit dem Hostienfragment ein dreifaches Kreuzzeichen über dem Kelch machte, was immer noch in der ausserordentlichen Form praktiziert wird und worin es Parallelen zu einigen ostkirchlichen Liturgien gibt, die sich auf die gleiche symbolische Bedeutung stützen.

Diese symbolische Bedeutung stimmt nicht genau mit der von unserem Leser erwähnten und der dem Mittelalter zugeordneten überein. Auch im Mittelalter waren die Theologen mehrheitlich der Auffassung, dass der auferstandene Christus unter beiden Gestalten ganz gegenwärtig ist und verstanden wohl, dass die Vermengung beider Gestalten vor dem Friedensgruss den auferstandenen Christus symbolisierte, ohne deswegen in irgendeiner Weise sakramental wirksam zu sein.

Dieses Verständnis scheint aber nicht der ursprünglichen Bedeutung des Ritus zu entsprechen. Sie wird im Allgemeinen Bischof Amalar von Metz (780-850) zugeschrieben, der für seine Auslegung der Liturgie im allegorischen Sinn bekannt war.

Trotz seiner Popularität warfen der Ritus selbst und seine Erklärung auch Probleme auf. Im Verlauf der Reform des Messbuchs nach dem Konzil von Trient gab es kritische Stimmen gegen den Ritus, insofern als man ihn so auslegen konnte, dass der Leib und das Blut unseres Herrn erst nach der Vermengung und nicht schon bei der Konsekration beider Gestalten miteinander verbunden wären. Das hätte den Verfechtern jener Meinung Vorschub leisten können, die glaubten, dass die Kommunion unter einer Gestalt nicht ausreichen würde.

Mehrere Vorschläge für die Umformulierung des Gebets wurden eingebracht, um dem Ritus seinen ursprünglichen Sinn wiederzugeben, der scheinbar mehr mit der Vorbereitung auf die Kommunion als mit dem Friedensgruß zu tun hatte. Nach Untersuchung aller historischen Zeugnisse zieht J.A. Jungmann folgenden Schluss: “Es ist also gerechtfertigt, den Gedanken, dass beide Gestalten ein einziges Sakrament darstellen und den einen Christus enthalten, als die ursprüngliche Bedeutung des römischen Ritus der Vermengung zu betrachten.”

Jedoch setzte sich die Tradition durch und der Ritus blieb der tridentinischen Messe erhalten. J.A. Jungmann schrieb vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil über diesen Ritus: “Es gibt kaum eine Stelle wie diese im Umfeld der Brechung und Vermengung, wo die Transparenz des liturgischen Vorgangs so sehr unter der späteren Kürzung und Komprimierung gelitten hat, obwohl die Elemente der althergebrachten Tradition getreu beibehalten worden sind.”

Einige geringfügige, doch bedeutsame Änderungen in der ordentlichen Form des Römischen Ritus können uns dabei helfen, die Bedeutung des Ritus gemäss seiner ursprünglichen Auslegung wieder offensichtlicher zu machen.

Zunächst einmal ist die Vermengung für alle und nicht nur für die am Altar Stehenden deutlicher sichtbar.

Wichtiger ist aber, dass der Ritus nun nach dem Friedensgruss und vor oder beim “Agnus Dei” stattfindet. Und so kehrte er an eine Stelle zurück, die den historischen Zeugnissen nach seine ursprüngliche gewesen war. Auf diese Weise tritt nun die anfängliche Bedeutung, wonach Vermengung und Kommunion miteinander verbunden sind, deutlicher hervor.

Das war wahrscheinlich der ausschlaggebende Grund für die Veränderung des Ritus nach dem II. Vatikanischen Konzil. Und somit tun wir es weiterhin so – abgesehen von dem durchaus schwerwiegenden Argument einer nahezu 2000-jährigen Tradition.

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