Das Ewige ins Zeitliche holen

Kölner Liturgische Tagung:

“Die Gegenwart Christi im Altarsakrament und ihr Anspruch an die liturgischen Formen“ Von Claudia Kock

Herzogenrath, Die Tagespost, 31.08.2011

Vor wenigen Jahren outete sich Pfarrer Paul Scheichenberger vor seiner Gemeinde im Grazer Stadtbezirk Waltendorf: “Ich habe kein Hobby – keinen Jagdschein, kein Segelboot, kein Motorrad.” Er fügte hinzu: “Ich habe auch keine Freundin” Dann rückte er mit der Sprache heraus: “Mein einziger Lebensinhalt ist die heilige Messe. Ich möchte sie in der alten Form der tridentinischen Messe feiern. Und ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam tun könnten.” Seitdem feiert er an den Werktagen zusammen mit einigen Gläubigen die Messe in der ausserordentlichen Form des Römischen Ritus, gemäss dem Messbuch des seligen Papstes Johannes XXIII. aus dem Jahr 1962. An Sonntagen und gebotenen Feiertagen findet seine Gemeindemesse in der ordentlichen Form statt, nach dem Missale, das Papst Paul VI. 1975 promulgierte.

Pfarrer Scheichenberger war einer der etwa 130 Teilnehmer der 14. “Kölner Liturgischen Tagung“, die vom 24. bis zum 27. August in Herzogenrath bei Aachen stattfand, veranstaltet von den Initiativkreisen katholischer Laien und Priester in den Erzdiözesen Hamburg und Köln und der Diözese Aachen, dem Netzwerk katholischer Priester sowie der Una Voce Deutschland. Unter dem Thema “Wahrhaft – Wirklich – Wesenhaft: die Gegenwart Christi im Allerheiligsten Altarssakrament und ihr Anspruch an die liturgischen Formen” kamen Priester und Laien aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden zusammen, die an der Förderung der ausserordentlichen Form des römischen Ritus interessiert sind.

Nachdem Papst Johannes Paul II. 1984 die Feier der tridentinischen Messe in begründeten Ausnahmefällen durch Indult gewährt hatte, liess Benedikt XVI. sie durch das Motu proprio Summorum pontificum wieder allgemein zu und betonte gleichzeitig, dass es sich bei der sogenannten “alten” und “neuen” Messe nicht um zwei verschiedene Riten, sondern um zwei verschiedene Formen – die ausserordentliche und die ordentliche – des einen römischen Ritus handle. Er brachte gleichzeitig den Wunsch zum Ausdruck, dass “sich beide Formen des Usus des Ritus Romanus gegenseitig befruchten”. So könne in der Feier der Messe nach dem Missale Pauls VI. “stärker, als bisher weithin der Fall ist, jene Sakralität erscheinen, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht”. Diese Sakralität, die der Realpräsenz Christi in der Eucharistie entspringt, stand im Mittelpunkt der Liturgischen Tagung. In der Liturgie, so Peter Hofmann von der Universität Augsburg, handle der Priester in persona Christi. Sein menschlicher Leib werde durch Überkleidung mit dem liturgischen Gewand gleichsam sichtbar überhöht. Daher komme der Paramentik eine wichtige Rolle zu, die heute in der ordentlichen Form der Messe oft vernachlässigt werde. Auch Pater Bernward Deneke von der Priesterbruderschaft St. Petrus bedauerte diesen “Kahlschlag im sichtbaren Bereich”, der bei vielen Menschen zu einem Verlust des eucharistischen Glaubens geführt habe. Theologisch vertieft wurde dieser Aspekt durch einen Vortrag des Freiburger Dogmatikers Helmut Hoping über die Transsubstantiationslehre.

Wozu braucht die Kirche überhaupt einen Ritus? Warum macht man aus einem einfachen Mahl eine hochkomplizierte Pekingoper? Dieser Frage ging der Arnsberger Theologe Martin Reineke nach. Er gab zu bedenken, dass die Einsetzung der Eucharistie nicht im Mahl selbst, sondern im Ritus des Brotbrechens vor dem Mahl stattfand. Die Apostel erkannten als Juden im Handeln Jesu die Erfüllung und Überhöhung des Mahlritus. Jesus selbst hatte also sein Gedächtnismahl bereits als Ritus konzipiert, nicht als einfaches Mahl.

Alcuin Reid, Diakon der französischen Diözese Fréjus-Toulon, beklagte die vielfache Missachtung der Rubriken. Gerade sie schützten die grossen Geheimnisse unseres Glaubens vor Beliebigkeit und unachtsamem Umgang mit ihnen. Die Treue zu den Rubriken sei “nichts anderes als ein Akt der Liebe und der Treue zu Gott selbst”.

Besondere Resonanz unter den Pfarrern fand der Beitrag von Guido Rodheudt, Gastgeber der Tagung in Herzogenrath. Anhand von Beispielen zeigt er, dass das gängige katechetische Material zur Kommunionvorbereitung ungeeignet sei, Kindern die Realpräsenz Christi in der Eucharistie zu vermitteln. Zwar werde ausführlich über das Brot und seine Herstellung berichtet, zum Brotbacken angeregt und Ähnliches, den Kindern jedoch kaum vermittelt, dass das eucharistische Brot nicht nur ein Symbol für Jesus sei, sondern durch die Wandlung wirklich zu seinem Leib werde. Es entstand eine lebhafte Diskussion, wo die Schuld für diese Misere zu suchen sei: Bei den Theologen? Bei den bischöflichen Ordinariaten? “Der Riss geht mitten durch die Kirche.” Ein Pfarrer rief dazu auf, Busse zu tun. Eine Katechese, die den Kindern nicht das Heilige der Kommunion vermittle, sei Missbrauch an ihren Seelen.

In einer “theologisch so verwirrten Zeit wie der unseren” fiele auch das Verständnis der sakralen Musik schwer, so der Aachener Musikwissenschaftler Michael Tunger, unter dessen Leitung die “Schola Carolina” im Hohen Dom zu Aachen für die Tagungsteilnehmer Teile aus dem Proprium zur Kirchweihe und aus dem mittelalterlichen Reimoffizium zu Ehren Karls des Grossen, Regali natus, sang. Der Kunsthistoriker Clemens Bayer erläuterte Bedeutung, Gestaltung und Ausstattung der ursprünglichen Kapelle der Aachener Kaiserpfalz. Erschütternd sei die Tatsache, dass Karl der Grosse die Kirche so angelegt hatte, dass sie dem römischen Gebrauch weitestgehend entspreche, gerade dieser römische Charakter jedoch – paradoxerweise gerade unter Berufung auf den Karlskult – durch Renovierungen zerstört wurde.

Als prominenter Gastredner las der Spiegel-Journalist, Bestsellerautor und – nach eigenem Bekunden – “Pöbelkatholik” Matthias Matussek aus seinem Buch “Das katholische Abenteuer” einen Abschnitt über die Sonntagsmesse in seiner Pfarrei. Bei den Worten: “Ich forme meine Hände zur Schale” stutzte er und sagte: “Vielleicht werde ich nach dieser Tagung zur Mundkommunion übergehen?”. Die Gottesdienstbesucher von “St. Elisabeth” in Hamburg-Harvestehude sollten ein Auge auf Matussek werfen.

In einer Abschlussmatinee las Martin Mosebach las aus seinem Werk “Häresie der Formlosigkeit” über die Schönheit des Messbuchs von Trient, einer “Kathedrale in einer Nussschale”.

Der Präsidentin der Laienvereinigung “Pro Missa Tridentina”, Monika Rheinschmidt, zufolge wurde vor Summorum pontificum im deutschsprachigen Raum an insgesamt 69 Orten regelmässig die Alte Messe gefeiert. Danach stieg die Zahl auf insgesamt 212, davon 143 in Deutschland.

Darunter befindet sich auch die Pfarrei “St. Gertrud” in Herzogenrath. Im Rahmen der Tagung wurde in der Pfarrkirche zweimal das Pontifikalamt gefeiert, zunächst durch den Bischof von Kopenhagen, Czeslaw Kozon, der in seiner Predigt über die Eucharistie als Quelle der Einheit sprach. Diese Einheit könne nicht durch das menschliche Tun erreicht werden, sondern nur in der Demut Christi und in der Stille. Das zweite Pontifikalamt feierte der Abt des Trappistenklosters Mariawald, Dom Josef Vollberg OCSO. Die Liturgie, so Abt Vollberg, sei kein Menschenwerk, das immer wieder neu geschaffen werden müsse, sondern das Eintreten des ewigen Gottes in unsere Zeitlichkeit.

Monika Rheinschmidt zufolge ist Summorum pontificum “eine Riesenchance. Noch nie haben wir in der Kirchengeschichte eine Chance gehabt, eine Fehlentwicklung zu korrigieren, indem man noch einmal zu einem anderen Punkt zurückgeht und von dort aus weitermacht. Wir können die liturgischen Missbräuche nicht aufhalten. Sie sind nun einmal da. Man muss einfach etwas Positives dagegensetzen und nicht nur lamentieren.” Daher sei es “auch wichtig, die jüngeren Leute mit dieser Form der Messe in Kontakt zu bringen. Man sollte sie anbieten. Man kann nur nach etwas fragen, wenn man es schon einmal gesehen hat.” Ausserdem würde so die Konstitution Sacrosanctum concilium besser umgesetzt, in der es heisst: “Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang” und “die Christgläubigen sollen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können”. Durch den Aufbau von Choralscholen in den Gemeinden sowie durch regelmässige Feiern der Neuen Messe auf Latein, vielleicht einmal im Monat, könnten die Gläubigen in den gregorianischen Choral sowie in den Gebrauch der lateinischen Sprache hineinwachsen.

Das Motu proprio, so Pfarrer Rodheudt, habe die alte Messe aus einer “Schmuddelecke” herausgeholt, durch die sie durch die Assoziation mit den Lefebvrianern geraten war. Jetzt gehe es darum, ihrer Feier den Status einer gewissen Normalität zu verleihen. Sie dürfe nicht auf “Reservate” für eine vom Aussterben bedrohte Spezies beschränkt bleiben, sondern müsse sozusagen “in freier Wildbahn” geschehen, in grossen Kathedralen ebenso wie in einfachen Pfarrkirchen.

Pfarrer Scheichenberger, für den die Feier der alten Messe bereits zum Gemeindealltag gehört, vergleicht den Prozess mit einer Ernährungsumstellung, die langsam, aber nachhaltig wirkt – auf den ganzen Leib Christi. “Die tägliche Messfeier in der ausserordentlichen Form ist für mich eine wunderbare Vertiefung des grossen Mysteriums, das ich sonntags mit der Gemeinde in der ordentlichen Form feiere”.

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