“Dass Gott uns Frieden schenke”

Präsident Peres und Palästinenserpräsident Abbas zum Friedensgebet in den Vatikan

Israels Präsident Peres und Palästinenserpräsident Abbas kommen als Vertreter ihrer Nationen zum Friedensgebet in den Vatikan.

Vatikanstadt/Würzburg, Die Tagespost/sb/aho, 06. Juni 2014

Zu einem Gebet für den Frieden im Heiligen Land kommen Papst Franziskus, Israels Staatspräsident Schimon Peres, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios, am Pfingstsonntag im Vatikan zusammen.

Der Kustos der Franziskaner für das Heilige Land, Pierbattista Pizzaballa, bestätigte am Freitagnachmittag in Rom, dass dieses Gebetstreffen, das nun in den Vatikanischen Gärten stattfindet, zunächst während der Heilig-Land-Reise des Papstes geplant war. Piazzaballa betonte den religiösen Charakter der Begegnung: “Die Politik macht eine Pause, damit alle sich nach Oben orientieren können.” Niemand gehe davon aus, dass am Montag der Frieden gefunden sei, doch sei diese Initiative wichtig, “um die Strasse zum Frieden neuerlich zu öffnen”. Das Gebetstreffen habe die Struktur einer Anrufung Gottes, damit er den Frieden schenke. Politische Forderungen würden in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

Pizzaballa und Vatikan-Sprecher Federico Lombardi unterstrichen vor Medienvertretern im Vatikan, dass es sich nicht um ein interreligiöses Treffen handle, sondern um eine Begegnung von Palästinensern und Israelis, unter denen Christen, Juden und Muslime sind. “Die beiden Präsidenten sind Gläubige, aber keine Vertreter der Religionen”, so Pizzaballa. Peres und Abbas würden nicht ihre Glaubensgemeinschaften, sondern ihre Nationen repräsentieren. Vorgetragen werden bei der rund einstündigen Begegnung am Abend des Pfingstsonntag Psalmen auf Hebräisch, Gebete aus dem Koran auf Arabisch sowie Texte aus dem Neuen Testament und von Heiligen. Pizzaballa betonte auf Journalistenfragen, dass es sich in keiner Weise um eine gemeinsame Liturgie handle, denn Christen, Muslime und Juden könnten nicht zusammen Liturgie feiern: “Man betet nicht zusammen, sondern man kommt zusammen, um zu beten.” Das Treffen geniesse nicht nur bei den Christen des Heiligen Landes höchste Aufmerksamkeit, sondern auch in den palästinensischen und israelischen Medien.

Nach Angaben von Lombardi wird der Papst vor dem Treffen zunächst Peres und dann Abbas je eine Viertelstunde zu Vier-Augen-Gesprächen empfangen. Nach dem Gebetstreffen, an dem religiös gemischte Delegationen teilnehmen, werde sich der Papst mit den beiden Präsidenten und Bartholomaios kurz zurückziehen.

Israels Staatspräsident Peres möchte mit seinem Besuch im Vatikan Religionsführer aller Glaubensrichtungen dazu auffordern, zusammenzuarbeiten und sicherzustellen, dass die Religion und der Name Gottes nicht benützt werden, um Blutvergiessen und Terror zu rechtfertigen, heisst es in einer Pressemitteilung des Präsidenten von Donnerstag. Peres betont darin die Wichtigkeit des interreligiösen Dialogs. Teil seiner Delegation werden Rabbi Rasson Arussi vom Rat des israelischen Oberrabbinates, sowie die Rabbiner Daniel Sperber und David Rosen, der geistliche Führer der Glaubensgemeinschaft der Drusen in Israel, Scheich Moafaq Tarif, und der Vorsitzende der Muslimischen Gemeinschaft in Israel, Scheich Mohammad Kiwan, sein.

Das Treffen werde “im Einklang mit der jüdischen Tradition an einem Ort in den Vatikanischen Gärten stattfinden, an dem es keine religiösen Symbole gibt und der üblicherweise nicht zum Gebet genutzt wird”, heisst es in der Presseerklärung des israelischen Präsidenten.

Vor dem Friedenstreffen am Sonntag im Vatikan luden katholische Verbände weltweit zu einer Gebetsminute ein. Am Freitag um 13 Uhr hielten Anhänger aller Glaubensrichtungen einen Moment inne und beteten nach ihrer je eigenen Tradition um Frieden im Nahen Osten. Der Aufruf war unter anderem vom Internationalen Forum der Katholischen Aktion, der Weltunion katholischer Frauenorganisationen und Pax Christi Argentinien getragen. Die italienische Bischofskonferenz rief dazu auf, am Pfingstsonntag in allen Kirchen Italiens für den Frieden im Nahen Osten zu beten.

Die deutschen Bischöfe forderten die Katholiken auf, mit Schweigeminuten und Gebeten die Nahost-Friedensinitiative des Papstes zu unterstützen. Dazu erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx: “Eine Grunderfahrung aller Gläubigen besagt, dass wir aus mancher Sackgasse nicht aus eigener Kraft herausfinden, sondern dazu des Segens Gottes bedürfen, den wir im Gebet erbitten. Diesem Gedanken ist Papst Franziskus gefolgt, als er die Staatsmänner nicht zu politischen Verhandlungen, sondern ausschliesslich zum Gebet nach Rom eingeladen hat. Gläubige in Deutschland und in vielen anderen Ländern haben bereits angekündigt, sich dem bevorstehenden Ereignis im Vatikan in Schweigeminuten oder eigenen Gebeten anzuschliessen. Ich bin dankbar für diese Initiativen, zeigen sie doch die lebhafte Sehnsucht nach Frieden, die so viele Menschen überall auf der Welt beseelt.”

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sieht bei dem Treffen im Vatikan den Heiligen Geist am Werk. So drohten die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern schon zu scheitern, sagte Schick am Freitag anlässlich des Pfingstfestes. Jetzt aber habe Papst Franziskus die Beteiligten zum Gebet in den Vatikan eingeladen. “Das gibt Hoffnung, auch diesen toten Punkt zu überwinden.” Wer sich auf den Geist Gottes verlasse, sei nie verlassen. Wer ihn wirken lasse, könne wirken. Der Heilige Geist sei ein “Global Player” für eine gerechte, friedvolle, menschenfreundliche Weltgemeinschaft”, erklärte der Erzbischof. Der Geist Gottes überwinde jeden toten Punkt, er sei Beistand und treuer Begleiter. Zudem mache er den Menschen “Feuer unter dem Hintern, damit sie Feuer und Flamme für Jesus und seine Botschaft werden”, so Schick.

Erich Leitenberger, der Sprecher der ökumenischen Stiftung “Pro Oriente” in Wien, meinte gegenüber der “Tagespost”, dieses Treffen sei “ein dramatisches Zeichen. Ein Zeichen, das ganz bewusst im religiösen Bereich angesiedelt ist.” Bisher seien alle Friedensbemühungen im Nahen Osten im Grossen und Ganzen gescheitert. “Jetzt ergreift der Papst – übrigens gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios – eine Initiative, die über die üblichen säkularen diplomatischen Bemühungen und Überlegungen hinausgeht”, so Leitenberger, der daran erinnert, dass Papst Franziskus Anfang September 2013 “eine ähnliche Initiative ergriffen hat, den grossen weltweiten Tag des Gebetes und des Fastens für den Frieden in Syrien. Diese Initiative wurde von vielen Menschen, nicht nur von Katholiken, sondern auch von orthodoxen und evangelischen Christen, von Muslimen und Juden, von Menschen ohne religiösem Bekenntnis geteilt. Auch auf dem Hintergrund dieser Erfahrung vermute ich, dass jetzt wieder ein Versuch gemacht wird, die Mauern des Vorurteils zu brechen und durch die Besinnung darauf, dass alle Menschen Kinder Gottes sind, einen Weg zu finden, der in Richtung Frieden führt.” Das Besondere daran sei, dass die politisch-diplomatischen und die religiösen Friedensbemühungen auf zwei ganz getrennten Ebenen stattfinden. Hier mache der Papst den Versuch, “die politischen Hauptkontrahenten zu versammeln und jeden in seiner religiösen Tradition zum Gebet des Friedens einzuladen”. Franziskus stehe hier in der Tradition von Papst Johannes XXIII. und Johannes Paul II., der auch zu einem grossen ersten Weltgebetstag für den Frieden in Assisi eingeladen hatte. Der Papst setze hier “einige wirklich greifbare Schritte”, so Leitenberger, “um in dieser ausweglosen Situation daran zu erinnern, dass es eine Verantwortung vor Gott gibt und dass alle Menschen Kinder Gottes sind.”

Bernd Mussinghoff, Leiter des Jerusalem-Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande nannte die Initiative von Papst Franziskus gegenüber dieser Zeitung “eine grossartige Idee”. Dass er den Vatikan als Ort für das Friedenstreffen zur Verfügung stellt, zeige, “wie sehr ihm persönlich, aber auch der ganzen Kirche eine Friedenslösung für das Heilige Land am Herzen liegt”. In der gegenwärtigen Situation habe das Treffen eine sehr hohe Bedeutung, denn erstmals seit vielen Jahren sei Präsident Abbas Chef einer palästinensischen Regierung, die sowohl in den Autonomiegebieten im Westjordanland als auch im Gazastreifen regieren kann, und mit der zu sprechen der israelische Premierminister sich weigert. Präsident Abbas habe aber betont, dass auch diese Regierung das Existenzrecht Israels anerkennt. “Wenn nun Präsident Peres sich mit Präsident Abbas sowie mit dem Papst und dem Ökumenischen Patriarchen trifft, so ist das zwar noch nicht der Wiederbeginn eines Friedensprozesses. Aber ich denke doch, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn die Präsidenten miteinander sprechen und um Frieden bitten.”

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