Jordanien empfing den Papst mit Sonnenschein

“Die christlichen Gemeinschaften sind ein integraler Bestandteil des Nahen Ostens”

Die Tagespost, 26. Mai 2014

In Jordanien lobt der Papst das interreligiöse Engagement des Königs. Vor Flüchtlingen verurteilt er die Waffenlieferungen nach Syrien – und ist in seinem Element. Von Oliver Maksan

Jordanien empfing den Papst mit Sonnenschein. Als vierter Pontifex innerhalb von fünfzig Jahren landete Franziskus am Samstagmittag in Amman – pünktlich und nach Plan. Prinz Ghazi, Vetter des Monarchen und dessen Berater in interreligiösen Dingen, erwartete das Kirchenoberhaupt am Flughafen im traditionellen Gewand des Landes. Vor dem königlichen Palast von Amman wurde der Papst dann vom jordanischen Königspaar mit allen Ehren willkommen geheissen.
Eine private Unterredung zwischen Papst und König schloss sich an. Drinnen warteten derweil die Spitzen der jordanischen Gesellschaft, um die Ansprachen des Königs und seines römischen Gastes zu hören. Völlig unbefangen plauderten dort bei Orangensaft und Pralinen katholische nahöstliche Patriarchen mit ihren orthodoxen Mitbrüdern, umarmten sich sunnitische Kleriker mit christlichen Geistlichen, standen verschleierte Frauen neben unverschleierten – ein schönes Bild dessen, was der Nahe Osten mit seiner ethnischen und religiösen Vielfalt sein könnte.

1 400 Kinder empfingen ihre erste heilige Kommunion

Diesen Ton der Harmonie und friedlichen Koexistenz schlugen denn auch König und Papst in ihren Ansprachen an. König Abdullah, dessen Englisch bis heute weitaus besser ist als sein Arabisch – der Sohn einer Engländerin verbrachte weite Teile seiner jungen Jahre im Ausland – hielt eine bemerkenswerte Rede. Als 41. Nachkomme Mohammeds sehe er es als seine Aufgabe an, den wahren Geist des Islam aufrechtzuerhalten, “den Islam des Friedens”. Sätze wie: “Die arabischen christlichen Gemeinschaften sind ein integraler Bestandteil des Nahen Ostens” klangen gewiss wie Balsam in den Ohren der bedrängten Christen des Nahen Ostens, weit über Jordanien hinaus. Der Papst wiederum dankte dem Monarchen, dessen Haus ein Motor der interreligiösen Verständigung in der Region und darüber hinaus ist. “Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um erneut meinen tiefen Respekt und meine Achtung für die muslimische Gemeinschaft kundzutun und meine Wertschätzung für die Führungsrolle zu bezeigen, die Seine Majestät der König in der Förderung eines angemesseneren Verständnisses der vom Islam verkündeten Tugenden und eines friedvollen Zusammenlebens unter den Anhängern der verschiedenen Religionen wahrnimmt. Sie sind als Mann des Friedens und als Friedenstifter bekannt: Grazie!”

Früher als erwartet traf der Heilige Vater dann im Internationalen Stadion von Amman ein. Dort erwarteten ihn Tausende – aber sicher weniger als die 50 000 Besucher, die von der Kirche erwartet worden waren. Weite Teile der Ränge des Geländes waren leer. Auch während der Messfeier wollte der Funke nicht so recht überspringen, wirkte der Papst müde und sehr ernst. In einer sehr theologischen Ansprache, die im Stil der Morgenpredigten von Santa Marta in drei Punkten das Evangelium auslegte, betrachtete er die Herabkunft des Heiligen Geistes bei der Taufe Christi im Jordan. Der Geist bereitet vor, salbt und sendet aus, erklärte der Heilige Vater den Anwesenden auf Italienisch. Besonders begrüsste er die christlichen Flüchtlinge aus Palästina, Syrien und dem Irak. “Sagt Euren Familien und Gemeinschaften, dass der Papst ihnen nahe ist.” Eine Zusammenfassung der Predigt folgte auf Arabisch. Über 1 400 Kinder empfingen anschliessend ihre erste heilige Kommunion.

Nach der Messe begab sich Franziskus nach Bethanien jenseits des Jordan. Der Konvoi legte den Verkehr zwischen der Hauptstadt und der am östlichen Ufer des Jordan gelegenen Taufstelle des Herrn lahm. Weil der Papst auf einen gepanzerten Wagen verzichtete, kamen noch mehr Soldaten zum Einsatz als ursprünglich geplant. Alle zehn Meter stand ein schwer Bewaffneter. Tausende Handykameras hielten zudem den Moment fest, als der Papstkonvoi in hoher Geschwindigkeit an ihnen vorüberrauschte. Papst Franziskus mochten dabei die Unterschiede aufgefallen sein, die zwischen der expandierenden Hauptstadt und ärmeren Orten des Königreichs herrscht. Glitzernde Glaspaläste hier, Hirten mit ihren Herden dort.

Kurz nach sechs erreichte der Konvoi schliesslich die Taufstelle des Herrn. Die Hitze des Jordantals empfing ihn dort, nur ab und zu von einem leicht fächelnden Wind unterbrochen. Jordaniens Regierung hat ein massives Interesse an der Förderung des christlichen Pilgertourismus. Die Taufstelle östlich des Jordan steht dabei im Zentrum. Mit dem vierten Besuch eines Papstes hat das östlich des Flusses gelegene Heiligtum nun erneut den Vorrang vor der palästinensischen Konkurrenz bekommen, die am israelisch kontrollierten Westufer des Jordan liegt. “Normalerweise stehen wir an der Seite der Palästinenser gegen die Israelis. Mit der Taufstelle sind wir gegen beide”, scherzte ein Vertreter der jordanischen Regierung. In einem vom König gelenkten Golfwagen besuchte der Papst die Kirchenruinen, die die Jahrhunderte christlicher Verehrung der Stätte hinterlassen haben. Auch begab er sich direkt an den Fluss selbst.

Im Rohbau der dem Gedächtnis der Taufe Christi gewidmeten lateinischen Kirche warteten derweil vierhundert Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak sowie Kranke und Behinderte auf den Papst. Intim war die Atmosphäre in dem runden Bau, und freudig. Die Menschen waren sich aber uneinig, was ihnen der Besuch bringen werde. Maurice Gabro, ein junger Syrer aus dem Norden, versuchte seine Situation realistisch zu sehen. “Der Besuch des Papstes bedeutet uns viel. Er möge für uns und Syrien beten. Wir Christen wissen aber nicht, was hier im Nahen Osten mit uns passiert. Deswegen wollen wir gehen. Hat der Papst eine andere Lösung?” Abu Reda hingegen, ein Geschäftsmann aus Damaskus, meinte: “Wir hoffen, dass der Papst unserer Region Frieden und Stabilität bringt. Wir sehnen uns danach, wieder ein Leben wie früher führen zu können.”

Als der Heilige Vater dann begleitet von Prinz Ghazi in der künftigen Kirche eintraf, war kein Halten mehr. Freudig rufend und weiss-gelbe Fähnchen schwingend begrüssten sie Franziskus. Die direkte Begegnung mit den vom Leben geprüften Menschen schien den zuvor müde wirkenden Pontifex neu zu beleben. In einer emotionalen Ansprache wich der Papst dann stellenweise vom vorbereiteten Text ab und beklagte das Leid in Syrien. “Wer liefert Waffen für diesen Konflikt. Wer steht dahinter?”, fragte er sichtlich zornig in das Rund. “Das ist die Wurzel des Übels! Der Hass – und die Geldgier in der Herstellung und im Verkauf der Waffen. Das muss uns an die denken lassen, die dahinter stehen, die all denen, die sich im Konflikt befinden, die Waffen geben, um den Konflikt fortzusetzen! Denken wir daran, und legen wir von Herzen auch ein Wort ein für diese armen Kriminellen, damit sie sich bekehren.”

Am Ende der Feier, nach Zeugnissen Kranker und von Flüchtlingen, nahm der Papst ein Bad in der Menge. Zeitweise schien dieses ausser Kontrolle der Sicherheitskräfte zu geraten. Nur der weisse Pileolus des Papstes liess erkennen, wo er sich gerade befand. Ein strahlender Franziskus indes schien hier, an den Peripherien der menschlichen Existenz, ganz in seinem Element.

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