St. Galler Bischöfe stärken Abt Werlen den Rücken

“Abt Martin Werlen hat genug”

Tagblatt Online, 29. November 2012, Josef Osterwalder

Der Einsiedler Abt wendet sich in einer neuen, vielbeachteten Schrift gegen den Reformstau in der Kirche. Nun stärken ihm Bischof Markus Büchel und sein Vorgänger, Ivo Fürer, den Rücken.

Abt Martin Werlen hat genug. Er ist überzeugt, dass die Probleme der Kirche nicht mit Samthandschuhen angefasst, sondern offen angesprochen werden müssen. In einer kürzlich erschienenen Schrift spricht er sie mit bemerkenswerter Klarheit an: Zölibat, Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten, Predigt durch ausgebildete Pastoralassistentinnen und -assistenten. Vor allem beschäftigt den Einsiedler Abt die Lähmung, die von diesen ungelösten Problemen ausgeht. Die Gemeinden fühlen sich von der obersten Kirchenleitung in Stich gelassen. Und zudem wird das Bischöfliche Ordinariat in Chur nicht müde, immer wieder aufs neue gegen alle Zeichen kirchlicher Offenheit Stellung zu beziehen.

Dieser Rückwärtsgang in der zweitgrössten Deutschschweizer Diözese wirft seinen Schatten auf die ganze katholische Kirche der Schweiz.

“Situation ist dramatisch”

Darum hat sich der Einsiedler Abt entschlossen, nicht länger zu schweigen – denn, so stellt er fest: “Die Situation der Kirche ist dramatisch.”

Martin Werlen gibt seiner Schrift einen programmatischen Titel: “Miteinander die Glut unter der Asche entdecken.” Auf der einen Seite lehrt ihn die Erfahrung in den Pfarreien, dass die Glut nach wie vor vorhanden ist. Umgekehrt weiss er, dass sie teilweise nur noch unter einem Aschenhügel glimmt.

Sukkurs von Ivo Fürer

Entscheidend wird es sein, dass das Plädoyer des Abtes aufgegriffen und weiterdiskutiert wird. Es darf nicht die einzige Stimme in der Bischofskonferenz bleiben, die die Reform der Kirche fordert. Dies weiss wohl niemand besser als der emeritierte St. Galler Bischof Ivo Fürer. Aus seiner langjährigen Erfahrung als Generalsekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen weiss er zu gut, wie die Behörden im Vatikan auf mutige Äusserungen reagieren. Sie versuchen sie als Aussage eines einzelnen abzustempeln, hoffen, dass die aufglimmende Glut möglichst bald wieder unter der Aschendecke verschwindet.

In einer persönlichen Stellungnahme stärkt Ivo Fürer dem Einsiedler Abt den Rücken: “Es ist erfreulich, dass sein Aufruf nicht nur zur Kenntnis genommen wird, sondern viele Menschen zum Nachdenken bewegt.” Kirchenkritische Äusserungen seien kein Angriff auf die Kirche.

Ivo Fürer erinnert an die Entwicklung der Kirche, wie er sie seit den 1930er Jahren erlebt hat. Vieles habe sich seither verändert, doch die Zusage Jesu sei geblieben: “Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Mt. 28,20).

Kirche im Wandel

“Als Jugendlicher begann ich zu fragen, ob das damalige kirchliche Leben wirklich hilfreich und sinnvoll sei. Ich lernte Theologen wie Karl Rahner kennen, die unsere Fragen ernst nahmen und versuchten, die Frohe Botschaft den Menschen der Fünfzigerjahre zugänglich zu machen. Tiefgläubige Menschen und grosse Denker stellten sich den Problemen von damals. Sie entwickelten Theorien und machten Vorschläge, welche der allgemeinen Meinung von damals widersprachen. Sie wurden von päpstlichen Behörden sogar mit Verboten zu lehren und zu schreiben belegt.”

Dann aber waren es just diese Theologen, die im Zweiten Vatikanischen Konzil die entscheidende Weichenstellung vorbereitet haben. “Im Konzil waren sich die Bischöfe ihrer Verantwortung für die Zukunft bewusst. Sie vertrauten auf das Wirken des Heiligen Geistes und nahmen viel vom Glaubensleben und Denken auf. Ich erlebte eine neue Glaubensfreude. Mit grosser Begeisterung habe ich mich im Anschluss an das Konzil in der Synode 72 eingesetzt.”

Die Aufbruchstimmung der Sechziger- und Siebzigerjahre sei unterdessen weithin verflogen. Die Kirche stehe vor einem ähnlichen Problemstau wie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Behoben werden könne er nur durch das offene Gespräch, das keine innerkirchlichen Feindbilder aufbaue. Zudem sei es unerlässlich, den Bistümern in einzelnen Ländern und Kontinenten mehr Kompetenzen zu geben. Und endlich müsse die Weltkirche vom Ansinnen abrücken, alles zentral regeln zu können, sagt Fürer.

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Abt Martin Wehrlen: kath.net
Hl. Pfarrer von Ars

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