Dieser Glaube ist nicht etwas, was uns unbeteiligt lässt

Ein Kommentar zum Ostersonntags-Evangelium von P. Bernhard Sirch

Der Glaube muss unser Innerstes erfassen, auch wir müssen einen Lernprozess durchmachen, um den Glaube an das unfassbare Geheimnis der Auferstehung in uns aufzunehmen.

Illschwang, kath.net, 04.04.2012

B – Osternsonntag (am Tag): 1. Lesung: Apg 10, 34a. 37-41; 2. Lesung: Kol 3, 1-4 Oder: 1 Kor 5, 6b-8. Evangelium: Joh 20,1-18

Wellness anstelle des ewigen Lebens!

Wie es bei einer Hochzeit so richtig gemütlich wurde, sangen alle: “Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind”. Dann sagte der Vater der Braut: “Wir haben ja den Pfarrer hier, der hat die Schlüssel des Himmelreiches”. Darauf sagte die Tante: “Herr Pfarrer, lassen Sie ihre Schlüssel ruhig in der Tasche, hier ist es auch schön”. Damit sind wir genau in der Problematik, die das Abendland prägt. Wenn die Kirche von Auferstehung, Auffahrt Jesu in den Himmel und ewiges Leben redet, so muss uns klar sein, dass diese “frohe Botschaft” für viele Menschen gar keine “frohe Botschaft” ist. Viele Menschen des einen Drittels der Menschheit, die 2/3 des Welteinkommens verbrauchen, haben andere “Probleme”. Diese Menschen wollen ja gar nicht ewig leben, sie wollen hier gut leben. Als Seelsorger muss man diese neue Situation klar sehen: es ist schwer die Osterbotschaft einer Gesellschaft zu verkünden, die gut leben möchte, aber nicht ewig. Fitness und Wellness, Wellnesshotels, Wellnesswochendende sind heute gefragt. Wer ersehnt im Alltag den Himmel, wer sehnt sich nach einem Leben nach dem “Tod”? Wir reden zwar oft vom Himmel; wir müssen uns aber auch fragen, wie fremd ist uns eigentlich der Himmel, ein Leben nach dem Tod?

Wer denkt heute schon im Alltag oder in einer stillen Stunde ernstlich daran, dass er sterben muss? Ich darf dazu eine kleine Episode erzählen: Ich musste einmal in einer Abschlussklasse einer Realschule für Mädchen einen Besinnungstag halten. Zuvor sagte mir die Direktorin: “Herr Pater, diesmal werden Sie es schwer haben”. Ich sagte, ich könne mir das nicht vorstellen. Die Direktorin sagte: “Doch” und erzählte, dass tags zuvor bereits nach 10 Minuten eine junge Frauenärztin empört aus der Klasse gegangen sei mit der Bemerkung: “Was will ich diesen Damen noch sagen”? Und zu mir sagte die Direktorin: “nun sind Sie an der Reihe”. Ich ging ins Klassenzimmer und stellte fest: “Es gibt ja hier keine Tabus mehr”. Die Antwort war ein fröhliches Gekicher. Ich sagte: “Ich möchte nur eine Frage stellen: Wer von euch war schon einmal dabei, wenn ein Mensch gestorben ist.” Es trat eine peinliche Stille ein. Nach einiger Zeit meldeten sich zwei Mädchen, die einmal in einem Haus gewesen waren, in dem ein Mensch gestorben ist. Ein Mädchen erzählte, sie war in einem Haus, wo ein Mensch starb. Es waren nur weit her geholte Geschichten. Ich stellte dann fest: “Der Tod des Menschen ist heute das neue Tabu”. Wir gebrauchen zwar den Ausdruck “todsicher”, weil wir wissen, dass jeder Mensch stirbt und somit einen Endpunkt bzw. einen Zielpunkt hat. Im Gegensatz zum Tier kann der Mensch sich ja mit dem Tod, mit seinem persönlichen Tod auseinandersetzen.

Die andere Wirklichkeit der Probleme unserer abendländischen Gesellschaft erlebte ich in den vergangenen beiden Wochen Mitte März. Ich musste einen Mann mit 53 Jahren beerdigen. Er wusste Ende November noch nicht, dass er Krebs hat. Ein paar Tage später musste ich eine Frau beerdigen: sie wusste Ende Juni noch nicht, dass sie Krebs hat. In einer anderen Pfarrei musste ich eine Beerdigung eines 63-jährigen Biologie- und Sportlehrers halten, der noch im Februar Unterricht hielt. Schüler und Lehrer waren überaus betroffen; die Kirche war voll, wo sonst bei Beerdigungen nur fünf bis zehn Trauernde sind und weniger. So wird die “Frage nach dem Tod und das ‘Leben’ danach” erneut aktuell, vor allem für die Menschen, die aktuell betroffen sind.

Kein bewusster Glaubensabfall, aber der Glaube verschwindet im Hintergrund

Unsere Gesellschaft ist auf das Diesseits ausgerichtet. Es gibt nicht so sehr einen bewussten Glaubensabfall, sondern der Glaube verschwindet in den Hintergrund. Unsere Wertvorstellungen sind “verrückt” geworden: das Komma bei Werten wie z.B. Besitz oder auch Sex ist falsch gesetzt und gibt somit diesen Werten einen falschen, überhöhten Stellenwert. Zu Recht findet das frühere Sexsymbol Raquel Welch die heutige Welt zu sexbesessen: “Wir sind in unserer Kultur an den Punkt angekommen, an dem wir alle buchstäblich sexsüchtig sind”, sagte die 71-Jährige dem Männermagazin “Men’s Health”.

Die Sexualität, ein Geschenk Gottes an die Menschen, wird verselbständigt und dient vielen Menschen nur noch der eigenen sündhaften Gier, der Sexbesessenheit. Die Sexualität, die in sich das Geheimnis des neuen, selbständigen Lebens trägt, wird mit Füssen in den Schmutz getreten. Formen der Sexualität, die nicht dem Leben dienen, entsprechen nicht dem Gebot Gottes, der die Menschen in unbegreiflicher Weise an seinem Schöpferwillen teilhaben lässt: neues, selbständiges Leben entstehen zu lassen. Eine Gesellschaft, die die Entstehung eines neuen selbständigen Lebens behindert, ja tötet sieht kaum das kostbare Gut des Lebens. Eine Gesellschaft, die das Leben nicht schätzt, hat nur schwer einen Zugang für eine Verwandlung unseres jetzigen menschlichen Lebens in ein neues ewiges Leben.

Teilhabe des Menschen am Wunder des neuen selbständigen Lebens und die Verwandlung unseres sterblichen Leibes

Hier sind wir am Festgeheimnis des Osterfestes. Das Wunder des neuen, selbständigen Lebens, das Gott den Menschen anvertraut hat, erleichtert den Zugang der Verwandlung unseres Leibes und damit des Ostergeschehens: “Wir erwarten auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann”. (Philipper 3, 20-21). “Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden alle verwandelt werden – plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit” (1 Korinther 15, 51 f). Unser neues ewiges Leben ist nicht eine Neuschaffung eines Lebens wie beim Zusammenkommen von Mann und Frau, sondern der vorhandene sterblicher Leib wird lebendig gemacht.: “Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt” (Römer 8,11.14-23).

Obwohl die Jünger Jesu drei Jahre mit Jesus zusammen waren, so war für sie der von den Toten auferweckte Christus unbegreiflich. Diese Jünger Jesu und der kleine Kreis um Jesus mussten miterleben, wie Jesus verurteilt wurde und nach einem grausamen Marterweg am Kreuz starb. Dieser kleine Kreis von Menschen wurde überrascht von den Ereignissen, die ihr Leben nach dem Tod Jesu veränderte.

Das Leiden und die Auferstehung Jesus erklärbar aus der Heiligen Schrift

“Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste” (Joh 20, 8.9). Für Petrus und Johannes war die Heilige Schrift: das Alte Testament. Zur Interpretation der Ereignisse um Jesus gehört wesentlich die Heilige Schrift. In dem Bericht über die Emmaus-Jünger wird ebenso die notwendige Rolle der heiligen Schrift für die Deutung des Lebens Jesu hervorgehoben: “Da sagte Jesus zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht” (Lk 24, 25-27). Im Korintherbrief, dem ältesten Auferstehungsbericht, wird ebenso deutlich auf die Heilige Schrift hingewiesen: “Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäss der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäss der Schrift” (1 Kor 15, 3-5). Für Jesus war es wichtig, dass sein Leiden und seine Auferstehung aus der Heiligen Schrift zu erklären sind. Ich halte es für notwendig, das Juden und Christen aus der gemeinsamen Quelle der Heiligen Schrift schöpfen und zu Jesus finden.

Auch heute müssen wir den Vorwurf Jesu ernst nehmen: “Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht” (Lk 24, 25-27). Dies bedeutet, dass wir mit unseren jüdischen Brüdern und Schwestern in der hl. Schrift nachforschen müssen um das Leiden und die Auferstehung Jesu neu zu verstehen. Der Weg des auserwählten Volkes zu Christus muss über die Heilige Schrift (des Alten Testamentes) führen. Die Texte des Neuen Testamentes legen es eindringlich nahe, dass wir mit den Schriftkundigen des auserwählten Volkes nachforschen “ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn (sc.Jesus) geschrieben steht” (Lk 24, 27).

Auferstehung war zur Zeit Jesu das Thema unter den Juden: Die Pharisäer und Sadduzäer

Die Frage nach der Auferstehung war zur Zeit Jesu das Thema unter den Juden. Es gab zwei Gruppen. Gegenüber den Sadduzäern, deren Mitglieder die verschiedenen hohenpriesterlichen Ämter zu Zeit Jesu innehatten, glaubten die Pharisäer an die Auferstehung. Wie Paulus vor Gericht stand, nützte er diese Tatsache aus und konnte so von sich ablenken: “Weil aber Paulus wusste, dass der eine Teil Sadduzäer und der andere Pharisäer waren, rief er laut im Hohen Rat: ‘Brüder! ich bin ein Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern. Wegen der Hoffnung und der Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht!’ Als er dies sagte, kam es zum Streit zwischen den Pharisäern und Sadduzäern” (Apg 23,6). “Es entstand ein grosses Geschrei, und einige Schriftgelehrte von der Pharisäergruppe standen während des Streites auf und sagten: ‘Wir finden nichts Böses an diesem Menschen” (Apg 23,9).
Die ersten Christen waren aus der Gruppe der Pharisäer. Für das Verhältnis von Judentum und Christentum ist es ganz entscheidend zu wissen, dass das Judentum heute an die Auferstehung glaubt. Es haben sich also die Pharisäer durchgesetzt. Eines der ältesten und umfassendsten Gebete der jüdischen Liturgie, das der gläubige Jude jeden Tag sprechen soll, ist das Gebet der Acht-zehn Segnungen. Die zweite Segnung preist Gott: “Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr. Du belebst die Toten, du bist reich an Hilfe. Du erhältst alles Lebende in Liebe, belebst die Toten mit grosser Barmherzigkeit… Wer ist dir gleich, ein König, der tötet und belebt und das Heil erblühen lässt? Getreu bist du, die Toten wieder zu beleben. Gelobt seist du, Herr, der die Toten belebt”. Ein gemeinsames Studium der Heiligen Schrift von Christen und Juden kann den Glauben an die Auferstehung mit dem besonderen Blick auf die Auferstehung Christi vertiefen.

Der Glaube an die Auferstehung Jesu ist nicht etwas Selbstverständliches

Tröstlich ist, dass sich auch die Jünger mit der Auferstehung Jesu schwer getan haben, obwohl Jesus sie vorbereitete. Auch Jesus hatte es mit seinen Jüngern schwer, dass sie ihn als den Auferstandenen erkennen. Von Petrus und Johannes wird uns nach dem Besuch des leeren Grabes berichtet: “Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste” (Joh 20,9). Auch wir müssen einen Lernprozess durchmachen, wobei der Glaube an das unfassbare Geheimnis der Auferstehung nicht so sehr durch Worte übermittelt wird, sondern durch das Erleben. Der Grossteil des jüdischen Volkes erlebte den Auferstandenen nicht, sondern war auf das Zeugnis der Apostel angewiesen. In der ersten Lesung gibt Petrus vor dem ganzen Volk Zeugnis: Jesus “haben sie an den Pfahl gehängt und getötet. Gott, aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erschienen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkünden und zu bezeugen: Das ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten” (Apg 10, 40-42). und wider wird die Rolle der heiligen Schrift hervorgehoben: “Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt” (Apg 10, 43).

Dieses Erleben des Auferstandenen ist auch ein Kriterium für die Wahl des Matthias zum Apostel: “Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und (in den Himmel) aufgenommen wurde, – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein (Apg 1, 21-22).

Dieser Glaube ist nicht etwas, was uns unbeteiligt lässt. Dieser Glaube muss unser Innerstes erfassen. Der hl. Paulus ruft uns in der zweiten Lesung zu: “Darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische” (Kol 3, 1.2). Das Umsetzen ins tägliche Leben, das “Leben” der Botschaft der Auferstehung lässt uns den Auferstandenen er-leben, lebendig werden. Wir rufen einander zu und verkünden: Christus ist wahrhaft auferstanden. Halleluja. Halleluja.

Diese Predigt ist allen Menschen und Vereinen gewidmet, die sich um den Schutz des Lebens einsetzen.

www.pater-bernhard.de

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