‚Ostermorgen ist Anfang einer neuen Schöpfung‘

Predigt zum Ostersonntag 2012 von Kardinal Meisner im Hohen Dom zu Köln

Köln, 08.04.2012

Liebe Schwestern, liebe Brüder in Christus, dem Herrn!

Im Vatican-Magazin gibt es immer eine spezielle Seite mit dem Titel: “10 Fragen, die ich Benedikt XVI. immer schon einmal stellen wollte”. In der Februarausgabe formulierte der deutsche Journalist Harald Martenstein seine Fragen. Die siebente lautet: “Wenn alles ein Irrtum wäre (mit dem Glauben an Gott und die Auferstehung) – hätten Sie dann (als Papst) umsonst gelebt? Oder hätte die Kirche auch dann einen Sinn, wenn ihre Prämisse (also die Auferstehung) sich als falsch herausstellte? Welcher Sinn wäre das?”

Diese Fragen braucht gar nicht der Papst zu beantworten, die hat der Apostel Paulus längst eindeutig beantwortet, indem er schreibt:

“Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden” (1 Kor 15,17). An Ostern hängt für uns alles. Das sei gleich am Anfang gesagt; der Glaube, dass Christus auferstanden ist und dass demzufolge auch wir auferstehen werden, ist konstitutiv für das Christsein. Oder anders gesagt: Wer nicht an diese Auferstehung glaubt, ist kein Christ. So der Apostel Paulus ohne “Wenn” und “Aber”.

1. Natürlich hat jede Epoche der Geschichte ihre eigenen Fragen, Probleme, Hoffnungen, Verständnisse und Missverständnisse. Jede Zeit muss sich deshalb bemühen, in der Sprache der Gegenwart das Evangelium von der Auferstehung Jesu zu verkünden und es so zu erklären, dass es eine wirkliche Antwort gibt auf die Fragen der Zeit. Unsere Zeitgenossen sprechen viel von der Zukunft. Schon seit langem gibt es ein Buch mit dem Titel: “Die Zukunft hat schon begonnen”.

Man fragt also leidenschaftlich nach dem, was man heute schon für das Morgen tun und planen kann. Niemand hat mehr für das Morgen der Welt getan als der, der am Kreuz die Sünde der Welt auf sich genommen und damit getilgt hat und der am dritten Tage von den Toten auferstand. Diese seine unwahrscheinliche Tat begründet eine Hoffnung, die nicht trügt. Sie begründet eine Zukunft, von der das Glaubensbekenntnis am Ende spricht: “Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt”.

Man darf – wie Paulus – den Zusammenhang zwischen der Auferstehung Jesu und der Auferstehung der Toten nicht zerschneiden. Ein Christus, der für sich allein den Tod überwindet, ist für Paulus ein Unding, wie ein Auferstehungsglaube ohne Christus. “Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden” (1 Kor 15,13), heisst es im Ersten Korintherbrief. Der Glaube an Jesu Auferstehung und die Hoffnung auf unsere eigene Auferstehung sind untrennbar. Deshalb wird seit zwei Jahrtausenden, wo Christen sich Ostern versammeln, die Osterbotschaft verkündet: in Jerusalem, Antiochien, Damaskus, Korinth, Ephesus, Rom, Köln, Konstantinopel, Moskau, Genf, Krakau. So war es gestern, und so ist es auch heute, und so wird es in Zukunft bleiben, bis der Herr wiederkommen wird in Macht und Herrlichkeit.

2. Der Ostermorgen ist mit dem Schöpfungsmorgen in Parallele zu setzen. Am Schöpfungsmorgen hat Gott die Welt gleichsam wie in einem Keim, wie in einer lebendigen Zelle erschaffen, aus der sich dann das Universum in seiner Fülle in den Jahrmillionen der Erdgeschichte entwickelt und entfaltet hat, wie ein grosser Buchenbaum aus einer Buchecker.
Alles Leben, das wir gerade in diesen schönen Frühlingstagen draussen in der Natur erleben, hat seine Kraft aus diesem ersten Anfang. Der Ostermorgen ist aber der Anfang einer neuen Schöpfung. Diese beginnt ebenfalls wie in einem Keim, in einem Anfang, der das Alpha ist. Dieses Erste, dieses Alpha ist kein Mythos, keine Legende, keine Ideologie. Daraus entwickeln sich keine Wirklichkeiten.

Dieses Erste, dieser Punkt Alpha, ist Jesus Christus selbst, der Gekreuzigte und Auferstandene, der nicht nur das Leben hat, sondern in seiner Person das Leben ist: unerschöpflich, unermesslich, unbesiegbar. Dieses neue österliche Leben, das im auferstandenen Christus wie in einem Keim in unerschöpflicher Fülle enthalten ist, entfaltet sich über die Räume und Zeiten vom Punkt Alpha zum Endpunkt Omega, bis dieses neugeschenkte Leben am Jüngsten Tag in der Auferstehung der Toten und in dem neuen Himmel und der neuen Erde zur Vollendung kommt, wie uns das letzte Buch der Bibel, die Apokalypse, bezeugt.

Wo immer jetzt ein Mensch durch die Taufe in Christus hineingetaucht wird, ist das ein Hineintauchen in seinen Tod und damit in seine Auferstehung. Dort wird ein neuer Mensch geboren. Dort empfängt er sein österliches Leben. Von diesem Tauftag an ist sein Leben mit Christus in Gott verborgen, wie es Paulus im Kolosserbrief schreibt: “Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott” (Kol 3,3).

Wo immer ein Mensch sich im Glauben an den auferstandenen Herrn wendet und seinen Namen anruft in der Feier der heiligen Eucharistie, sich in das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung hineinnehmen lässt, dort wird er teilhaft der Kraft und der Macht seiner Auferstehung, sodass er alle Not bestehen kann, wie ebenfalls der Osterzeuge Paulus sagt: “Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt” (Phil 4,13). Und wo immer ein Mensch im Herrn entschläft, da wird er nicht sterben, auch wenn er gestorben ist, sondern er wird leben in Ewigkeit.

Das ist die faszinierende Osterbotschaft, nach der die Menschheit eine unsterbliche Sehnsucht hat. “Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit” (Kol 3,4). Er wird dann “unseren armseligen Leib verwandeln in die Gestalt seines verherrlichten Leibes” (Phil 3,21), wie uns Paulus im Philipperbrief bezeugt.
Und wenn er mit grosser Macht und Herrlichkeit erscheinen wird, dann wird er alles neu machen. Es wird weder Klage noch Mühsal noch Trauer noch Tod sein. Der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und es werden sein ein neuer Himmel und eine neue Erde, eine neue Stadt, eine neue Schöpfung. Das ist alles nachzulesen in dem letzten Buch der Bibel, der Apokalypse (vgl. Offb 21,1-5a). Nur wenn dieser österliche Lebenshorizont in unserem Leben aufscheint, werden wir überzeugende Boten Christi unter unseren Zeitgenossen.

3. Ostern 2012: Wir stehen in der Zwischenzeit des ersten Ostertages und des letzten Ostertages, wir schauen rückwärts auf den Anfang, auf das Alpha, auf den Erstling der Entschlafenen; wir schauen vorwärts auf die Vollendung, auf das Omega, auf die Auferstehung der Toten, auf das Leben der zukünftigen Welt; wir schauen aufwärts zu dem, der zur Rechten Gottes sitzt. “Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische!” (Kol 3,2), schreibt Paulus.

Es geht um die Zukunft, um unsere Zukunft und um die Zukunft der Welt. Niemand kann mehr für seine Zukunft tun, als sein Leben im Herrn zu befestigen und an ihn zu glauben. Komme, was da kommen mag! Niemand kann mehr Positives für die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder tun, als sie durch Glauben, Taufe und Eucharistie in Kontakt zu bringen mit dem auferstandenen Herrn. Ostern ist der Geburtstag der neuen Schöpfung. Diesen Tag feiern wir. In einem Osterhymnus heisst es: “Erschienen ist der herrlich Tag, dran niemand genug sich freuen mag”. Dieser Tag bestimmt unser Leben als Christen und setzt sich in unserer Gesellschaft fort, indem wir Christen das ganze Jahr hindurch jeden Sonntag feiern, der immer Auferstehungstag ist und darum auch “Christustag” heisst.

Auf die Frage eines Kindes in der Schule, das aus einer glaubenslosen Familie in der damaligen DDR kam, was Christen für Leute sind, liess die Lehrerin ein anderes sich meldendes Kind antworten: “In unserem Hause wohnen Christen. Sie sind Osterleute, die jeden Sonntag in die Kirche gehen und mit fröhlicheren Gesichtern wieder zurückkommen, als sie vorher hingegangen sind”. Sollte das nicht auch für uns gelten? Sie kommen mit fröhlicheren Gesichtern vom Osterchristus zurück als sie zu ihm hingegangen sind!

Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner Erzbischof von Köln

Vatikan:  Messbuch
KathTube: Ostersonntagsmesse Papst Benedikt XVI.
Osterbotschaft2012 Markus Bischof Büchel der Diözese St. Gallen

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