Ökumenegipfel zeigt wesentliche Gemeinsamkeiten auf

Eine strategische Allianz zwischen Katholischer Kirche und Orthodoxie:
Metropolit Hilarion und Kardinal Kurt Koch

Rom/Würzburg, 19.03.2011, zenit.org, Von Angela Reddemann

Es gäbe gerade angesichts der gemeinsamen Herausforderungen von Christen in der modernen Gesellschaft, die Chance einer “strategischen Allianz”, zwischen orthodoxer und katholischer Kirche, in der Verteidigung von Grundwerten wie Ehe und Familie, erklärte  Metropolit Dr. Hilarion Alfejew,  Vorsitzender des Aussenamtes des Moskauer Patriarchats, heute in Würzburg. Gerade die neuen Formen von Christenverfolgung seien ein Anlass dafür. Metropolit Hilarion begegnete in Würzburg Kardinal Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Dieses hochkarätige katholisch-orthodoxe Ökumenetreffen fand am heutigen Josefstag auf dem Kongress Weltkirche von Kirche in Not statt.

Bei dem Gespräch unter dem Titel “katholisch-orthodoxe Annäherung zwanzig Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion” wurde klar, dass es angesichts des Wertezerfalls des ehemals christlichen Europas darauf ankäme, das Christentum als eine Kirche in der Nachfolge Christi zu stärken. Ein grosser Schwachpunkt sei heute eine “innere Zersetzung” des Christentums, die Aufgabe traditioneller Positionen und eine zusehende Relativierung christlicher Werte, so Hilarion.

Kurienkardinal Koch begrüsste die Rede von der “strategischen Allianz”, man müsse über den Namen aber noch ein wenig diskutieren, aber dies sei dennoch die Vorgabe eines Weges. “Die Einheit ist nicht etwas, das wir machen könne, auch nicht etwas, das wir selber schaffen können”, erklärte der schweizer Ökumeneexperte.

Dennoch überwiege die Freude über “das neugeborene Kind (gemeinsamer Verpflichtungen), auch wenn man noch nicht weiss, welchen Namen man ihm geben soll”. Ökumene sei kein Selbstzweck sondern eine Antwort auf die Vorgabe Jesu, bekräftigte Koch.

Es gäbe viele gemeinsame Sorgenfelder der christlichen Kirchen, sagte Metropolit Hilarion, auch angesichts der wachsenden islamischen Bevölkerung; aber: “Wir müssen nicht den starken Islam fürchten, sondern das schwache Christentum”, zitierte Metropolit Hilarion seinerseits seinen Mitbruder, Kurienkardinal Koch.

Eine solche öffentliche Begegnung der beiden höchsten Ökumene-Vertreter der katholischen und russisch-orthodoxen Kirche ist in dieser Form einmalig. Für Kardinal Koch, ist sie die Frucht einer historischen Annäherung in der jüngsten Kirchengeschichte, die „das Gift” aus der gestörten Beziehung zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Christenheit genommen habe.

Es ginge darum eine “Zwischenbilanz” zu ziehen, erklärte Stefan Baier, Redakteur der in Würzburg erscheinenden katholischen Tageszeitung “Die Tagespost”. Auch wenn ein Treffen des Papstes mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen derzeit nicht auf der Tagesordnung stünde, so gäbe es doch grosse Zeichen der Annäherung hatte der Präsident des Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch am Donnerstag erklärt, als er von einem Treffen mit dem russischen-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. aus Moskau kam.Kyrill I. zolle seinen Respekt für Papst Benedikt XVI., weil dieser kirchliche Traditionen verteidige, so Kardinal Koch.

Wer das Interviewbuch von Papst Benedikt XVI. mit Peter Seewald gelesen hat, der weiss, dass Benedikt nicht nur dort vom russischen Patriarchen als einen Freund spricht.

“Um das heutige Verhältnis der katholischen Kirche und der Orthodoxen verstehen zu können, müssen wir einen Blick auf die 1000 jährige Geschichte werfen, die zu einer wachsenden Entfremdung geführt hat”, bekräftigte Kardinal Kurt Koch.

Die erste Dekade 1980-1990 habe zu einer Konvergenz angesichts der Frage nach der Anerkennung von Sakramenten, Taufe, Priesterweihe und Eucharistie geführt. Danach habe sich die gemischte Kommission für den katholisch-orthodoxen Dialog mit der Frage des Primates des Bischofs von Rom beschäftigt. Für die orthodoxe Seite sei dieser absolute Primat so etwas wie “eine Störung” der Einheit zwischen der Beziehung von Amtsordnung im rechtlichen Sinne und der gültigen Spendung der Sakramente.

“Die beiden Lungenflügel” der Kirche hätten sich auf Grund der Divergenzen nicht gemeinsam entwickelt, sondern getrennt, so die Analyse von Kardinal Koch in Anspielung auf das berühmte Wort von Papst Johannes Paul II., der in verschiedenen Ansprachen gemeint hat, dass Europa, wenn es wieder ein vollständiges Europa sein wolle, mit beiden Lungenflügeln atmen müsse, wobei er sich auf den Osten und Westen bezog.

Für Koch gehört dazu auch die Entstehung verschiedener “autokephaler” Kirchen. Damit es zur vollen Einheit komme, müsse es noch viele “Atemübungen” geben, so sein Fazit.

Die Frage spitze sich deshalb nicht nur in der Frage des Primates des Bischofs von Rom zu. Ohne Papsttum wäre die lateinische Kirche auch in National- oder Rituskirchen aufgeteilt worden. Papst Benedikt XVI. habe schon als Theologe in den 70er Jahren vorgeschlagen, dass von den orthodoxen Kirchen nicht mehr Einheit gefordert werden solle, als in den ersten Jahrhunderten, vor der Teilung vorhanden gewesen sei. Die Sicht des Papstes sei eine sehr entgegenkommende theologische Basis für das im Willen des Herrn geforderte Miteinander.

“Weil der eine Leib des Herrn nicht geteilt werden kann”, so Kardinal Koch. “Auch in Zukunft werden wir, was die Fragen der Ökumene angeht nicht arbeitslos sein.”

Erst Ende Januar erklärte Papst Benedikt XVI. beim Empfang von dreissig Mitglieder der Gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen: “Wir müssen fest darauf hoffen, dass unsere theologischen Überlegungen unsere Kirchen nicht nur dazu bringen, sich selber besser zu verstehen, sondern auch entschieden den Weg hin zur vollen Einheit, zu der wir durch den Willen Christi gerufen sind, weiterzugehen”.

Die Kommission war auf Grund einer Initiative von Kirchenführern der Familie der orthodoxen Kirchen des Osterns und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen im Jahr 2003 entstanden. Die gemischte Kommission setzt sich aus je 30 Mitgliedern aus der katholischen und den orthodoxen Kirchen zusammen.

“In den letzten zwanzig Jahren waren die Beziehunen zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche ernsthaften Belastungen ausgesetzt”, so Hilarion, der Mauerfall 1989 habe “die alten Diskrepanzen zwischen dem Katholizismus und der Orthodoxie freigelegt”, so der Vertreter des orthodoxen Moskauer Patrichates. 1980-1988 “tatsächlich der konsequenten Erörterung der Sakramente und der Anerkennung der Ämter gewidmet”, erklärte er. Erst danach habe man über das reale Leben gesprochen und sich dem “Uniatismus” gewidmet, also der Suche nach der vollen Einheit, im Sinne einer einzigen Kirche.

Die Einheit, so habe man festgestellt, könne keine Rückkehr in die alten Zustände sein. “Wesentliche Halterungsänderung der katholischen Kirche gegenüber der Orthodoxie”. Es gäbe eine Übereinstimmung in den Grundprinzipien in den Aussagen von Dominus Iesu und in dem im Jahr 2000 vom Moskauer Patriachat veröffentlichten Grundsatzpapier über die zentrale Rolle der christlichen Glaubensgemeinschaft und ihre christozentrischen Orientierung.

“Nach einer ziemlich langen Pause ist es uns gelungen, zum Dialog zurückzukehren”, so Hilarion. Angesichts der Ämter und Strukturfrage habe man festgestellt, dass “ein unbefangenes Studium dieser Frage noch eine längere Zeit benötigt”.

“Auch wenn wir strukturell nicht eine Kirche sind, können wir dennoch Formen der Zusammenarbeit finden, die uns hilft, die christliche Identität Europas und seiner christlichen Kultur zu verteidigen. Auch die Haltung der katholischen Kirche zum Kruzifix-Urteil des Strassburger Gerichtshofes der EU teile man, so Hilarion, der Erzbischof von Wolokolamsk ist. Am schlimmsten sei die Lage der Christen im Irak, so der Moskauer Kirchenführer, der auf einige aktuelle Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Iran und in Indien hinwies. Zudem unterstütze man die Erklärungen des Eu-Parlamentes über die zunehmende Gewalt gegen Christen.

Die europäischen Bischöfe beklagten im Februar das Scheitern einer gemeinsamen Erklärung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union zur Verurteilung der religiöser Verfolgung und der Gewalt gegen Christen. Damals trafen die 27 Außenminister der Europäischen Union zusammen, um verstärkte Massnahmen zur Förderung der Religionsfreiheit zu erörtern, nachdem andere europäische Institutionen ähnliche Schritte vorgenommen hatten.

Am 20. Januar hatte das Europäische Parlament eine 19-Punkte-Entschliessung zur “Lage der Christen im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit” und am 24. Januar die Parlamentarische Versammlung des Europarates eine 17-Punkte-Empfehlung zur “Gewalt gegen Christen im Nahen Osten” verabschiedet.  Er habe bewusst das Wort “strategische Allianzen” gewählt, ein politisches Wort, kein theologisches Wort. Das Uniatentum habe so aus der Sicht des Moskauer Patriarchates keine Zukunft. Wir müssen kämpfen nicht gegen die Euthanasie sondern für die Würde des menschlichen Lebens. Wir müssen kämpfen dafür, dass unsere Bevölkerung wächst, so Metropolit Hilarion, der die Kinderfeindlichkeit Europas anprangerte.

Kurienkardinal Koch fand sich bei diesen Anliegen voll wieder und wünschte sich gleichzeitig in der katholischen Kirche, insbesondere der deutschsprachigen, eine solche klare Linie in grundlegenden Fragen des Lebensrechtes und der Wertevorstellungen finden zu können.

“Ich hätte es vor 20 Jahren nicht träumen können, sie beide als höchste Ökumenevertrteter hier zu Gast zu haben. Wenn alle Vertretungen so wären wie sie und dieses wertschätzende Publikum hier, gäbe es gewiss weniger Probleme”,  so Antonia Willemsen, Vorsitzende von Kirche in Not Deutschland und ehemalige Generalsekretärin des internationalen Hilfswerkes vor 1600 Teilnehmern und dutzenden von Medienvertretern, die beiden Vertretern brandende Ovationen zollten. Ein Erfolg mehr für eine Ökumene mit Herz.

PS Bild:  Der Aussenamtsleiter des Moskauer Patriarchats, der russisch-orthodoxe Metropolit Hilarion Alfejew (links) und Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, beim Kongress “Treffpunkt Weltkirche” in Würzburg

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