Pater Stephan Horn: Der Papst bewahrt seine innere Kraft
An diesem Samstag ist der Schülerkreis mit seinem Lehrer, Papst Benedikt XVI. zusammengetroffen
Rom, Radio Vatikan, 2. September 2012
Der Schülerkreis, den der ehemalige Professor Joseph Ratzineer nach wie vor einmal jährlich um sich versammelt, geht an diesem Sonntag seinem Ende zu. Seit Donnerstag sind hochkarätige Professoren und Theologen aus aller Welt in Castel Gandolfo versammelt, wo sie im Gespräch mit ihrem Professor wieder selbst zu Schülern werden können.Wir waren in Castel Gandolfo, um die Mitgleider des Schülerkreises zu treffen. Gudrun Sailer hat mit Pater Stephan Horn, Sprecher des Schülerkreises, gesprochen.
An diesem Samstag ist der Schülerkreis mit seinem Lehrer, Papst Benedikt XVI. zusammengetroffen. Dieses Jahr ging es um die Ökumene mit den Lutheranern und den Anglikanern. Zu welchen Ergebnissen und Schlüssen sind Sie gekommen?
“Solche Gespräche haben eigentlich nicht die Aufgabe, zu Schlüssen zu kommen sondern dass man versucht, Wege zueinander zu finden und Dialoge zu führen. Es hat sich gezeigt, dass es gut ist, wenn man nicht auf der Stelle stehen bleibt, und noch viel weniger, dass man zurückkehrt zu einer grösseren Betonung der Gegensätzlichkeiten, dass man aber auch nicht sofort auf die endgültige Einheit blickt, da das die Gefahr in sich birgt, dass man enttäuscht wird. Das ist ja eine heute weit verbreitete Meinung, dass es heutzutage in den ökumenischen Gesprächen mit nichts weitergeht und da ist es eben doch sehr hilfreich zu betonen, dass man nicht vorschnell auf eine endgültige Einigung hinzielt, sondern die Schritte zu machen, die möglich sind.”
Haben Sie die Schritte auf dem Weg zu einer Einheit geortet?
“Nein, so systematisch sind wir nicht vorgegangen. Es gab auch drei Referenten, und zunächst stand im Vordergrund das Luthertum. Wir haben beispielsweise über die gemeinsame Geschichte zwischen Lutheranern und den Katholiken, die ja anfangs sehr schwierig war, gesprochen. man denke nur an die Religionskriege, die geführt worden sind und die zu einer dauerhaften Belastung geführt haben, weil sich viele Menschen der damaligen Zeit von den konfessionellen Fragen und auch den Kirchen abgewandt haben und statt des Glaubens das Denken gewählt haben. Dies nach dem Motto, die Kirchen könnten keine Orientierung geben, wenn sie in den Religionskriegen selbst so unchristlich gehandelt haben. Das Vertrauen in die Kirchen ist zurück gegangen. Eine der geäusserten Thesen war eben, dass das Versagen der Kirchen in den konfessionellen Streitigkeiten mit der Grund für die Säkularisierung, in der wir heute stehen, gewesen ist. Dass Gott also nicht mehr im Zentrum steht, sondern die Gesellschaft. und dass deshalb ökumenische Bemühungen dabei helfen könnten, die Säkularisierung zu überwinden.”
Religionskriege können wohl nicht rückgängig gemacht werden, die Wunden sind sehr alt. Wie kann man denn dennoch vorgehen?
“Man hat im Gespräch in besonderer Weise die Frage erörtert, ob nicht ein gegenseitiges Schuldbekenntnis eine Hilfe sein kann. Das ist ja auch ein grosses Thema des Papstes, dass er gelegentlich “Reinigung des Gedächtnisses genannt hat. Das heisst diese schmerzhaften Gegensätze neu zu bedenken und neu zu betrachten, Schuld einzugestehen und von da aus die Vergangenheit mit neuen Augen und Herzen anzusehen. Das belastende dieser Zwiespältigkeiten, die ja über Jahrhunderte in die Herzen eingedrungen sind, ist nicht einfach eine Sache, die gewesen ist, sondern das ist Gegenwart. Da muss man versuchen, das zu überwinden, etwa durch ein gegenseitiges Schuldeingeständnis. Da wäre beispielsweise das Lutherjubiläum ein guter Moment für dieses Eingeständnis, wie jemand vorgeschlagen ist, jemand anderer, der stark im ökumenischen Dialog engagiert ist, hat die Auffassung geäussert, dass es möglich wäre, über das Jahr hinweg mehrere Tage zu nehmen, wo man an Ereignisse erinnert, die den anderen verletzt haben.”
Gibt es denn auch so konkrete Vorschläge in Bezug auf die Ökumene mit den Anglikanern?
“In diesem Bereich wurde vor allem die Wahrheitsfrage betont. Man kann gewisse Konsenspapiere anfertigen und man kann gewisse Annäherungen suchen, was ja auch geschieht. Auf der einen Seite sind solche Gespräche der Anlass, nicht Kompromissformulierungen zu finden sondern nach der Wahrheit zu fragen. Dann wird dieser Dialog lauter und wichtig, auch wenn er nicht gleich zu einer Einigung führt. Der Heilige Vater hat sehr stark betont, dass der Dialog selbst sehr wichtig ist, dass es ein Dialog des Lebens ist, auch ein Dialog nach dem rechten Leben, auch wenn man vielleicht nicht gleich zu gewissen Zielvorstellungen kommt. Das ist wohl eines der Ergebnisse, das man aus dem Dialog mit den Anglikanern gezogen hat, dass man vielleicht nicht zu sehr auf Kompromissformulierungen hinzielt, sondern versucht, soweit dies möglich ist, die Wahrheitsfrage in den Raum zu stellen und auch wenn diese Frage nicht sofort gelöst werden, doch gerade in diesem Ringen um die Wahrheit und das rechte Leben und das rechte Leben, das rechte Verhältnis zueinander – dass dieser Dialog selbst das Fruchtbare ist.”
Diese Idee des gegenseitigen Schuldeingeständnisses – vielleicht auf im Zusammenhang mit dem Lutherjubiläum, war das ihrem Eindruck nach eine Idee, die dem Papst gefallen hat?
“Er hat zu dieser Frage eigentlich nicht Stellung genommen, aber man kann sagen, dass das Gespräch wirklich in einem gegenseitigen Wohlwollen und Einvernehmen geschehen ist, das war sehr ausserordentlich und befreiend. Man hat nicht über Einzelheiten diskutiert, aber diese Grundauffassungen sind nicht nur theoretisch im Raum gestanden, sondern man hat gespürt, dass in diesen grossen Fragen ein grosses Einvernehmen vorhanden ist.”
Mit Spannung erwarten die Ratzingerschüler stets die Rückschau des Papstes auf das vergangene Jahr.
Können Sie uns da eine Zusammenfassung geben, was war ihm denn besonders wichtig in den letzten zwölf Monaten?
“Er hat natürlich, wie er das gerne tut, über seine Reisen gesprochen. Er hat über die Reise nach Benin und die Glaubensfreude, die dort spürbar war, gesprochen. Er hat auch über den Besuch in Mexiko und Kuba erzählt. In Mexiko ist ihm natürlich besonders stark die Begegnung mit der Jugend im Gedächtnis geblieben. Etwa auf der Fahrt nach León, wo eine wichtige Begegnung gewesen ist – die Menschen sind über Kilometer hinweg an der Strasse gestanden und vielerorts auch gekniet. Das heisst, dass man nicht etwas Oberflächliches gesucht hat und dass man auch nicht ihn als Person gesucht hat, sondern ihn als Stellvertreter Christi angenommen hat. Das ist für ihn schon sehr eindrucksvoll gewesen.”
Hat er über die Gespräche mit der Piusbruderschaft etwas gesagt?
“Nein, das war im Augenblick kein Thema. Er hat von dem Treffen in Mailand gesprochen und dass er dort eine grosse Freude erlebt hat. Er hat gespürt, dass eine grosse Lebendigkeit in den Familien war, die auch zuversichtlich stimmen kann.”
Über lokale Dinge wie das Vorkommnis des Dokumentenschwunds hat der Papst wohl nicht gesprochen?
“Doch, er hat darüber geredet, und wir haben den Eindruck, dass er in einer grossen inneren Ruhe lebt und wenn diese Turbulenzen auch dagewesen sind, haben sie ihn offenbar nicht so getroffen, dass er nun fragiler wirken würde. Er arbeitet vielmehr wie immer und auch wenn es sicherlich belastend für ihn gewesen ist, hat ihn dieses Vorkommnis nicht aus der Bahn geworfen. Man hat den Eindruck, dass er die gleiche innere Kraft auch weiterhin hat, auch wenn das mit manchen Enttäuschungen verbunden gewesen sein muss.”
Was ist denn das Thema des nächsten Schülerkreises?
“Die Gottesfrage und die Säkularisierung. Der Heilige Vater ist sich dessen bewusst, dass diese Frage heute besonders wichtig ist, und deshalb hat er dieses Thema unter mehreren Vorschlägen ausgewählt.”
(Rom, Radio Vatican, 02.09.2012)
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