Der Wirtschaft ein menschliches Antlitz geben

Benedikt XVI. an die Stiftung “Centesimus annus”:

Auch die Welt der Arbeit, der Wirtschaft und des Unternehmens muss von der “caritas” geleitet sein. Die Bedeutung der Familie für die Neuevangelisierung. Von Armin Schwibach

Rom, kath.net/as, 15.10.2011

In der heutigen Zeit bedarf die Wirtschaft mehr denn je der Familie, um im Dienst der Person zu stehen. Dies bekräftigte Papst Benedikt XVI. am heutigen Vormittag vor den Teilnehmern einer Tagung, die die Stiftung “Centesimus annus” im Vatikan veranstaltet hatte. Die Tagung hatte sich auf die Problematik “Unternehmen und Familie” konzentriert.

Benedikt XVI. betonte, dass die Kirche keine Rezepte zur Lösung der Wirtschaftskrise habe. Die Christen jedoch stünden in der Pflicht, die Übel anzuzeigen, die Werte zu bezeugen und das Gemeinwohl zu fördern.

Familie und Arbeit seien privilegierte Orte für die Verwirklichung der Berufung des Menschen, so der Papst. In Krisenzeiten müsse die Wirtschaft stets das Interesse und den Schutz der Familie als der ersten Zelle der Gesellschaft im Auge haben. Benedikt XVI. unterstrich die Bedeutung des Apostolischen Schreibens “Familiaris consortio” (22. November 1981) des seligen Papstes Johannes Paul II., dessen 30. Jahrestag begangen werde und in dem die grundlegenden Aufgaben der Einrichtung der Familie festgehalten seien. Diese bestünden in der Bildung einer Gemeinschaft von Menschen, im Dienst am Leben sowie in der gesellschaftlichen und kirchlichen Anteilnahme. Die Grundlage dieser Funktionen sei die Liebe, zu der die Familie erziehe und heranbilde.

Die Liebe “steht an der Basis des Dienstes am Leben, der in der Kooperation gründet, die die Familie der Kontinuität der Schöpfung schenkt”, so der Papst weiter. Vor allem in der Familie werde die rechte Lebenshaltung im Bereich der Gesellschaft erlernt; auch die Welt der Arbeit, der Wirtschaft und des Unternehmens müsse von der “caritas” geleitet sein, “in der Logik der Unentgeltlichkeit, der Solidarität und der gegenseitigen Verantwortung”.

Solidarität bedeute vor allem, dass sich alle verantwortlich fühlten. Sie könne daher nicht an den Staat delegiert werden. In dieser Perspektive werde die Familie von einem reinen Gegenstand zum aktiven Subjekt, das fähig sei, das “menschliche Antlitz” in Erinnerung zu rufen, das die Welt der Wirtschaft haben müsse.

In der jetzigen schwierigen Situation bestehe leider eine Krise der Arbeit und der Wirtschaft, die von einer Krise der Familie begleitet werde. Anzeichen für dieses tiefgehende Missbefinden erkannte der Papst in den Konflikten, zu denen es in den Ehepaaren, zwischen den Generationen sowie zwischen den Zeiten für die Familie und für die Arbeit komme, sowie in der Beschäftigungskrise. Es handle sich dabei um Problematiken, die “eine komplexe Situation des Missbefindens erzeugen, die das soziale Leben beeinflusst”.

Aus diesem Grund bedürfe es einer neuen Harmonie zwischen Familie und Arbeit, zu der die Soziallehre der Kirche ihren wertvollen Beitrag leisten könne. Benedikt XVI. erinnerte daran, dass er in der Enzyklika “Caritas in veritate” hervorheben wollte, dass das Modell der Familie, das heisst das Modell der Logik der Liebe, der Unentgeltlichkeit und des Geschenks auf eine universale Dimension ausgeweitet werden müsse.

Sowohl der Markt als auch die Politik brauchten Menschen, die für das gegenseitige Geschenk offen seien. Wirtschaftliche Initiativen müssten, ohne den Profit zu leugnen, über die “Logik des Profits als Zweck an sich” hinausgehen.

Abschliessend unterstrich Benedikt XVI. die Rolle der Familie für die Neuvangelisierung. Die Familie sein nicht einfach der Adressart des seelsorglichen Wirkens, sondern dessen Protagonist. Sie sei dazu berufen, sich auf eigene und originelle Weise an der Evangelisierung zu beteiligen und das eigene Wirken als Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in den Dienst der Kirche und der Gesellschaft zu stellen.

Zur Stiftung “Centesimus annus”:

Die Stiftung “Centesimus annus pro Pontifice” ist eine gemeinnützige Einrichtung; ihre Ziele sind religiöser und wohltätiger Natur. Ausdrückliche Absicht ist es, am Studium und an der Verbreitung der christlichen Soziallehre mitzuarbeiten, wie diese insbesondere in der Enzyklika Papst Johannes Pauls II. “Centesimus annus” dargelegt ist.

Zur Verwirklichung der angegebenen Ziele fördert die Stiftung die Kenntnis der christlichen Soziallehre sowie die Information hinsichtlich der Tätigkeit des Heiligen Stuhls unter Personen, die durch ihren unternehmerischen und professionellen Einsatz qualifiziert sind. Sie fördert Initiativen zur Entwicklung der Präsenz und des Wirkens der katholischen Kirche in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Die Stiftung fördert des Weiteren die Spendengeld-Suche zur Unterstützung der Tätigkeiten des Apostolischen Stuhls.

Die Stiftung “Centesimus annus – Pro Pontifice” verdankt ihren Ursprung und Namen der Enzyklika “Centesimus annus”, die Papst Johannes Paul II. am 1. Mai 1991 promulgierte. Ein derartiger Bezugspunkt verweist auf die sie inspirierende Idee und ihr Ziel: eine besondere Verbundenheit mit der päpstlichen Lehre im sozialen Bereich und eine überzeugte Unterstützung für die zahlreichen karitativen Initiativen des Heiligen Vaters. Die Stiftung ist gleichzeitig als Stiftung “Pro Pontifice” qualifiziert, indem sie den Gefühlen der Bewunderung und des Dankes für das Wirken des Papstes als Meister und universaler Hirte entspricht. In der Tat, die konstante Verteidigung der menschlichen, religiösen, ethischen und sozialen Werte, die der Heilige Vater in Zusammenarbeit mit den Organismen der Römischen Kurie bekräftigt und fördert, stellt für die Menschheit ein unberechenbares Wohl dar und verdient die konkrete Unterstützung aller Menschen guten Willens.

Aus diesen vornehmlichen Gründen wollte eine Gruppe von Persönlichkeiten aus der Welt des Unternehmertums und der Finanz, die zunächst von Kardinal José Rosalio Castillo Lara und später von anderen eminenten Kardinälen koordiniert wurden, mit dieser Stiftung einen sichtbaren Ausdruck der Bande der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri geben und damit die Aktivität des Apostolischen Stuhls näher verfolgen sowie deren Kenntnis und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel begünstigen.

Die Gründer haben das Anfangskapital mit der Überweisung einer Summe pro capite als persönlichen Beitrag oder als Vertreter von Anstalten oder Institutionen verschiedener Natur gebildet. Ihnen folgten dann die Mitglieder, die in Übereinstimmung mit ihrem Ideal christlichen Lebens zur Mehrung der Aktivität der Institution sowie ihres Vermögens beigetragen haben.

Papst Johannes Paul II. hat die Stiftung mit dem Chirograph vom 5. Juni 1983 errichtet, und im Laufe dieser Jahre hat er die Entwicklung aufmerksam und dankbar verfolgt, wobei er ihr Audienzen und erhellende Botschaften über ihr Wesen und ihre Sendung vorbehalten hat.

Centesimus.annus: Enzyklika zum Hundertsten Jahrestag von Rerum novarum
Centesimus.annus Pro Pontifice: Stiftung
Rerum.novarum Enzyklika
Enzyklika Rerum novarum
Katholische.Soziallehre
Kompendium der Soziallehre
Familiaris.consortio: Über die Aufgabe der christlichen Familie
Caritas.in.veritate: Über die ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit

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