Mut zum Zeugnis

In den religiös erkaltenden Ländern Europas soll das Evangelium wieder verkündet werden

Die Tagespost, 14.10.2011, von Regina Einig

Mit einer Aussendungsfeier schlägt der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung an diesem Wochenende in Rom bei einem Kongress ein neues Kapitel in der kirchlichen Mission auf. In den religiös erkaltenden Ländern Europas soll das Evangelium wieder verkündet werden. 8 000 Teilnehmer aus Orden, geistlichen Bewegungen und kirchlichen Gruppen stehen dabei stellvertretend für die Vielfalt der Berufungen. Ein Angebot, das anzunehmen den Ortskirchen einigen Mut abverlangt, zwischen heimischen Konventionen und kirchlicher Tradition zu unterscheiden, Gemeinden und Diözesen für unbekannte Charismen zu öffnen, heilige Experimente zu wagen. Schon die Sprache dieses Kongresses dürfte deutschen Ohren kaum noch vertraut sein: Als sendungsbewusste Glieder einer missionarischen Kirche betrachten sich auch praktizierende Katholiken nicht ohne Weiteres, eher als eine Art Moderatoren. Oft kennen sie die Bruchlinien auf den Dialogfeldern über Strukturen und Glaube besser als die Inhalte des Glaubens selbst.

Benedikt XVI. hat den Gläubigen bei seinem Besuch in Deutschland ins Stammbuch geschrieben, dass eine erneuerte Kirche nicht zum Glaubens-Spartarif zu haben ist. Der Anspruch des Evangeliums lässt sich nicht durch dialektische Tricks wegrationalisieren. Auch die These vom Reformstau trägt nicht weit. Wer zuerst Veränderungen kirchlicher Strukturen zur Bedingung glaubwürdiger Nachfolge erhebt, betreibt einen nahezu menschenunwürdigen Reformkult. Das Heil jeder einzelnen Seele zu wollen, erlaubt letztlich keine machtorientierten Strategien.

Der Papst setzt nicht auf Strategie und Strukturen, sondern auf Personen mit Bekennerqualitäten. Dabei sind Beziehungsfähigkeit, Verbindlichkeit und Lernbereitschaft die missionarischen Talente, mit denen diese Gläubigen jeden Tag und beinahe allen Lebensumständen wuchern können: “Die Kirche in Deutschland wird die grossen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft bestehen und Sauerteig in der Gesellschaft bleiben, wenn Priester, Gottgeweihte und christgläubige Laien in Treue zur jeweils spezifischen Berufung in Einheit zusammenarbeiten; wenn Pfarreien, Gemeinschaften und Bewegungen sich gegenseitig stützen und bereichern; wenn die Getauften und Gefirmten die Fackel des unverfälschten Glaubens in Einheit mit dem Bischof hochhalten und ihr reiches Wissen und Können davon erleuchten lassen”, sagte Benedikt in Freiburg.

Etliche Teilnehmer des Neuevangelisierungskongresses in Rom haben sich innerkirchliche Akzeptanz durch Geduld und Gottvertrauen erworben. Kein Pastoralplaner hatte mit ihnen gerechnet. Manche, so die Jugendlichen von “Nightfever”, treten erfrischend unkonventionell auf. Sie verkörpern im positiven Sinn eine “von unten” gewachsene Kirche. Sich dem Gebet auszusetzen und andere persönlich für die Nachfolge Christi gewinnen zu wollen, kostet keinen Kirchensteuercent, kann aber – Vorsicht! – das eigene Leben auf den Kopf stellen. Denn wer weiss schon, wie ihn das alles selbst verändert und wer trennt sich gern von liebgewonnenen alten Denkmustern? Ist es also dieses “Risiko”, was viele deutsche Katholiken ängstlich bis ablehnend reagieren lässt, wenn der Papst als Krisenmedizin intensivere Glaubenspraxis und Mut zum Zeugnis verschreibt.

Nightfever Basel

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