Ein Plan gegen Antisemitismus

Neues Bündnis – Das Bündnis gegen Antisemitismus “D-A-CH gegen Hass” fordert konkrete Maßnahmen. Diesen Zielen haben sich zahlreiche Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschlossen

Quelle
Philipp Peyman Engel über den neuen Judenhass: Wie im falschen Film | Die Tagespost
Geschichte des jüdischen Volkes: Antisemitismus – Völker – Kultur – Planet Wissen
SRF-Dok über die Bedrohung durch Antisemitismus in der Schweiz
Jesus war Jude – Glaubenssache Online

27.09.2025

Patrick Peters

War es Friedrich Merz’ bislang beeindruckendster Auftritt als Bundeskanzler? Bei der Wiedereröffnung der Synagoge Reichenbachstraße in München kämpfte der CDU-Politiker mit den Tränen, als er in seiner Rede an die unmenschlichen Verbrechen der Nationalsozialisten an Juden erinnerte und sich über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland entsetzte: “Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr mich das beschämt: als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, aber auch als Deutscher, als Kind der Nachkriegsgeneration, als Kind, das aufgewachsen ist mit dem ‘Nie wieder’ als Auftrag, als Pflicht, als Versprechen.”

Das sind dringend notwendige Worte, denn die Situation für Juden in Deutschland ist spätestens seit dem 7. Oktober 2023 unerträglich. Auf propalästinensischen Demonstrationen wird regelmäßig schamlos zur Vernichtung Israels aufgerufen, Studierende jüdischen Glaubens werden an Universitäten drangsaliert, Zeichen des Judentums sollte man in vielen Städten Deutschlands besser nicht mehr offen tragen, und im Medien- und Kultursektor herrscht vielfach eine latent antisemitische Haltung unter dem Deckmantel der Kritik gegenüber der derzeitigen israelischen Politik vor. Oder statistisch ausgedrückt: Im Jahr 2024 wurden in Deutschland rund 6 240 antisemitische Straftaten polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das zweite Jahr in Folge und auf einen deutlichen Höchststand, circa 21 Prozent über dem Vorjahr. Die Gewalttaten darunter erreichten mit 173 ebenfalls einen traurigen Rekordwert.

Um dem Gespenst des Antisemitismus mehr Sichtbarkeit zu verleihen und sich offen gegen Hass und Hetze zu positionieren, hat das Bündnis gegen Antisemitismus “D-A-CH gegen Hass” unter der Schirmherrschaft von Charlotte Knobloch (Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern), Felix Klein (Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus) und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt. Der Münchner BWL-Professor Guy Katz hat den Fünf-Punkte-Plan initiiert und mit Unterstützung von Volker Beck, dem Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, entworfen.

Jüdisches Leben konsequent schützen

Der Hintergrund: “Judenhass ist in Europa wieder Alltag geworden – im Netz, auf den Straßen, in Klassenzimmern, Hörsälen und sogar in staatlichen Behörden”, kritisiert das Bündnis. Es haben sich bereits rund 200 jüdische Gemeinden, Organisationen und Kirchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dieser Forderung angeschlossen. Hinzu kommen prominente Einzelpersonen wie etwa die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller sowie die Schauspielerinnen Uschi Glas und Iris Berben. Die Initiative hat eine Petition gestartet, die jeder, der den neuen Plan gegen Antisemitismus unterstützen und fördern möchte, unterschreiben kann. In den ersten 24 Stunden sind bereits mehrere Tausend Unterschriften für die Petition zusammengekommen.

Der Plan richtet sich an die Politik und fordert konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus. Er sieht daher umfassende strukturelle Reformen vor, um jüdisches Leben in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu schützen. Da viele Menschen in Europa laut Guy Katz den Fünf-Punkte-Plan gegen Antisemitismus mit der israelischen Politik und dem Krieg in Gaza vermengten, steht zu Beginn ein klarer Satz: “Weder der Krieg in Gaza noch politische Entscheidungen in Israel können jemals ein Vorwand dafür sein, Jüdinnen und Juden in Deutschland und Europa zu hassen, anzugreifen oder auszugrenzen. Antisemitismus ist und bleibt in jeder Form inakzeptabel.”

Was also sieht der Plan genau vor? Der erste Punkt “Bildung und Begegnung stärken” fordert verbindliche Bildungsinhalte zu jüdischem Leben und Antisemitismus in der Ausbildung von Staatsbediensteten, insbesondere Lehrern, Polizisten und Richtern. Zudem sollen Antisemitismusbeauftragte an Hochschulen eingerichtet und Begegnungsprogramme mit Israel ausgebaut werden.

Vernichtungsaufrufe als Volksverhetzung ahnden

Der zweite Schwerpunkt “Recht und Schutz jüdischen Lebens sichern” sieht erhebliche rechtliche Verschärfungen vor. Aufrufe zur Vernichtung Israels sollen als Straftat erfasst und der Straftatbestand der Volksverhetzung erweitert werden, um auch Angriffe auf jüdische Bevölkerungsgruppen im Ausland zu erfassen. Boykottaufrufe gegen Israel, besonders an Hochschulen, sollen unterbunden werden. Die dritte Säule “Jüdisches Leben sichtbar und sicher im öffentlichen Raum verankern” zielt auf den umfassenden Schutz ab. Veranstaltungen mit antisemitischen Inhalten sollen konsequent untersagt und Synagogen sowie Gedenkorte durch Polizeischutz und städtebauliche Maßnahmen geschützt werden. Die jüdische Religionsfreiheit soll durch entsprechende Regelungen im Feiertagsrecht gestärkt werden.

Der vierte Bereich “Partnerschaften und jüdische Kultur fördern” fordert öffentliche Förderung jüdischer Kulturveranstaltungen und den Schutz von Städtepartnerschaften mit israelischen Städten vor politischem Druck. Öffentliche Gelder sollen nicht mehr an antisemitische Projekte fließen, während die wissenschaftliche Kooperation mit israelischen Institutionen ausgebaut werden soll. Abschließend fordert “Monitoring ausbauen – grenzüberschreitend handeln” den Ausbau des European Network for Monitoring Antisemitism und verstärkte internationale Vernetzung von Polizei, Justiz und Bildungsinstitutionen unter Einbindung israelischer Partner, um eine koordinierte Bekämpfung des Antisemitismus zu gewährleisten.

Bei der Vorstellung des Plans fand unter anderem Charlotte Knobloch deutliche Worte. Das jüdische Leben in Deutschland stehe vor einer radikalen Veränderung, denn der wachsende Judenhass zerstöre und spalte. “Diese Themen habe ich schon einmal erlebt”, sagte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Und Hauptinitiator Guy Katz stellte heraus, dass die Bundesregierung bereits viel angekündigt habe, aber diese Pläne müssten nun auch umgesetzt werden, unter anderem durch den rechtlichen Schutz jüdischer Feiertage und eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von Aufrufen zur Auslöschung Israels. Solche öffentlichen Äußerungen würden bislang nicht durch den Volksverhetzungsparagrafen sanktioniert.

Der Autor arbeitet als Journalist.

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