Wird Leo XIV. zum Gegenpol Trumps?

In den USA ist die politische Deutung des künftigen Pontifikats bereits in vollem Gange. Manche kommen zu schnellen Urteilen, doch entzieht sich Robert Francis Prevost dem Schubladendenken

Quelle
Urkunde dokumentiert Annahme der Wahl durch Leo XIV. – Vatican News

09.05.2025

Maximilian Lutz

Lange galt es als undenkbar, jetzt ist es Realität: Mit Robert Francis Prevost, der von nun an den Namen Leo XIV. tragen wird, wird zum ersten Mal ein US-Amerikaner Papst. Man mag es als mutiges Zeichen der papstwahlberechtigten Kardinäle oder als besonderen Fingerzeig des Heiligen Geistes betrachten: Der 69-Jährige besteigt den Stuhl Petri ausgerechnet in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten aufgrund der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps ohnehin schon unter dem kritischen Blick der Weltöffentlichkeit stehen.

So dauerte es am Donnerstagabend auch nicht lange, ehe der amtierende US-Präsident seine Glückwünsche in den Vatikan übermittelte: Es sei eine große Ehre für das Land, dass es zum ersten Mal einen amerikanischen Papst gebe, erklärte Trump über seine Social-Media-Kanäle. “Ich freue mich darauf, Papst Leo XIV. zu treffen. Es wird ein sehr bedeutender Moment sein.” Und auch der Vizepräsident J.D. Vance, der vor sechs Jahren zum katholischen Glauben konvertierte, schloss sich den Glückwünschen an: Er sei sicher, Millionen von US-Katholiken würden beten, “dass er die Kirche erfolgreich führt. Gott möge ihn segnen”.

Engerer Draht als zu Franziskus

Für die amtierende US-Regierung, die – anders als Trumps Vorgänger Joe Biden – die Bedeutung der Religion und insbesondere des christlichen Glaubens zumindest verbal immer wieder betonte, mag es von besonderer Bedeutung sein, dass nun ein Landsmann an der Spitze von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit steht. Während sowohl Trump wie Vance mit dem verstorbenen Papst Franziskus einige Differenzen aufwiesen und unter dem Strich eher ein angespanntes Verhältnis pflegten, könnten sich nun neue Türen öffnen. Der Draht zu dem in Chicago geborenen Augustiner Prevost dürfte schon allein aufgrund der Biografie enger sein als der zum peronistisch geprägten Argentinier Franziskus, der die US-Amerikaner mit einer grundsätzlichen Skepsis betrachtete und nie wirklich verstand – oder nicht verstehen wollte. Man kann sicher sein, dass der persönliche Austausch herzlicher ausfallen wird, als dies mit Franziskus der Fall war.

In den USA ist die politische Deutung des künftigen Pontifikats aber bereits in vollem Gange. Wird Leo XIV., der lange Zeit als Bischof in Peru wirkte, die Linie von Franziskus fortsetzen, insbesondere was den bedingungslosen Einsatz für Migranten angeht? Wird er einen diplomatischeren Umgang mit Trump anstreben als der argentinische Papst? Bildet sich eine neue Achse zwischen Washington und dem Vatikan? Oder wird Prevost eher einen Gegenpol zu Trump darstellen? Diese Fragen beschäftigen viele Katholiken in den USA derzeit.

Ein Portal spricht vom “Anti-Trump”

Manche kommen zu schnellen, oft kritischen Urteilen: So titelt das konservative US-Portal “Lifesitenews”, das in der Vergangenheit besonders durch Kampagnen gegen Franziskus auffiel: “Fünf besorgniserregende Dinge, die man über Leo XIV. wissen muss”. Und bezeichnet den neuen Pontifex sogleich als “Anti-Trump” und “ausgesprochenen Kritiker” der amtierenden US-Regierung. Tatsächlich sprach sich Prevost in der Vergangenheit gegen einige migrationspolitische Maßnahmen Trumps aus. Und auch in der von J.D. Vance angestoßenen Debatte um den sogenannten “Ordo amoris”, dem christlichen Konzept einer Rangordnung der Liebe vom Nahen zum Fernen, mit der der US-Vize die strikte Einwanderungspolitik begründet hatte, ergriff Prevost Partei für diejenigen, die Vance hier eine verzerrte Auslegung christlicher Glaubensprinzipien vorwarfen. Seine Wortmeldungen beschränkten sich jedoch auf wenige Posts auf einem unter seinem Namen geführten “X”-Account, wo er Zeitungsartikel, beispielsweise einen des jesuitischen “America Magazine” teilte, die Vance widersprachen.

Taucht man tiefer ein ins MAGA-Lager, fallen die Reaktionen noch heftiger aus: Die Influencerin Laura Loomer, die leidenschaftlich für Trump wirbt, postete auf “X”: “Er ist Anti-Trump, Anti-MAGA, für offene Grenzen und ein totaler Marxist wie Papst Franziskus”, Papst Leo XIV. sei “nur eine weitere marxistische Marionette im Vatikan”. Und Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege, hatte noch vor dem Konklave erklärt, er glaube, dass Kardinal Prevost “eines der dunklen Pferde” sei – und leider einer der progressivsten Kandidaten.

Amerikas Katholiken, die mehrheitlich konservativ geprägt sind und bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr mehrheitlich für Trump stimmten, hatten für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein US-Amerikaner zum Papst gewählt werden würde, wohl eher andere Namen auf dem Wunschzettel. Allen voran den New Yorker Kardinal Timothy Dolan. Der 75-Jährige ist bekannt dafür, mit Trump ein nahezu freundschaftliches Verhältnis zu pflegen. Auch sparte er nicht mit Kritik an einem radikal progressiven gesellschaftspolitischen Kurs der Biden-Regierung. So war es kaum überraschend, als Trump wenige Tage vor dem Konklave Dolan als seinen Favoriten auf das Papstamt bezeichnete – ehe er dann ein KI-generiertes Bild von sich selbst als Pontifex teilte, für das er von Katholiken teils deutliche Kritik einstecken musste – auch von Kardinal Dolan.

Leo XIV. wird eigene Schwerpunkte setzen

Prevost nun als exponierten Vertreter eines progressiven Flügels innerhalb des US-Episkopats zu bezeichnen, dürfte der Realität aber nicht gerecht werden. Wenn überhaupt, nahm er zu pastoralen und lehramtlichen Streitfragen bislang nur verhalten Stellung. Zudem teilte er auf dem ihm zugeschriebenen “X”-Account auch Artikel, die sich kritisch mit der Abtreibungspolitik der Demokraten befassten.

Den Mann, der nun die katholische Kirche als Leo XIV. führen wird, in die Schublade “Anti-Trump” einzusortieren, ist eine sehr amerikanische, sehr politisierte Herangehensweise an das neue Pontifikat, die jeglichem Sinn für die zuvorderst geistliche Dimension des Papsttums entbehrt. Ähnliches gilt für diejenigen, die nun schon den Stempel “Franziskus-treu” oder “progressiv” auspacken. Schließlich ist Robert Prevost noch nicht einmal 24 Stunden Papst. Leo XIV. wird in den nächsten Monaten und Jahren ganz eigene Schwerpunkte setzen, die man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhersehen mag. Ob diese dann für oder gegen Trump sein mögen, wird ein – aber sicher nicht der entscheidende – Aspekt dieses Pontifikats sein.

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