Kardinal Koch: “Wach sein!”

Der Advent erinnert die Kirche an das, was sie immer sein soll: Wachsam für das Kommen Gottes

Quelle
Kardinal Kurt Koch (386)

02.12.2023

Kurt Kardinal Koch

“Seht euch vor und bleibt wach!” Mit diesen Worten Jesu im Evangelium eröffnet die Liturgie der Kirche die Adventszeit. Im Mittelpunkt des Evangeliums steht dabei die Wiederkunft Jesu Christi am Ende der Zeiten, weshalb die Adventszeit in der frühen Kirche das Kirchenjahr abgeschlossen hat. Erst mit der Konzentration auf das Gedenken des ersten Kommens Christi in unsere Welt in seiner Geburt ist die Adventszeit an den Beginn des Kirchenjahres gerückt worden. Ob die Adventszeit nun den Abschluss oder den Beginn des Kirchenjahres darstellt – entscheidend ist auf jeden Fall, dass das Kommen Jesu Christi die Kernmitte dieser Zeit bildet. Und dieses Kommen verlangt höchste Vorsicht und deshalb Wachsamkeit.

Mit der Aufforderung zur Wachsamkeit verbindet sich für den heutigen Menschen allerdings schnell das Gefühl des Warten-Müssens; und dieses Stichwort löst nicht nur positive Assoziationen aus. Wir erinnern uns zum Beispiel an die eigenartige Situation im Wartezimmer eines Arztes, vor allem an die nur langsam verstreichen wollenden Minuten, bis wir in das Sprechzimmer geführt werden. Bei solchen Erfahrungen verliert das Warten schnell den Charakter einer Tugend; vielmehr verbindet sich mit diesem Stichwort schnell dasjenige des Nichts-Tuns und einer lähmenden Langeweile.

Anwesenheit Gottes

Das Evangelium führt uns aber vor Augen, dass es beim christlichen Advent in erster Linie nicht um solches Warten und überhaupt nicht ums Warten geht. Denn Advent heisst nicht “Erwartung”, sondern ist die lateinische Übersetzung des griechischen Wortes “parousia”, das “Ankunft” bedeutet. In der antiken Welt ist es der Fachausdruck für die Anwesenheit des Königs gewesen, wenn er den Seinen die Zeit seiner “Parusie”, seiner Gegenwart geschenkt hat.

Auch im christlichen Verständnis geht es um eine Ankunft, nämlich um das Kommen und die Anwesenheit Gottes in unserer Welt. Und sie ist schlechthin entscheidend: Während sich beim Stichwort des Wartens alles um unsere menschliche Aktivität oder Inaktivität dreht, wird beim Stichwort der Ankunft die ganze Aufmerksamkeit auf Den gerichtet, Der im Kommen ist. Nur wenn das Kommen Gottes im Mittelpunkt steht, ist christlicher Advent.

Wachsamkeit verlangt

Solcher Advent verlangt von uns höchste Wachsamkeit. Denn wachsam sein bedeutet viel mehr als allein Warten. Es ist ein intensives Warten, mit dem wir in schöpferischer Weise auf die Ankunft Gottes zugehen. Das heutige Evangelium legt uns ans Herz, dass wir Christen nicht nur während vier Wochen, sondern immer im Advent leben. Denn die Kirche ist eine durch und durch adventliche Gemeinschaft, die wachsam für das Kommen Gottes ist.

“Text unter der Lupe”

Jesaja 63, 16–64, 7
1 Korinther 1, 3–9
Markus 13, 24–37

Zu den Lesungen des ersten Adventssonntags 2023 (Lesejahr B)

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