Unser Sonntag: Palmsonntag
Der Palmsonntag, so Kurt Kardinal Koch, macht deutlich, dass sich Jesus entschieden hat, dem Erlösungsprogramm Gottes mit all seinen radikalen Konsequenzen treu zu bleiben. Und wir? Wer stimmt nicht gern in das Hosianna des Einzugs in Jerusalem ein, um dann gleich das Halleluja von Ostern zu singen – vor dem “Kreuzige ihn” des Karfreitags zurückschreckend
Quelle
Unser Sonntag: Das grosse Geschenk der Sündenvergebung
Heilige Woche 2022 (vatican.va)
Der Palmsonntag als Weg-Kreuzung – Im Schicksal Jesu und im Leben des Christen
Kurt Cardinal Koch
Auf Wanderungen kann es leicht geschehen, dass man plötzlich vor einer Weg-Kreuzung steht, an der man sich entscheiden muss, in welche Richtung man weitergehen will. In einem übertragenen Sinn gibt es auch im menschlichen Leben immer wieder solche Wegkreuzungen, an denen das Leben eine andere Wendung nimmt und wir vor grundsätzliche Entscheidungen gestellt sind. Vor einer solchen Wegkreuzung stehen wir Christen mit dem Palmsonntag. Er bildet die Ouvertüre der Heiligen Woche, in der wir Christen am Drama des Leidens, Sterbens und Auferstehens Jesu Christi gläubig teilnehmen und es nachvollziehen. Damit wir dies in rechter Weise tun können, müssen wir zunächst auf Jesus schauen. Denn der Palmsonntag ist in erster Linie eine elementare Wegkreuzung im Leben Jesu.
Wegkreuzung im irdischen Schicksal Jesu
Am Palmsonntag zieht Jesus in die Stadt Jerusalem zur Tempelreinigung ein, die das Abbrechen des Tempels symbolisch darstellt und die seinen eigenen Tod herbeiführen wird. Jesus steht damit vor der grundlegenden Entscheidung, ob er der ihm von seinem himmlischen Vater gewiesenen Richtung seiner Sendung für die Erlösung der Menschen treu bleiben wird oder ob er seinem Leben eine Wende geben will, an deren Ende nicht mehr die Erlösung der Menschen, sondern seine eigene Grösse stehen würde.
Der Palmsonntag führt uns vor Augen, dass sich Jesus entschieden hat, nämlich für den Weg der bleibenden Treue zum Erlösungsprogramm Gottes mit allen seinen radikalen Konsequenzen. Dieser Weg der Erniedrigung und der Niedrigkeit kommt am deutlichsten zum Ausdruck im Einzug Jesu in Jerusalem auf einem Esel. Denn der Esel ist das gewöhnliche Reit- und Lasttier der armen Leute. Wenn Jesus nicht auf einem Pferd, das auch für Kampf und Krieg geeignet ist, sondern auf einem Esel und dazu noch auf einem, der ihm selbst nicht einmal gehört, in die Stadt Jerusalem reitet, dann wird unmissverständlich sichtbar, dass sein Lebensprogramm nicht in Macht und Triumph besteht, sondern in Ohnmacht und Erniedrigung. Diesen Weg wählt Jesus dabei deshalb, weil es auch der ewige Weg Gottes mit uns Menschen ist. Denn im Herzen Gottes will sich unsere Erlösung nicht in erdrückender All-Macht, sondern in mitleidender Ohn-Macht ereignen.
“Im Herzen Gottes will sich unsere Erlösung nicht in erdrückender All-Macht, sondern in mitleidender Ohn-Macht ereignen”
Was der Evangelist Lukas mit der Schilderung des Einzugs Jesu in Jerusalem uns nahe bringen will, dies verdichtet Paulus in seinem Brief an die christliche Gemeinde in Philippi zu einer einzigen göttlichen Bewegung: Jesus Christus “war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäusserte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tode am Kreuz” (Phil 2, 6-8). Wenn wir diese tiefen Worte in unser Herz eindringen lassen, dann werden wir nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen nachvollziehen können, warum die Kirche diesen vorpaulinischen Christushymnus, den Paulus in seinen Brief aufgenommen hat, in den Mittelpunkt der Liturgie der Kartage gestellt hat. Denn in ihm ist das ganze Ostergeheimnis und damit auch das Geheimnis des Erlösungsgeschehens im Kern enthalten.
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