Wer Ohren hat, der höre *UPDATE
Wenn eine Frau im Dom die Kirchen-Reform ausruft
Quelle
Lk.18.8: Wird Jesus, wenn er wiederkommt noch Glauben vorfinden?
Joachim Kardinal Meisner: Beiträge
Wer Ohren hat, der höre
Man hätte in jenem Moment gern das Gesicht des Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, gesehen. Müller sass unter den Ehrengästen bei der Amtseinführung des neuen Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki und musste dort wortlos mit anhören, wie Sylvia Löhrmann – stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken – von der Kanzel des Kölner Doms aus gleichsam die reformierte katholische Kirche ausrief. Die Offenheit, für die Rainer Maria Woelki als Erzbischof in Berlin gestanden habe, passe “zu einer neuen modernen katholischen Kirche, wie Papst Franziskus sie versteht”, sagte Löhrmann. Dabei gehe es unter anderem um die Rolle der Frau in der Kirche, um alternative Partnerschaftsformen und den Dialog mit anderen Religionen. Somit hatte die Grünen-Politikerin Kardinal Woelki vor den Augen und Ohren des obersten katholischen Glaubenswächters unmissverständlich dem Lager der Reformer zugerechnet.
Der atmosphärische Wandel im Dom war bei diesem Pontifikalamt fast mit Händen zu greifen. So wurde ungewöhnlich viel gelacht und geklatscht – zum Beispiel, als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, zum Alterzbischof Joachim Meisner sagte: “Langweilig war es mit dir nie!”
Die Katholiken erwarten mehr
Was Woelki betraf, waren es weniger seine Aussagen selbst als die bescheidene Art seines Auftretens, die den Beginn einer neuen Zeit anzukündigen schien. Einmal hatte er vergessen, sich die Bischofsmitra wieder aufzusetzen, und musste erst daran erinnert werden. Von der kleinen Szene ging die Botschaft aus: Der Pomp des Amts scheint diesem grossen schlaksigen Mann eher lästig zu sein. “Kirche ist keine geschlossene Gesellschaft”, sagte er. “Unser Auftrag ist es hinauszugehen.”
Eine Stunde vor Beginn des Pontifikalamts sass Woelki noch mit einem Kaffee in der Hand beim Obdachlosenfrühstück. Als er am Donnerstag mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zusammentraf, bat er um eine erleichterte Familienzusammenführung syrischer Flüchtlinge.Mit solchen Aktionen ist er schon dabei, sich als der gute Mensch von Köln zu etablieren.
Und doch erwarten die meisten Katholiken eindeutig mehr, denn ihre Kirche ist ja nicht nur eine Sozialagentur. Das Erzbistum hat es vor einem Jahr in einer Umfrage selbst dokumentiert: Wenn es um wiederverheiratete Geschiedene, schwule Partnerschaften oder Sex vor der Ehe geht, dann ist es nicht etwa so, dass nur eine Mehrheit der praktizierenden Katholiken mit der Lehre der Kirche nichs anfangen kann.
Nein, das Ergebnis der Umfrage war noch viel eindeutiger: Es gibt inzwischen fast niemanden mehr, der hier noch auf der offiziellen Linie liegt. In einer modernen Grossstadt wie Köln wirken die Standpunkte der Kirche etwa zur Sündhaftigkeit von Sex unter Männern nur noch verstörend.
Ob es Woelki wirklich gelingt, die Zahl der Kirchenaustritte zu verringern und wieder neues Leben in die vielen vergreisten Gemeinden zu bringen, dürfte deshalb wesentlich von den bevorstehenden Bischofssynoden in Rom zu Fragen wie Scheidung, Abtreibung und Schwulenehe abhängen. Präfekt Müller hat sich dafür schon in Stellung gebracht: Er ist gegen jede Aufweichung der Lehre. Wenn es nach ihm geht, dürfen Geschiedene zum Beispiel weiter nicht zur Kommunion gehen. Sollten sich Müller und seine Gesinnungsbrüder durchsetzen, könnte Woelkis Herde – trotz aller guten Taten – in einigen Jahren noch einmal deutlich kleiner geworden sein.
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