Credo: Die Wahrheit kennt keine Kompromisse

Was in der Politik eine Tugend ist, ist in der Kirche gefährlich: die Suche nach Kompromissen. Das erklärt auch, warum es keine konservativen oder liberalen Katholiken gibt

Quelle
Credo: Biblische Vielfalt
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Der evangelische Theologe Sebastian Moll wurde katholisch

Um gleich vorweg Missverständnisse auszuräumen: Selbstverständlich gibt es konservative und liberale Katholiken. Es gibt sie, so wie es dicke und dünne Katholiken gibt. Man kann durchaus konservativ und katholisch sein, ebenso kann man katholisch und liberal sein. Aber man kann nicht auf konservative oder liberale Art katholisch sein. Dennoch sind derartige Wortpaare in der Berichterstattung immer wieder zu lesen. „Konservative Katholiken lehnen Synodalen Weg ab“, „Liberale Katholiken sind enttäuscht von Papst Franziskus“ und so weiter.

Begriffe wie „konservativ“ oder „liberal“ entstammen dem weltlichen Spektrum

Begriffe wie „konservativ“ oder „liberal“ entstammen dem weltlichen Spektrum, genauer gesagt dem politischen. Wenn diese Begriffe zur Verortung theologischer Standpunkte gebraucht werden, so liegt darin eine gefährliche Vermischung von geistlicher und säkularer Sphäre. Zum einen wird damit der Eindruck erweckt, als finde der jeweilige Standpunkt seine Begründung nicht in theologischer Besinnung, sondern einfach in der zufälligen Weltanschauung seines Vertreters, als habe beispielsweise ein Gegner der Frauenweihe nur ein altmodisches Frauenbild und nicht etwa fundierte Argumente dafür, dass nur Männer in persona Christi handeln können.

Zum zweiten entsteht durch die Politisierung der Kirche die Versuchung, mithilfe bestimmter Entscheidungen auf Mitgliederfang zu gehen. Eine Partei wie die CDU kann beispielsweise entscheiden, bisherige Positionen aufzugeben, um damit neue Wählerschichten zu erschliessen. Die Kirche hingegen kann so nicht agieren. Selbst wenn etwa die Weihe von Frauen der Kirche mehr Mitglieder zuführen würde – wogegen jedoch sämtliche Evidenz auf der evangelischen Seite spricht –, dann wäre dies noch immer kein sinnvolles Kriterium. Die Kirche ist Verwalterin der heiligen Sakramente. Was würde es nützen, wenn mehr Mitglieder die Sakramente empfingen, diese aber nicht wirksam gespendet werden können?

Streit mit dem Ziel der Wahrheitsfindung

Wer auf die Vielfalt der Lebensgeschichten in der Bibel pocht, um etwa Scheidung oder Homosexualität zu rechtfertigen, hat nicht genau hingeschaut. Warum man bei Vielfalt nicht einfältig sein sollte.

Schliesslich besteht bei einer politischen Sichtweise auf kirchliche Fragen immer die Gefahr einer Kompromisssuche. Ja, Sie haben richtig gelesen, hierin liegt eine Gefahr. Kompromissfähigkeit gehört zu den entscheidenden Tugenden der Politik, aber nicht der Kirche. Dass Menschen diesen Unterschied zuweilen nicht erkennen, liegt daran, dass sie das Konzept eines Kompromisses nicht verstehen. Kompromisse werden zwischen Interessen geschlossen, nicht zwischen richtig und falsch. Wenn beispielsweise Arbeitgeber und Gewerkschaften über das Lohnniveau diskutieren, so haben beide Seiten berechtigte Forderungen, zwischen denen ein Mittelweg gefunden werden muss. Zwischen Wahrheit und Irrtum ist ein derartiger Mittelweg jedoch nicht möglich. Um bei dem oben genannten Streitpunkt zu bleiben: Entweder können Frauen das Weihesakrament empfangen oder sie können es nicht. Wie sollte hier ein Kompromiss aussehen?

Innerhalb von Kirche und Theologie darf und soll um Themen gerungen und gestritten werden, aber stets mit dem Ziel der Wahrheitsfindung, nicht der Befriedigung persönlicher Vorlieben. Gerade deshalb sollten politische Begrifflichkeiten in diesem Kontext vermieden werden, sie sind wenig hilfreich und zumeist irreführend. Ein Katholik, der glaubt, man müsse die kirchliche Lehre der jeweils herrschenden Weltanschauung anpassen, ist nicht liberal. Er ist einfach nur dämlich. Ein Katholik, der sich an der Wahrheit orientiert, die gestern, heute und in Ewigkeit dieselbe war, ist und bleibt, ist nicht konservativ. Er ist einfach nur katholisch.

Die Reihe zu theologischen Denkfehlern wird im nächsten „Credo“ fortgesetzt

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