Personalpfarrei Hl. Maximilian Kolbe

Personalpfarrei Hl. Maximilian Kolbe für die ausserordentliche Form des römischen Ritus im Kanton Zürich

Personalpfarrei Hl. Maximilian Kolbe

Passionssonntag, 29. März 2020

Liebe Gläubige!

Nach uraltem Brauch sind in der Passionszeit die Altarkreuze verhüllt. Zwar ist es nicht üblich, auch in den privaten Wohnungen die Kreuze zu verhüllen. Weil es aber in diesen Tagen für viele nicht möglich ist, am heiligen Messopfer vor verhülltem Kreuz teilzunehmen, sei den Gläubigen empfohlen, in ihrer Wohnung an zentraler Stelle ein Kreuz zu verhüllen.

Stellen wir uns nun also im Geiste vor das verhüllte Kreuz und nehmen wir die Verhüllung ganz bewusst wahr! – Was sucht dein Auge? Fehlt dir etwas? Begnügst du dich mit der Oberfläche, oder suchst du darunter IHN, dessen Bild du hier verborgen weisst?

In der Logik der Liebe liegt es, dass man gerne anschaut, was man liebt. Der liebende Blick gehört zu den Dingen, die Liebende niemals verlernen sollten: nicht in einer Freundschaft, nicht in einer Ehe und auch nicht im religiösen Leben. Würde man den, den man liebt, zwar sehen, aber nicht wahrnehmen, so wäre das kein gutes Zeichen, denn daran stirbt die Liebe. Und würde man dort, wo der Anblick des Geliebten entzogen ist, nichts vermissen, wäre das bedenklich. Der liebende Blick nimmt wahr, und er verbindet. Wo der Geliebte fern und dem Blick entzogen ist, baut die Sehnsucht Brücken, überwindet Mauern und durchdringt Schleier.

Im religiösen Leben gibt es die Gefahr einer Gewöhnung im negativen Sinn. Mag man auch äusserlich dem Heiligen recht nahe sein, so kann man sich innerlich davon entfernen. Der Umgang mit dem Heiligen kann zu oberflächlicher Routine werden. Das betrifft in erster Linie jene, die dem Altar am allernächsten stehen, und das sind die Priester, aber auch all die Gläubigen, die selbstverständlich ihre Sonntagspflicht erfüllen. Vertiefung tut not, und zwar für jeden von uns, für alle Christen, denn was nicht vertieft wird, das verflacht.

An den Anblick des gekreuzigten Heilandes sollen wir uns niemals gewöhnen! Und auch an die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers auf dem Altar sollen wir uns nicht gewöhnen! Hier mag einer der Gründe liegen, warum die Kirche in dieser Zeit die Kreuze verhüllt, damit wir nämlich den verborgenen Gott (vgl. Is 45, 15) ganz neu suchen.

Wie gross ist wohl der Anteil der Katholiken, denen im Moment etwas fehlt? Die Verflachung des Christlichen scheint messbar zu sein! In der Schweiz wurde nämlich im Sommer 2011 der Schlussbericht des NFP (= nationales Forschungsprogramm) Nr. 58 über ‚Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft‘ veröffentlicht. Die Ergebnisse sind interessant, denn hier wird von neutraler Seite das religiöse Verhalten eruiert. Das Ergebnis lautet, dass die durchschnittliche katholische Kirchengemeinde sogar an Festtagen keine 10% ihrer Zugehörigen mehr in die Kirche bringt, und an den durchschnittlichen ‚normalen‘ Wochenenden nur etwa 3-4%. In Deutschland und Österreich sei das nicht wesentlich anders. Ausserdem wird darauf hingewiesen, dass unter den noch regelmässigen Kirchgängern der Anteil der über 60-jährigen bei etwa 56% lag, mit steigender Tendenz. Der katholische ‚Wachstumsindex‘ des Kirchbesuchs lag unterhalb des Nullpunktes, nämlich bei minus 0,5%.

In der Tat scheinen diese traurigen Zahlen sehr viel realistischer zu sein als die amtlichen Ergebnisse diözesaner ‚Zähl-Sonntage‘, zu denen im Internet ausdrücklich eingeladen wird mit dem Slogan: „Die Kirche zählt (auf) Sie!“

Also: Im Moment sind Corona-bedingt in weiten Teilen der Welt öffentliche Gottesdienste untersagt. Freilich ist damit das heilige Opfer nicht erloschen, denn die Priester zelebrieren es täglich, aber eben ohne Volk. Für den Grossteil der Gläubigen ist nicht nur das Altarkreuz, sondern der ganze Altar verhüllt. Erschütternd dabei ist, dass es in Anbetracht der oben genannten Forschungsarbeit denkbar wäre, dass bis zu 96% der Katholiken in religiöser Hinsicht eigentlich gar nichts vermissen.

Und wie steht es bei dir? Fehlt dir etwas? Wie betrachtest du diese Situation und wie schaust du auf den verhüllten Altar?

Reden wir kurz über das real existierende Thema des ‚Atheismus unter Christen‘! – Ein Widerspruch? Nein, nur scheinbar, denn man unterscheidet zwei Grundformen des Atheismus. Atheist ist einer, der Gott leugnet. Diese Leugnung aber kann auf zweifache Weise geschehen: entweder durch Argumente oder durch die Art, wie man lebt.
Der theoretische Atheist beschäftigt sich mit Gott, um ihn zu leugnen. Den Praktisch-Gottlosen jedoch ist es eigen, sich gar nicht mit Gott zu beschäftigen. Von ihnen sagt der hl. Apostel Paulus: „Gott zu kennen, behaupten sie, doch in ihren Werken verleugnen sie ihn.“ (Tit 1, 16) Bei der härteren Form der Praktisch-Gottlosen steht das Leben in offenem Widerspruch zum christlichen Glauben. Es gibt aber auch die Soft-Form der Gottlosigkeit. Stromlinienförmig schwimmen sie im Mainstream, fühlen sich durchaus ‚nicht schlecht‘, sind – wie sie selbst betonen – keine ‚Kirchgänger‘, schmecken verdächtig nach ‚Welt‘ und würden durchaus nichts vermissen, wenn es Gott nicht gäbe. In ihrem Leben spielt er eigentlich gar keine Rolle. Heiss sind sie nicht, und kalt auch nicht, aber lau (vgl. Offb 3, 15 f.).

Hier mag die persönliche Gewissenserforschung einsetzen!

Wie stehst du zum Kreuz? Lebst du in persönlicher Beziehung zu Jesus? Erforschst du dein Gewissen? Lässt du den Ruf zu Busse und Umkehr an dich heran? Misst du dein Leben am Massstab der göttlichen Liebe? Kennst du die fünf Gebote der Kirche und die Zehn Gebote Gottes? Wie fühlt sich im Moment dein Sonntag an? – Eigenartig leer? Das wäre ein gutes Zeichen!

Fühlt er sich auch dann ‚leer‘ an, wenn du per Livestream eine Messe angeschaut hast?

Selbstverständlich kann die moderne Technik helfen, sich geistiger weise mit dem Priester am Altar zu verbinden, aber eine gewisse Gefahr birgt der nicht-reale Gottesdienstersatz am Bildschirm im heimeligen Wohnzimmer doch auch. Seien wir uns bewusst, dass der Livestream nur eine virtuelle Gegenwart schafft! In dieser Zeit der verhüllten Altäre soll unser tiefes Sehnen auf die wirkliche und leibhaftige Gegenwart beim heiligen Messopfer gehen!

Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Passionszeit und eine grosse Sehnsucht nach dem unbefleckten Lamm, Jesus Christus, von dem Paulus in der heutigen Epistel sagt, dass er sich selbst im Heiligen Geist dem himmlischen Vater dargebracht hat und durch sein eigenes Blut unser Gewissen von toten Werken reinigt, damit wir dem lebendigen Gott dienen.

Gott segne Sie!
P. Martin Ramm FSSP

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