Ein Priester beim ältesten Stamm des Urwalds im Kongo

Interview mit dem jungen kongolesischen Glaubensboten Franck Bango

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Die Pygmäen: Das ist der Sammelbegriff für die wohl ältesten indigenen Urvölker Afrikas, die in den Urwäldern Zentral- und Westafrikas siedeln. Zu der Stammesgruppe gehören heute gerade einmal 150 000 bis 200 000 Personen – denen ein Merkmal gemeinsam ist: Die relativ geringe Körpergrösse. Da sie zudem eine relativ helle Hautfarbe haben, sind die Pygmäen unter ihren dunkelhäutigen Landsleuten am Äquator in mehrfacher Hinsicht isoliert: Sozial, wirtschaftlich, kulturell. Durch die anhaltende Ausbeutung des Regenwaldes sind sie in ihrer Existenz bedroht.

Die Pygmäen pflegen weitgehend ihre Stammeskulte. Doch in vergangenen Jahrzehnten gab es auch Begegnungen mit dem Christentum. Einzelne Stammesmitglieder liessen sich taufen. So zum Beispiel in der Republik Kongo. Dort wurde ein junger Priester der Diözese Ouésso im Norden des Landes an der Grenze zu Kamerun auf eine wohl einzigartige Mission geschickt: Franck Bango wirkt als Seelsorger unter den Pygmäen. Das weltweite päpstliche Hilfswerk Kirche in Not unterstützt ihn dabei. Emmanuelle Ollivry-Kaeser von Kirche in Not Frankreich hat mit dem Priester über seine Erfahrungen gesprochen.

Emmanuelle Olivry-Kaeser: Seit wann gibt es unter den Pygmäen katholische Christen?

Franck Bango: Katholische Pygmäen gibt es schon seit einiger Zeit, aber ihre Präsenz fällt noch kaum auf. In den 1960er Jahren haben sich im Kongo die Spiritaner (Ordensleute der „Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist“, Anm. d. Red.) dieser Ureinwohner angenommen. Später haben das die Franziskanerschwestern fortgesetzt. Sie haben sich für Bildung und medizinische Versorgung der Pygmäen eingesetzt, denn sie sind vielfach von den übrigen Einwohnern abgetrennt und vergessen. In der Folge liessen sich auch einzelne Stammesangehörige taufen. Sie besuchten die Gottesdienste in den nächstliegenden Pfarreien – auch wenn das bisweilen stundenlange Fussmärsche bedeutete. Neu ist jetzt, dass es eine eigene Pfarrei in einem Pygmäendorf gibt. Die Einwohner hatten selbst darum gebeten. Und ich bin seit vier Jahren ihr Pfarrer.

Was ist das Neue an diesem Modell?

Die Pygmäen sind fast allein dafür zuständig, damit das Gemeindeleben gelingt. Einige von ihnen wurden zu Katecheten ausgebildet und erteilen Religionsunterricht, die Pfarreimitglieder verwalten die geringen Gemeindefinanzen, sie legen die Ordnung der liturgischen Feier fest, bilden die Chorsänger und die Messdiener aus … Das ist für viele ein grosser Schritt, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Aber die Pygmäen bleiben nicht unter sich. Alle sind in unserer Gemeinde willkommen.

Anfangs sehr zurückhaltend

Wie wurden Sie aufgenommen, als sie vor vier Jahren hier ankamen?

Ich kam, um Seelsorge zu betreiben und zu evangelisieren. Ich konnte weder Geld mitbringen, noch humanitäre Hilfe. Die ist ja auch in guten Händen bei den Ordensschwestern, die schon lange hier präsent sind. Anfangs waren die Pygmäen mir gegenüber sehr zurückhaltend.

Woher kam diese Zurückhaltung?

Die Pygmäen leben ja sehr isoliert. Das macht sie misstrauisch. Auch bin ich keiner von ihnen. Manche dachten, dass das Christentum nicht mit ihren Traditionen vereinbar sei. Aber ich entdeckte: Viele leben schon nach einigen Grundwerten des Evangeliums, ohne es zu wissen. Das war für mich ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Ich lebte mit ihnen, begleitete sie beim Fischen … Es dauerte zwei Jahren, bis sie mich akzeptierten.

Sie sagten, viele Werte des Evangeliums seien schon unter den Pygmäen präsent. Welche zum Beispiel?

Die Ehe hat bei den Pygmäen einen hohen Stellenwert. Es gibt weder Scheidung noch Polygamie. Der ganze Reichtum der Pygmäen ist die Familie. Sie sind keine Materialisten. Selbst wenn sie ein wenig Geld zur Verfügung haben, geben sie es nicht für Besitztümer aus. Als ich ihnen erklärte, wie nah sie der Lehre der Kirche schon sind, begann sich etwas in ihnen zu ändern. Sie hörten mir zu und da sie mit einem aussergewöhnlichen Gedächtnis begabt sind, merkten sie sich alles. Nach zwei Jahren konnten wir in unserer Pfarrgemeinde die ersten Taufen und Hochzeiten feiern. Einer von den Neugetauften ist mittlerweile Katechet.

Viele Veränderungen

Was hat der christliche Glaube im Leben der Pygmäen verändert?

Ein grosses Problem war der Alkoholkonsum. Am Wochenende und den traditionellen Beschneidungsfesten, mit denen meistens samstags der Eintritt der Männer ins Erwachsenalter gefeiert wird, wurde sehr viel getrunken. Ich habe den Männern dann versucht zu erklären, dass der Alkoholkonsum den Respekt vermindern würde, den ihre Frauen und Kinder ihnen sonst entgegenbringen. Das hat sie sehr betroffen gemacht. Mittlerweile nehmen sie immer noch an diesen traditionellen Festen teil, trinken aber massvoll – und kommen am darauffolgenden Sonntag zur heiligen Messe!
Es gibt noch viele andere Veränderungen – zum Beispiel im Umgang mit Eigentum oder die Aufgabe von religiösen Praktiken, die mit Flüchen und Verwünschungen verbunden sind. Viele Pygmäen wollen endlich davon befreit werden.

Im Kongo verzeichnen zahlreiche Gruppen grossen Zuwachs, die sich zwar christlich nennen, aber in der Regel von der amerikanischen Sekte „Great Awakening“ (Grosse Erweckung) beeinflusst sind. Wie ist die Situation?

Die Mehrheit der kongolesischen Bevölkerung bezeichnet sich als Christen. Nur gut ein Drittel ist katholisch. Das hat auch mit dem Wachstum von Sekten zu tun. Als ich im Jahr 2014 hier ankam, existierte im nächstgrösseren Ort eine sogenannte „Kirche vom geweihten Öl“. Dort wurde verkündet: „Wenn du krank bist, so kommt die Krankheit von einem Onkel oder einer Tante, die Dich verhext hat.“ Dies entzweite die Familien. Da den Pygmäen die Familie heilig ist, haben sie solche Lehren aber nicht überzeugt.

Sie als katholischer Priester scheinen aber überzeugt zu haben. Was ist ihr Rezept?

Man muss viel Geduld haben, trotz Zeiten der Entmutigung. Und man muss die Menschen lieben, sie sehr lieben.

Von Kirchenbau bis zum Lebensunterhalt für Priester

Das weltweite päpstliche Hilfswerk Kirche in Not steht den Katholiken in der Republik Kongo seit Jahrzehnten bei. Allein in den vergangen zehn Jahren hat das Hilfswerk dort rund 250 Projekte gefördert: von der Unterstützung bei der pastoralen Arbeit über Bildungsprojekte, den Kirchenbau und die Beschaffung von Fahrzeugen bis hin zum Lebensunterhalt für Priester, die ein geringes oder gar kein Einkommen haben.

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