Enttäuschen wir den Herrn nicht!

Impuls zum 27. Sonntag im Jahreskreis — 8. Oktober 2017

Im Evangelium des heutigen 27. Sonntags im Jahreskreis erleben wir den Herrn von einer ungewohnten Seite. Er sagt ziemlich deutlich, dass manche Menschen ihn enttäuschen. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass auch wir ihn sehr oft enttäuschen.

Normalerweise lässt er sich das nicht anmerken. Wenn wir gesündigt haben und es uns bewusst wird, dass wir ihn enttäuscht haben, machen wir einen Reueakt, gehen, falls notwendig zur Beichte, und wir sind sofort wieder im Frieden mit Gott und mit uns selbst. Das könnte uns und soll uns auch vergessen machen, dass wir den Herrn betrübt haben. Ja, im allgemeinen machen wir uns keine Gedanken darüber, was das Geschehen von Schuld und Sühne für ihn bedeutet. Für uns bedeutet es jedesmal Wiederherstellung und Freude. Für ihn aber heisst es jedesmal, unsere Schulden am Kreuz zu bezahlen.

Jesus kleidet seine Gefühle in ein Gleichnis. Die Geschichte ist mehr als erschütternd, und leider gleichzeitig so wahr. Ein Gutsbesitzer – es ist Gott selber – legt einen Weinberg an und verpachtet das gut vorbereitete Unternehmen an Winzer. Diese entpuppen sich als wahre Nieten. Nicht nur, dass sie keine Erträge abliefern, sie werden brutal, wenn der Eigentümer nach dem Rechten sehen will. Sie misshandeln seine Knechte und töten sie. Dann schickt der Gutsherr seinen Sohn, weil er – aus seiner übergrossen Güte heraus – sagt, dass sie wohl vor seinem Sohn Achtung haben würden. Aber weit gefehlt, seinen Sohn misshandeln sie erst recht, ja sie werfen ihn aus dem Weinberg heraus und töten ihn.

Was mag sich mancher Pharisäer und Schriftgelehrte später gedacht haben, nachdem sie den Sohn Gottes misshandelt und ermordet haben?

Um den Gedanken noch zu verdeutlichen zitiert Jesus das Psalmwort „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“. Manch einer seiner Gegner mag sich später Gedanken darüber gemacht haben, dass ja Jesus, dieser scheinbar machtlose Rabbi aus Nazareth, der Eckstein ist, auf dem das Gebäude des Heils ruht.

Der Herr tut dann noch etwas, das er sehr ungern tut. Er macht klar, dass man Gott nicht grenzenlos missachten und ‚verwerfen‘ darf. An dem Eckstein kann man zerschellen.

Gott ist sicher unendlich geduldig. Und um die Menschen trotz ihres Eigensinns zu retten, nimmt er unendlich viel in Kauf. Er will den einzelnen Menschen retten. Korporativ ist fast immer Enttäuschung angesagt. Nicht nur das auserwählte Volk hat versagt und ihn enttäuscht. Alle anderen Völker auch. Es wäre eine interessante Arbeit aufzuzeigen, wie in der ehemals christlichen Welt sämtliche Völker den Herrn enttäuscht haben und immer nur ihren egoistischen Zielen gefolgt sind. Das wäre mal eine andere Art von Geschichtsschreibung.

Die Aufgabe der christlichen Völker wäre es gewesen, die Botschaft Christi weiter zu tragen und die Kirche zu beschützen. Das haben immer nur einzelne Menschen (z.B. die Missionare) getan, die Nationen als Nationen nicht.

Heute mag es den Herrn besonders traurig machen, dass die christlichen Völker Europas nicht nur diese Aufgabe versäumen, sondern im Gegenteil auch noch eine gottfeindliche ‚Missionsarbeit‘ leisten, indem sie gegen den Lebensschutz sind, indem sogar christliche Einrichtungen Euthanasie praktizieren und viele eine neue menschenfeindliche Ideologie wie den Genderwahn propagieren.

Es tut mir leid – und es ist ja wie gesagt nicht das Normale – aber heute ist der Herr etwas pessimistisch. Wir spüren seine Enttäuschung, wenn er am Schluss seiner Rede sagt: „Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt“ (Mt 21, 44)? Wie sollen wir das heute verstehen?

Wir können es so verstehen, dass wir uns nur ein bisschen zusammen nehmen müssen. Dann werden wir – als Einzelne – zu jenem neuen Volk gehören, dem das Reich gegeben wird.

Wenn das nicht positiv ist!

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“. Der Fe-Medienverlag hat einige ZENIT-Beiträge vom Autor als Buch mit dem Titel „Der Stein, den die Bauleute verwarfen“ herausgebracht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel