Die Erzengel und der Relativismus

Impuls zum 26. Sonntag im Jahreskreis — 1. Oktober 2017

Zenit.org, 29. September 2017, Peter von Steinitz
Relativismus – Diverse Beiträge
YouTube – Rede von Papst Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag
Papst Benedikt XVI. – Apostolische Reise nach Deutschland

Jesus spricht diesmal zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes. Er bringt ein ganz einfaches Beispiel, nicht ein Gleichnis. Der Mann, der zwei Söhne hat, die in seinem Betrieb mit ihm arbeiten, sagt dem einen, er solle eine bestimmte Arbeit übernehmen. Dieser sagt zu, aber tut es nicht. Dann bittet er den anderen. Der ist von ganz anderem Schlag. Eigentlich ist er faul, sagt aber ehrlicherweise, dass er keine Lust hat. Dann aber besinnt er sich auf die Autorität des Vaters und geht doch an die Arbeit.

Jesus lässt seine Gesprächspartner selbst die Frage beantworten, welcher von den beiden den Willen des Vaters erfüllt hat.

Was Jesus dann zu ihnen sagt, scheint auf den ersten Blick nicht mit den ungleichen Brüdern zu tun zu haben: “Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.”

Der Heilige Vater, Papst Benedikt XVI. hat bei seiner Rede vor den “Ältesten des Volkes” vor gut sechs Jahren, am 22. September 2011, nicht darüber gesprochen, dass es gilt, den Willen des Vaters zu erfüllen. Soviel war sicher nicht drin, und der Bundestag wäre auch bestimmt nicht der rechte Ort dazu gewesen. Aber er hat doch – in rücksichtsvoller Sprache wie immer, aber doch klar – angemahnt, dass der Rechtspositivismus, also die grundsätzlich gottlose Sicht der Dinge, nicht ausschliesslich das öffentliche Leben bestimmen darf. Wenn es keine vorgegebenen Normen gibt, die den positiven, von Menschen gemachten Gesetzen ihre Grenzen aufzeigen, dann kann sich auf die Dauer ein Staatswesen in eine Räuberbande verwandeln, wie es schon Augustinus formuliert hat.

Der älteste Sohn im heutigen Evangelium, der sich scheinbar folgsam verhält, ist so ein Positivist, er sagt sich: ich halte mich nicht an vorgegebene Bedingungen. Er zeigt eine anständige Fassade, ist aber in Wirklichkeit ein haltloser Oportunist. Er und seinesgleichen verdienen den harten Tadel des Herrn.

Der zweite Sohn dagegen nimmt es hin, dass er eine schlechte Figur macht, aber es ist ihm klar, dass man sich an bestimmte Normen halten muss.

“Ihr habt es gesehen, und doch habt ihr nicht bereut und nicht geglaubt”, so das Resümee des Herrn.

Dieses Wort gilt in unserem Zusammenhang natürlich nicht nur den Parlamentariern, sondern uns allen. Dass Positivismus nicht ausreicht, dass es also so etwas wie Naturrecht geben muss – auch wenn manche diesen Begriff am liebsten ganz streichen möchten – sollte uns alle veranlassen, gerade jetzt, kurz nach der nicht unproblematischen Bundestagswahl, uns verstärkt über die Arbeit der Parlamentarier Gedanken zu machen. Für viele von ihnen, egal zu welcher Partei sie gehören, ist der von Papst Benedikt getadelte Relativismus fast so etwas wie Staatsräson.

Ein sattsam bekanntes Beispiel für eine abzulehnende nur positive Gesetzgebung ist die Abtreibungregelung, wo von Staats wegen etwas gebilligt und sogar finanziert wird, was gegen eine objektive Norm, in diesem Fall das Recht auf Leben, verstösst.

Die Abgeordneten, die in diesen und ähnlichen Fragen in Kauf nehmen, eine schlechte Figur zu machen, wenn sie sich für das objektive Recht einsetzen, sollte man unbedingt unterstützen.

Das am Freitag, dem 29. September, gefeierte Fest der drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael, will uns ebenfalls daran erinnern, dass die Gebote Gottes, zwar sanft formuliert, unbedingt verpflichtend sind. Auch wenn der Herr uns zubilligt, erst nach einem Moment der Unsicherheit sein Wort zu befolgen – was sich auf die Gesamtheit der Gesellschaft dadurch ausdrückt, dass man die Gesetze so formuliert, dass Andersgläubige sie auch befolgen können – so muss uns doch klar sein, dass wir mit den Engeln und Erzengeln zum Hauswesen Gottes gehören, wo man sich nicht mit Halbheiten und Kompromissen aufhält.

So jedenfalls können wir die Rolle des Hl. Michael sehen, der mit seinem Widerpart Luzifer nicht in Verhandlungen darüber trat, ob man Gott gehorchen soll.

Der Hl. Michael hat die Aufgabe, die Ehre Gottes zu verteidigen (Wer ist wie Gott?). Daher ist er in gewissem Sinne unerbittlich. Die „Ehre Gottes“ – für viele Menschen ein ausgesprochenes Reizwort. Fragen wir uns selbst, ob wir diesen Begriff nicht auch schon längst relativiert haben.

Ganz anders der Hl. Gabriel, obwohl sein Name „Kraft Gottes“ bedeutet. Er hat die einmalige Aufgabe, der Jungfrau Maria die Botschaft von der Menschwerdung Gottes zu bringen. Seine Rede ist klar, aber sanft, der Addressatin angemessen.

Und schliesslich der Hl. Raphael, dessen Name „Medizin Gottes“ bedeutet. Er ist die reine Güte und Barmherzigkeit. Im Alten Testament wird die rührende Geschichte des jungen Tobias erzählt, den Raphael in Menschengestalt begleitet und durch alle Gefahren sicher zum Ziel bringt. Zum Ziel, das Gott ist.

So können uns diese drei Himmelsfürsten mehr noch durch ihr Wesen als durch ihr Tun helfen, uns mit Entschlossenheit gegen uns selbst und zugleich mit Barmherzigkeit gegen andere dem Herrn anzuschliessen. In dem Wissen darum, dass wir in dieser Welt zwar einem gewissen Relativismus Rechnung tragen müssen, dass wir aber niemals das Ziel aus dem Auge verlieren dürfen, das keinen Relativismus duldet.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.  Der Fe-Medienverlag hat einige ZENIT-Beiträge vom Autor als Buch mit dem Titel „Der Stein, den die Bauleute verwarfen“ herausgebracht.

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