Erzbischof Tomasi: Zeitfenster für Syrien nutzen!
Knallharte politische Interessen und der Kampf um die Vorherrschaft im Nahen Osten stehen hinter dem nunmehr seit über fünf Jahren wütenden Konflikt in Syrien
Knallharte politische Interessen und der Kampf um die Vorherrschaft im Nahen Osten stehen hinter dem nunmehr seit über fünf Jahren wütenden Konflikt in Syrien. Umso wichtiger ist es nun, den fragilen Waffenstillstand zu nutzen, um auf internationaler Ebene zu einer Einigung zu gelangen. Das betont Erzbischof Silvano Maria Tomasi, ehemaliger Vatikandiplomat bei den Vereinten Nation in Genf und Mitglied des neu gegründeten Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, im Interview mit Radio Vatikan.
Der Waffenstillstand in Syrien, der zum ausgehenden Jahr ausgehandelt wurde, scheint bislang zu halten; doch das „Window of Opportunity“, also das Zeitfenster, in dem ernsthafte Verhandlungen für einen stabilen Frieden möglich sind, ist begrenzt. „Die internationale Gemeinschaft muss nun ihr Möglichstes tun, um in diesem Moment den Dialog zu ermöglichen und einen soliden Pakt voran zu bringen, der die Basis für eine friedliche Zukunft in diesem Teil der Welt darstellt“, so Erzbischof Tomasi. „Das Problem ist, dass es in diesen fünf Jahren mehr als 300.000 Tote, sechs Millionen Binnenflüchtlinge und weitere vier Millionen von Flüchtlingen in den Nachbarländern wie vor allem Jordanien, Türkei, und dem Libanon gegeben hat.“ Der Krieg in Syrien fordere nun ein verantwortungsvolles Handeln der Internationalen Gemeinschaft, denn es handele sich um einen Krieg, der von den Grossmächten und anderen regionalen Gruppierungen geführt werde. „Hoffen wir, dass es sich diesmal wirklich um einen günstigen Moment handelt und dass der Schritt, humanitäre Hilfsleistungen zu ermöglichen und vor allem die Waffen schweigen zu lassen, tatsächlich zu einer stabilen Lösung führen kann!“
Ein kleines window of opportunity
Es gehe bei diesem Krieg vor allem darum, wer sich die Vorherrschaft im Nahen Osten sichern könne. Sunniten oder Schiiten, US-Amerikaner oder Russen? Es müsse alles getan werden, damit diese staatlichen und religiösen Machtkämpfe nicht weitere Opfer von der lokalen Bevölkerung fordern, die mit diesen Machtspielen nichts im Sinn habe, betont der erfahrene Vatikandiplomat. „Und der Papst besteht – korrekterweise – darauf, dass die Zivilisten und Schwächsten geschützt werden müssen, denn es handelt sich um das Leben der einfachen Leute und am Ende sind es die Familien, die wir auf der Strasse treffen, die den höchsten Preis zahlen, mit dem Tod ihrer Lieben, dem Hunger, dem Exil… Deshalb müssen wir es der Internationalen Gemeinschaft wirklich bewusst machen, dass man nicht mit dem Leben der anderen spielen kann.“
Nicht mit dem Leben anderer spielen
Der Heilige Stuhl habe nur begrenzte Mittel, um als Friedensstifter tätig zu werden, denn es handele sich nicht um eine wirtschaftliche oder militärische Macht, so der Erzbischof: „Ich sage immer, die Hellebarden der Schweizer Garden können die modernen Bomben nicht aufhalten, vor allem nicht die Atombomben. Wir müssen dem Herrn für die positiven Schritte danken, die im vergangenen Jahr erreicht worden sind.“ Die Papstbotschaft zum 50. Weltfriedenstag, in der er zur aktiven Gewaltlosigkeit als politisches Mittel einlädt, sei so etwas wie eine Sammlung der Errungenschaften aus 50 Jahren Weltfriedenstagen, meint Tomasi. Es müsse der menschlichen Familie klar gemacht werden, „dass die Lösung von Problemen nicht mit Waffen erreicht werden kann, sondern vielmehr im Dialog, mit der Schaffung geschwisterlicher Zusammentreffen, mit der Errichtung von Brücken und nicht von Mauern.“
rv 02.01.2016 cs
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