Wer liebt, kann den Herrn sehen

Impuls zum 3. Sonntag der Osterzeit — 10. April 2016

wer liebtRom, Zenit.org, 

Das Evangelium des dritten Sonntags der Osterzeit ist der Schluss des Johannesevangeliums. Mehr als Schlussteil ist es eine Art Nachtrag, von dem manche Exegeten behaupten, es wäre eine spätere Hinzufügung gewesen. Inzwischen geht jedoch die allgemeine Auffassung wieder dahin, diese Worte als authentischen Bestandteil des Evangeliums zu betrachten.

Es wird eine weitere Erscheinung des Auferstandenen geschildert, die einerseits von äusserst wichtigem theologischem Gehalt, andererseits aber von einem unvergleichlichen äusseren Zauber ist.

Versetzen wir uns in die Szene. Es ist ganz früh am Morgen am landschaftlich einmaligen See Genesareth. Die Sonne ist soeben aufgegangen und versetzt die leicht bewegte Wasseroberfläche in ein gold glänzendes Lichtmeer. Die frühlingshaft erwachte Natur begrüsst den jungen Morgen mit ihren Blüten und vielgestaltigen Stimmen. Und sie begrüsst…..den Urheber dieser Pracht und Schönheit, den Logos, durch den alles geschaffen worden ist.

Den menschgewordenen Gottessohn, der da – unauffällig wie immer – am Ufer des Sees steht und einigen Männern etwas zuruft, die ihrerseits mit allem was sie tun und reden, in einem krassen Widerspruch stehen zu der ganzen leuchtenden Pracht.

Sie haben nämlich die ganze Nacht gefischt (Fischen muss man nachts, da dann die Fische nach oben kommen) und nichts gefangen. Begreiflich, dass sie müde und schlecht gelaunt sind. Und da steht auch noch ein Fremder am Ufer und fragt: „Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?“ Ihre Antwort lautet nach dem nüchternen Bericht des Evangelisten Johannes, „Nein.“ Aber es ist leicht vorstellbar, in welchem Ton sie dieses Nein ausgesprochen haben mögen.

Der Hintergrund dieser Begegnung, die in der Folge sich zu einem herrlichen Frühstück am Strand ausweitet, ist die Tatsache, dass Jesus Christus nach seiner Auferstehung manchmal  nicht auf Anhieb erkannt wird, auch nicht von den engsten Freunden. Das wundert uns, denn er ist doch derselbe wie vor seinem Leiden und Tod. Aber es ist offensichtlich manchmal nicht so leicht, ihn auf Anhieb zu erkennen.

Die beiden Emmausjünger sind sogar stundenlang mit ihm spazieren gegangen und haben ihn erst am Schluss „beim Brotbrechen“ erkannt. Sogar Maria Magdalena, die ihn so sehr liebt, erkennt ihn zunächst nicht und hält ihn für den Gärtner. Wie ist das zu erklären?

Einerseits sicher dadurch, dass der auferstandene Jesus nicht eine wieder belebte Leiche ist. Der Auferstehungsleib ist derselbe wie im Leben, aber doch auch wieder anders. Er gehört bereits der jenseitigen Welt an und ist nur „ausnahmsweise“ in dieser Welt erkennbar.

Dabei ist es bezeichnend, dass die Menschen ihn immer dann schwer oder gar nicht erkennen, wenn sie mit sich selbst und ihren Sorgen beschäftigt sind. Die Traurigkeit der Jünger auf dem Weg nach Emmaus war verständlich, aber sehr ichbezogen. Die der Maria Magdalena sicher weniger, aber ihre Augen waren mit Tränen angefüllt.

Auch die Traurigkeit, so verständlich sie oft ist, kann uns von Gott wegziehen. Jesus sagt dagegen: „Der Friede sei mit euch“ und vermittelt reine Freude.

Bei der Begegnung am See von Tiberias haben die mit sich selbst beschäftigten Jünger zunächst keine Möglichkeit, Jesus zu erkennen.

Dann beginnt der Herr einen Dialog und gibt ihnen einen Rat. Und da erkennen sie ihn, weil sie sich ihm öffnen. Bezeichnenderweise ist es derjenige, der am meisten liebt, Johannes, der ihn als erster erkennt: „Es ist der Herr“, sagt er zu Petrus.

Auch die Liebe des Petrus zum Herrn ist gross, aber er muss in seinem Herzen zunächst noch das Versagen der letzten Tage ausräumen. Dann aber hält ihn nichts mehr: er stürzt sich in den See, um Jesus, noch bevor das Boot am Land ist, zu begrüssen.

Dann halten sie mit dem Herrn ein unvergessliches Frühmahl. Die wundersame und verhalten feierliche Atmosphäre dieses Beisammenseins schildert der Evangelist mit den seltsamen Worten: „Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war“ (Joh 21, 9).

Ganz bewusst hat der Herr diesem Beisammensein einen besonderen Charakter herzlicher Freundschaft gegeben, denn so und nicht anders wollte er das wichtigste Amt der nun entstehenden Kirche ins Dasein rufen, das Petrusamt, das Papsttum.

Wiederum ist es bezeichnend, dass die Leitungsgewalt der Kirche, die sich genialerweise kollegial und zugleich mit einem Mann an der Spitze gestaltet, nicht auf den Merkmalen beruht, die in der Welt gelten. In der Kirche Gottes werden nicht die talentiertesten, geschicktesten oder unbedingt charakterfesten ernannt, vielmehr ist hier das entscheidende Kriterium die Liebe, und zwar die Liebe zu Christus (die die Nächstenliebe im Gefolge mit sich führen muss).

Dreimal fragt der Herr den Petrus: Liebst du mich? Und: Liebst du mich mehr als diese? Petrus wird beim dritten Mal traurig, weil er meint, dass Jesus ihn auf sein dreimaliges Verleugnen ansprechen will.

Und der Herr vertraut ihm seine Herde an.

Jesus ist der Gute Hirt, und jeder, der in seinem Namen andere leitet – das gilt nicht nur für den Papst, sondern mutatis mutandis für jeden Christen – muss für sie ein guter Hirt sein. Er soll die Menschen nicht befehligen, schon gar nicht beherrschen, sondern „weiden“.

Wie weidet der Hirt seine Lämmer und Schafe? Indem er sie zu guten Plätzen geleitet und indem er für sie sorgt. Wenn sie sich verirrt oder im Gestrüpp verfangen haben, wird er sie nicht ausschimpfen, sondern ihnen helfen, auf den guten Weg zurückzukommen.

So betrachtet wird das Leiten nicht eine Gelegenheit zur Selbstverwirklichung, sondern hat eher den Charakter selbstvergessener Hingabe. Leiten heisst oft auch leiden.

Dann aber wiederum ist es – beim Papst wie bei jedem verantwortlichen Christen – eingebettet in das gleiche lichtvolle Beisammensein mit dem Herrn, das die Jünger so unvermutet erleben durften.

Und auch wir können immer wieder damit rechnen, dass der Herr sagt: „Werft das Netz da und da aus…“, und es wird Grosses geschehen.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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