Wie es ist, wenn die Kirche zerbröselt

Unsere Kinder werden in Zukunft eine Minderheit sein

Rom, Tagespost: Blog. Römische Warte von Guido Horst, 19.05.2011

München, Frankreich, Kärnten, Wien: Unsere Kinder werden in Zukunft (wenn sie denn katholisch bleiben) eine Minderheit sein. Die einen machen weiter, als sei nichts geschehen, andere machen dicht, wiederum andere ergreift die Panik – und es gibt auch solche, die überhaupt nichts verstehen.

Jetzt rief mich Andrea Tornielli an, seit einigen Wochen “Leitartikler” der Turiner Tageszeitung “La Stampa”. Wir kennen uns aus den Zeiten bei “Trenta Giorni” (30Tage) – oh je, das war im vergangenen Jahrtausend!!! Zwölf Jahre war er zuletzt “vaticanista” von “Il Giornale” – und hatte dort fast jede vatikanische Personalie und jede wichtige Entscheidung in den “sacri palazzi” Tage zuvor bekannt gemacht. Jetzt weitet sich sein Blick und wird olympischer.

Der Deutschland-Korrespondent von “La Stampa”, so meinte Andrea, habe ihm eine Notiz zugeschickt, derzufolge der Anteil der Katholiken in der Erzdiözese München-Freising unter die Fünfzig-Prozent-Marke gerutscht sei. Ob ich das bestätigen könne. Konnte ich, nach einer kurzen Recherche. 1,77 Millionen Katholiken machen auf dem Gebiet der Erzdiözese nur noch 49 Prozent aller Einwohner aus. 2001 waren es noch 1,85 Katholiken, allein im vergangenen Jahr musste das Erzbistum unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals die Abwanderung von über 23.000 Kirchenmitgliedern verkraften. – So sind die Italiener. München ist für sie immer noch die Erzdiözese des bayerischen Papstes, und wenn die Katholiken sogar dort zur Minderheit werden, dann ist das für sie eine Meldung mit Nachrichtenwert.

Auch den Patriarchen von Venedig besorgt die Lage der Kirche in Europa. Neulich habe ich ihn besucht und Kardinal Scola erzählte mir, dass es Gegenden in Frankreich gibt, wo sich Diözesen auflösen. “Mangels Masse” hören sie einfach auf zu bestehen. Das werde ich mal nachprüfen müssen.

Wie es ist, wenn die Kirche stirbt, habe ich vor Jahren in den Sommerferien in einer Region Kärtens erlebt. Das kirchliche Leben ist erloschen, statt Sonntagsmesse und Prozessionen gibt es dort noch einen Totenkult: Man geht regelmäßig und mit Inbrunst auf den Friedhof, das ersetzt dann den Gottesdienst.

Was die Erzdiözese Wien betrifft, so konnte man vor kurzem in der “Tagespost” nachlesen, wie sich Kardinal Schönborn auf die völlig neue missionarische Situation einstellen will. Abschied vom Pfarrer und von der flächendeckenden Seelsorge. Man kann sagen, was man will: Immerhin hat Schönborn erkannt, dass die alte Volkskirche nicht mehr besteht.

Da las ich dann am vergangenen Wochenende die Meldungen vom Meeting des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Dessen unglücklicher Vorsitzender forderte, dass die Kirche ihre Sprach(!!)- und Handlungs(!!!!)unfähigkeit in Sachen Sexualmoral überwinden müsse. Mein Gott, die Kirche zerbröselt im Land, und die richten sich bequem ein in ihrem Wolkenkuckucksheim.

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