‘Es ist eine Perversion des Arztberufs, wenn Ärzte töten’

Kardinal Woelki im Gespräch”Es ist eine Perversion des Arztberufs, wenn Ärzte töten”

Quelle
Der organisierte Tod: “Geschäft Tod”? (Red.)
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13.11.2014

Sollte die ärztliche Beihilfe zum Suizid explizit erlaubt werden, könnten sich Schwache zum Selbstmord gedrängt fühlen. Das befürchtet Kardinal Woelki. An diesem Donnerstag debattiert der Bundestag über die gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe.

Kardinal Woelki, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, sagte vor zwei Monaten mit Blick auf die Forderung, Ärzten Beihilfe zum Suizid zu erlauben, “Gebt die Sterbenden uns”. Wer ist “uns”?

Es ist unsere vornehmste Aufgabe als Kirche, uns den schwerstkranken und sterbenden Menschen zuzuwenden und sie zu begleiten, damit sie spüren, dass sie nicht alleine sind und Gott bei ihnen ist. Lebensmüde sind Menschen aus vielen Gründen. Menschen mit einer Depression können Ärzte, Psychologen und auch Seelsorger helfen. Schwerstkranken kann heute mit einer guten palliativmedizinischen Betreuung geholfen werden, die ihnen Schmerzen nimmt.

Viele Personen scheinen mit Blick auf ihr Lebensende nichts mehr zu fürchten als den Verlust der Selbstbestimmung, sei es in Form unerträglicher Schmerzen, sei es durch ein Ausgeliefertsein an das Tun und Lassen von Ärzten oder Pflegekräften. Warum sollen Sterbende in Einrichtungen der Caritas oder der Diakonie besser aufgehoben sein als andernorts?

Ich möchte gar nicht behaupten, dass sie besser aufgehoben sind als anderswo. Aber ich kann sagen, dass diejenigen, die in eine kirchliche Einrichtung gehen, wegen unseres Auftrages darauf vertrauen dürfen, dass sie auf ihrem letzten Weg begleitet werden und den Verlust ihrer Autonomie nicht fürchten müssen. Die Ängste vor unerträglichen Schmerzen, vor Verlust der Selbstbestimmung sind berechtigt. Ich habe sie auch! Begegnen kann ich ihnen, indem ich schon jetzt durch eine Patientenverfügung oder durch eine Vorsorgevollmacht regele, was zu tun ist, wenn ich nicht mehr autonom entscheiden kann. Wichtig ist auch, mit vertrauten Menschen, der Familie, Freunden, dem Seelsorger darüber zu reden, was mit mir geschehen soll, wenn ich mich ganz in die Obhut anderer begeben muss.

Fachverbände wie der Deutsche Palliativ- und Hospizverband sehen erheblichen Verbesserungsbedarf in der medizinischen und pflegerischen Behandlung von Sterbenden. Inwieweit trifft diese Beobachtung auf kirchliche Einrichtungen zu?

In einer älter werdenden Gesellschaft sollten eine palliative Versorgung und eine zuwendende Hospizkultur in allen Pflegeeinrichtungen und in den Krankenhäusern zum Standard gehören. Mit der im Jahr 2007 gesetzlich geregelten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) hat man Gutes bewirkt. Es gibt spezielle Teams, die zur palliativmedizinischen Versorgung gerufen und hinzugezogen werden können. Mit der spezialisierten Palliativversorgung werden jedoch nur etwa zehn Prozent aller Sterbenden erreicht, nämlich diejenigen mit komplexen Krankheitssymptomen, welche eine spezielle Versorgung benötigen. Eine gut ausgebaute Palliativversorgung muss jedoch allen Menschen in ihrer letzten Lebensphase zur Verfügung stehen – und von den Kranken- und Pflegekassen auch finanziert werden. Es ist daher ausdrücklich zu begrüssen, wenn sich die grosse Koalition nun auf den Weg machen will und sich die Gewährleistung eines flächendeckenden Hospiz- und Palliativangebotes in ganz Deutschland zum Ziel setzt. Es muss nun genau analysiert werden, ob die Vorschläge in dem Eckpunktepapier dieses Ziel erreichen.

Können Sie als Vorsitzender der Caritas-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz garantieren, dass es in kirchlichen Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen Mindeststandards gibt wie Palliativmediziner, spezielle Pflege, einfühlsame Seelsorger oder auch nur ein Sterbezimmer?

Ich kann nicht garantieren, dass es in jeder kirchlichen Einrichtung bereits flächendeckend all die genannten Dienste gibt. Es gibt noch einiges zu tun. Wir haben aber vor geraumer Zeit begonnen, die palliative Versorgung in den kirchlichen Einrichtungen zu verbessern, um entsprechende Strukturen und spezifische Standards zu schaffen. Eine Umfrage in den katholischen Pflegeheimen im Erzbistum Köln, an der sich 60 Heime beteiligt haben, hat ergeben, dass in drei Viertel der Einrichtungen “palliative care“ als Versorgungsansatz im Leitbild verankert ist und entsprechend ausgebildete Pflegefachkräfte arbeiten. 80 Prozent gaben an, dass die Begleitung der Angehörigen sterbender Bewohner besonders bedacht ist.

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