An der Seite der jungen Menschen stehen

Zu den Aufgaben einer guten Berufungspastoral

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Von Michael Maas

Die Tagespost, 03. Juli 2015

“Der junge Samuel versah den Dienst des Herrn unter der Aufsicht Elis. In jenen Tagen waren Worte des Herrn selten; Visionen waren nicht häufig.” (1 Sam 3,1)

Das ist nicht die Zusammenfassung der Erhebung der Seminaristenzahlen für das Jahr 2014. Und doch passen diese biblischen Worte gut in unsere Zeit. Die Zahl der Neuanfänger in den Priesterseminaren ist weiter rückläufig, Worte des Herrn scheinen selten. Noch eine weitere Ähnlichkeit lässt sich feststellen: Es braucht eine ganze Weile, bis Samuel merkt, dass der Herr ihn in seinen Dienst rufen will.

Und heute: Mehr als 60 Prozent der Anfänger in den Priesterseminaren haben bereits eine andere Ausbildung, bevor sie sich für den Priesterberuf entscheiden. Sie haben zuvor schon Theologie studiert (über ein Viertel), in einem anderen Beruf gearbeitet oder ein anderes Studium absolviert. Erst dann sind sie so weit, sich direkt auf den Priesterberuf vorzubereiten. Gar nicht wenige von ihnen haben dabei schon lange den Gedanken in sich getragen, Priester zu werden.

Was heisst das alles für die Berufungspastoral? Welche Schlüsse sind daraus für die Kirche in unseren Tagen zu ziehen? Gewiss wäre es falsch, den jungen Menschen von aussen zu sagen, was für sie das Richtige ist, wenn wir das wahrzunehmen glauben, sie selbst es jedoch (noch) nicht erkennen. Es würde verkennen, dass nicht wir diejenigen sind, die in die Nachfolge rufen, sondern dass es Gott selbst ist, der ruft. Damit würden wir weder Gott noch den jungen Menschen gerecht. Nicht Eli ruft Samuel zum Dienst am Tempel; es ist der Herr selbst, der dies tut. Allerdings ist Eli keineswegs tatenlos. Seine Aufgabe – und damit die Aufgabe der Berufungspastoral – ist es, die Stimmen zu deuten, die Samuel nicht eindeutig zuordnen kann; ihm Hinweise zu geben. Das heisst heute: An der Seite der jungen Menschen zu stehen und bei ihnen zu sein, wenn sie eine Ahnung davon bekommen, dass Gott sie zu einem Leben in seiner Nachfolge rufen will. Sie zu einer positiven Antwort auf den Ruf Gottes ermutigen. Das erfordert mehr als ein passives Dasein. Dazu braucht es eine geistliche Wachsamkeit für das Wirken Gottes in unserer Welt und im Leben der Menschen.

Es gilt daher mehr denn je, als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen, Mut zu machen, seiner Berufung zu trauen – vor allem aber auch Geduld zu haben, warten zu können und nicht vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Die Achtung vor der Würde des Anderen lässt es nicht zu, zu drängen und gar zu bedrängen. Eben diese Achtung vor der Würde des Anderen erfordert es allerdings, Hilfestellung dabei zu geben, Entscheidungen aus dem Glauben heraus treffen zu lernen.

Hier ist die Berufungspastoral und damit letztlich alle, die in der Pastoral stehen, gefordert. Es ist eine Option für die Begleitung von Jugendlichen, die ihnen bewusst die Dimension des Glaubens eröffnet. Es ist die Herausforderung, “da“ zu sein und Zeit zu haben – trotz vielfältiger Anforderungen; bereit zu sein, hier einen Schwerpunkt zu setzen und sich auf junge Menschen einzulassen. Es ist damit vor allem ein Dienst an den Jugendlichen, damit sie ihren Weg finden können, den Weg, den Gott für sie gedacht hat und zu dem er sie ruft.

Und in unseren postmodernen Zeiten darum zu wissen, dass diese Wege nicht einfach gradlinig verlaufen müssen, dass es Wendungen und auch Sackgassen gibt; dass eine erste Entscheidung eines jungen Menschen noch keine endgültige Aussage darstellt und nach wie vor Offenheit und Veränderung ermöglicht. Allerdings auch aufzuzeigen, dass es Entscheidungen gibt, die dauerhaft Bestand haben. Dass es eine Befreiung ist, eine solche Entscheidung für das eigene Leben zu treffen. Dafür einzutreten und das durch das eigene Leben zu bezeugen.

Und noch ein Letztes ist von wichtiger Bedeutung. Eli und Samuel befinden sich im Tempel. “Die Lampe Gottes war noch nicht erloschen.” (1 Sam 3,3) Es geht um Gott, um seine Anwesenheit. Und damit um die Beziehung zu ihm, um das Gebet. Wichtig ist einerseits das Gebet ganz grundlegend. Das Wissen darum, dass Gott auf diese Weise erfahrbar wird und uns nahe kommt. Dann aber auch ganz explizit das Gebet um Berufungen in die besondere Nachfolge Jesu. Jesus selbst hat uns dazu aufgefordert. (vgl. Mt 9,38) Und wenn es uns wichtig ist, dass heute junge Menschen in seinen Dienst treten, dann zeigen wir dies nicht zuletzt, indem wir uns ihm in diesem Anliegen im Gebet anvertrauen. Nicht nur privat, sondern auch in unseren Gottesdiensten.

Der Autor ist Direktor des Zentrums für Berufungspastoral, Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz für die Pastoral der geistlichen Berufe und kirchlichen Dienste.

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