“The Way Home”

“The Way Home” – weg vom Leben auf der Strasse

Quelle
Die verlorenen Kinder von Odessa

In der Ukraine leben Tausende von Jungen und Mädchen auf der Strasse. Durch den bewaffneten Konflikt sind sie – ohne Verwandte und ohne Familien – besonders verwundbar. Während andere in die Nachbarregionen oder nach Russland fliehen, irren viele Strassenkinder oft ziellos zwischen den Fronten umher.

Der Krieg in der Ostukraine macht immer mehr Menschen zu Heimatlosen: Im August 2014 spricht die UN von über 190.000 Menschen, die innerhalb des Landes auf der Flucht sind. Zusätzlich suchen knapp 245.000 Ukrainer und Ukrainerinnen in den Nachbarländern Schutz. Besonders prekär ist die Lage für diejenigen, die bereits zuvor kein Zuhause hatten: Strassenkinder können sich nicht auf ihre Familien verlassen. Gerade in dieser Krisensituation brauchen die tausenden Mädchen und Jungen weiterhin Unterstützung. Deshalb setzt Caritas – trotz der erschwerten Bedingungen – ihre Zusammenarbeit mit dem langjährigen Projekt “The Way Home” fort.

“Am Anfang sieht das Leben auf der Strasse so toll aus, aber am Ende merkt man, dass alles nur eine Illusion ist.” Das sagt Sergey Kostin, der es wissen muss: Als Leiter der von Caritas international gestützten Partner-Organisation “The Way Home”. Sie holt seit 16 Jahren desillusionierte Kinder und Jugendliche von der Strasse, führt sie zurück in die Gesellschaft und engagiert sich für Aidskranke. Denn 27 Prozent der Strassenkinder in Odessa tragen den HI-Virus in sich. Sergey Kostin kennt das Leben “ganz unten” nicht nur aus beruflicher Erfahrung, sondern aus seiner eigenen Biographie.

Das Leben ganz unten: Seit den 90er Jahren überschwemmen Drogen das Land

Er war Anfang der 90er Jahre abhängig von schweren Drogen und musste hilflos zusehen, wie viele seiner Freunde an einer HIV-Infektion starben. “Die Drogen”, sagte er später, “waren der Anfang. Damals in den 90er-Jahren, als hier alles vor die Hunde ging, überschwemmten sie das Land. Auch ich nahm sie. Die Nadeln wurden weitergereicht und so begann HIV, vom dem wir alle keine Ahnung hatten, um sich zu greifen.” Kostin wollte etwas dagegen tun. Bat die örtlichen Behörden in der ukrainischen Stadt Odessa um Hilfe. Ohne Erfolg. Da begann Sergey, Kleider zu sammeln und sie an Obdachlose zu verteilen. Und darunter waren so viele Kinder und Jugendliche, dass Sergey beschloss, nur noch für sie zu arbeiten.

Das war 1996. Inzwischen ist “The Way Home” eines der bedeutendsten und renommiertesten Strassenkinder- und Aidsprojekte Osteuropas. Sergey Kostin erhielt für seine glänzende Arbeit mehrere Auszeichnungen. Die schönste verlieh ihm vielleicht das österreichische Magazin “News” – nicht mit Gold und Silber, sondern mit Worten: Ohne die Organisation “Way Home”, so schrieb es vor kurzem, wäre “die Hafenstadt Odessa, die Aids-Hochburg der Ukraine, wohl vollends verloren.”

“Nah dran sein” ist für die Sozialarbeiter/innen ein entscheidender Vorteil

In der Tat leistet “The Way Home” mit mobiler Jugendarbeit sowie mit sieben institutionellen Zentren einen Mammutanteil der Sozialarbeit in Odessa und füllt so Defizite, die der diktatorisch geführte Staat hinterlässt. Die aufsuchende Jugendarbeit leitet eine, die, wie Sergey, das Leben auf der Strasse auch aus eigener Erfahrung kennt: Ina Nikivarovna gehörte selbst zehn Jahre lang zur Zielgruppe. Drogenexperimente und Strassenleben haben ihr Leben geprägt. Ob nicht mancher Personalchef in Deutschland geschockt wäre, dass eine Person mit diesem Background in leitender Position eingestellt wird? Für die Sozialarbeit auf der Strasse freilich hat gerade dieser Hintergrund einen entscheidenden Vorteil: Ina geniesst, wie die Caritas-Beraterin Irene Berger festgestellt, unter den Jugendlichen eine hohe Akzeptanz. Auch aufgrund ihres “Outfits” können diese sie als ‘eine der ihren‘ erkennen.”

Für die mobile Jugendarbeit stehen im Projekt zwei Kleinbusse zur Verfügung, mit denen die Sozialarbeiter/innen täglich ausfahren, um Strassenkinder und -jugendliche an ihren Treffpunkten und Aufenthaltsorten aufzusuchen. Das sind meist ungenutzte Kellerräume, Hohlräume über und unter der Erde, in denen Heizungsrohre und Wasserleitungen verlaufen oder leer stehende Häuser. Mit dem Bus wird Essen ausgefahren sowie Medikamente für die medizinische Notversorgung. Die beiden Sozialarbeiter hören den Problemen der Jugendlichen zu, beraten sie bei der Suche nach Lösungen und bieten Trainings zu Themen wie Drogenkonsum oder HIV/Aids an.

Caritas international unterstützt neben dieser Arbeit die sozialen Dienste in räumlich voneinander getrennten Zenten ihres Partners “The Way Home”:

… in einem Wohnheim und offenen Angeboten für Kinder und Jugendliche:

Dies ist ein Jugendwohnheim mit 25 Schlafräumen mit jeweils zwei bis drei Betten, Toiletten und Duschen sowie einer Wohnung für Betreuungspersonal. Daneben: ein Sport- und Tanzsaal und Raum für Gruppenaktivitäten. Unter anderem führt das Personal dort eine Kunsttherapie mit grossem Erfolg durch. Zum Angebotsspektrum gehören ansonsten: Hausaufgabenbetreuung (die Heimbewohner gehen tagsüber in die Schule bzw. auf Fachschulen, um berufliche Perspektiven zu erhalten), berufliche Orientierung (Informationen über Studienmöglichkeiten und handwerkliche Berufe), Haushaltslehre, Life Skill Training, (Kommunikationstechniken, Üben, wie man vor Menschengruppen spricht etc.) , Musik, Tanz und Theater, Fernsehen, Sport und thematische Gruppenangebote, die sich auf Themen wie HIV/Aids, Kinderrechte, Gesundheitsfragen und anderes beziehen.

… in einer Familienberatungsstelle:

Diese bietet insbesondere armen Familien, Familien mit hohem Alkohol- und Drogenkonsum und Familien, in denen häusliche Gewalt an der Tagesordnung ist, umfassend Beratung. Das Hilfsangebot beinhaltet Rechtsberatung, Begleitung zu Behörden für die Inanspruchnahme von Hilfen, Begleitung zu medizinischer Behandlung und Trainings zu diversen rechtlichen Fragen, die für die Familien von Belang sind.

… in einem Drop-In-Zentrum:

Dieses Zentrum existiert erst seit neun Monaten. Es wurde notwendig, weil man in der mobilen Jugendarbeit erkannt hat, dass die Strasse für Gespräche und Überlegungen bezüglich eines Bruchs mit der bisherigen Lebensweise keine günstigen Bedingungen schafft. Es ist unter den drei Zentren das niedrigschwelligste Angebot und richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren, junge Erwachsene ab 18 Jahren, Drogenkonsumenten, Jugendliche, die auf der Strasse leben (ganz oder teilweise während der Sommerzeit) und an straffällig gewordene Jugendliche.

Gold für The Way Home

Als im Juni 2012 die Augen der (Fußball-)Welt auf die Ukraine gerichtet waren, schaute niemand auf die Jungen und Mädchen von “The Way Home”. Doch gerade für sie spielt Fussball eine bedeutende Rolle – auch für die Wiedereingliederung. Sie haben ein eigenes Strassenkinder-Team gebildet, das sich regelmässig mit anderen Mannschaften im Lande misst.

Einige der Jungs und Mädchen aus Odessa spielen in der Nationalmannschaft der Strassenkinder mit. Und dessen internationale Erfolge können sich sehen lassen. Vor drei Jahren, beim Strassenkinder-Fussball-Weltcup in Mailand – mit 58 Teilnehmenden weltweit – holten sie Gold. Da wurden sogar die Starkicker der europäischen Spitzen-Clubs Real Madrid und FC Barcelona auf sie aufmerksam: 2012 unterstützten sie mit einer Benefiz-Aktion das Projekt “The Way Home” und spendierten von ihren Starspielern signierte Bälle und T-Shirts für eine Auktion.

August 2014

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel