Keine frohen Weihnachten für christliche Flüchtlinge im Irak
Nothilfe für Vertriebene in Kurdistan hält an
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Kirche in Not: Kurdistan
“Kirche in Not”-Präsident Heine-Geldern: Nothilfe für Vertriebene in Kurdistan hält an – Fokus auf Schulen, Anmietung von Wohnungsraum und Arbeitsvermittlung.
Wien, kath.net/KAP, 17. Dezember 2014
Kaum Adventstimmung kommt bisher bei den vertriebenen Christen im Nordirak auf: “99,5 Prozent von ihnen sagen, dass für sie Weihnachten heuer infolge ihrer Traurigkeit und Ratlosigkeit entfällt”, hat der österreichische “Kirche in Not”-Präsident Thomas Heine-Geldern, der am Wochenende von einen mehrtägigen Besuch in Kurdistan zurückgekehrt ist, am Montag im Gespräch mit “Kathpress” berichtet.
Zwar sei die Nothilfe in der Region “sensationell gut” angelaufen, doch sähen viele Flüchtlinge kaum mehr Zukunft in ihrer Heimat, so der Leiter des katholischen Hilfswerks.
Mehr als 100.000 irakische Christen mussten seit Juni, als die islamistische Terrormiliz IS in den Nord- und Westirak vorgedrungen ist, aus ihrer Heimat fliehen. Die meisten haben in der nordirakischen Region Kurdistan Zuflucht gefunden, über 50.000 von ihnen alleine in der Stadt Erbil. Sie wohnen dort teils weiterhin in Behelfsunterkünften wie etwa in einem Containerdorf, Schulen oder Zelten im Zentrum des christlichen Stadtteils Ankawa, teils bereits in Häusern und Wohnungen, die – mit Unterstützung von “Kirche in Not” – für diesen Zweck angemietet wurden.
Angesichts der Notlage haben sich die Vertreter der christlichen Kirchen vor Ort, die in verschiedenste Konfessionen und Riten aufgespalten sind, in einer “interkonfessionellen Bischofskonferenz” zusammengeschlossen, um so die humanitären Hilfsmassnahmen besser zu koordinieren. Viel sei in den wenigen Monaten seither unter Federführung des chaldäischen Erzbischofs Bashar Matte Warda bewegt worden, so ein Zwischenresümee Heine-Gelderns. Weiterhin dauere allerdings die Phase der Nothilfe an, wobei Engpässe ausser bei der Wohnungssituation auch bei den Medikamenten sowie auch bei Nahrungsmitteln drohen – letztere, falls sich Gerüchte eines baldigen Auslaufens des “World Food Programms” der UNO bestätigen.
Erste von acht Schulen eröffnet
Alle Flüchtlinge in Erbil seien mit ihren Familien gekommen, weshalb die kirchlichen Hilfsmaßnahmen stets die ganzen Familien im Blick hätten, erklärte der “Kirche in Not”-Präsident. Das Hilfswerk hat fast die Hälfte seiner bisherigen Irak-Hilfen von insgesamt 4,6 Millionen Euro für die Errichtung von acht Schulen für insgesamt 15.000 Kinder bereitgestellt. “Wichtig war uns, dass die Schüler sowohl aus Flüchtlingsfamilien als auch aus den vor Ort ansässigen Familien stammen, damit eine Durchmischung stattfindet. Nötig ist die Massnahme zudem auch deshalb, da viele vormalige Schulen weiterhin als Flüchtlingsquartiere benötigt werden”, erklärte Heine-Geldern.
Der Schulunterricht in den acht neuen Schulen, von denen die erste in der Vorwoche bereits eröffnet wurde, findet künftig wochentags in bis zu drei Schichten statt, also am Vormittag, Nachmittag und Abend. Am Wochenende gibt es in den Räumen Religionsunterricht. Heine-Geldern: “Religion betrifft bei den Flüchtlingsfamilien alle Lebensbereiche. Schliesslich wurden sie ja auch gerade deshalb aus ihren Städten und Dörfern vertrieben, da sie sich weigerten, zum Islam zu konvertieren wie von der IS gefordert”. 60 Prozent der christlichen Flüchtlinge in Erbil seien zudem regelmässige Kirchgänger.
Weitere kirchliche Projekte widmen sich u.a. der Arbeitsvermittlung der ohnehin bereits ausgebildeten Flüchtlinge, um ihren Familien ein Leben in Eigenverantwortung und somit auch ein Stück Integration vor Ort zu ermöglichen.
Exodus dauert an
Langfristig sind die Perspektiven dennoch weiterhin düster, hält doch der Exodus der Christen unvermindert an: Statt 1,3 Millionen vor den Golfkriegen sind es heute nur noch 300.000 Christen, die in dem kriegsgeplagten Land leben. 70 Christen würden heute laut Angaben von Erzbischof Warda täglich Erbil verlassen, um über die Türkei und den Libanon nach Europa und die USA zu gelangen. “Als einziges Hoffnungsszenario für einen Verbleib im Land gilt das Zurückdrängen der IS-Truppen aus der Ninive-Ebene durch die irakische Armee und die kurdischen Peschmerga-Streitkräfte. Je länger das nicht stattfindet, desto mehr Menschen werden die Region verlassen”, so Heine-Geldern.
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