“Ein Mönch weist hin auf das Reich Gottes”

Abt Gregory Collins OSB begreift die Kirche als ein Geheimnis

Dormitio Abtei

Die Tagespost, 29. Dezember 2014

Von Oliver Maksan

Abt Gregory Collins OSB begreift die Kirche als ein Geheimnis, in dem Mönche versuchen, den Menschen etwas von der Wirklichkeit Gottes mitzuteilen.

Abt Gregory Collins OSB ist Ire. Er wurde in Belfast in Nordirland geboren. 1989 trat der promovierte Byzantinist in die irische Benediktinerabtei Glenstal ein. Dort war er jahrelang als Leiter der Klosterschule tätig, bevor er an die Benediktinerhochschule Sant’Anselmo in Rom wechselte.

Seit 2011 steht er für eine achtjährige Amtszeit der deutschsprachigen Benediktinerabtei “Dormitio” am Rande der Jerusalemer Altstadt vor. 21 Mönche gehören dem Kloster derzeit an. Ein Teil lebt im Priorat Tabgha am See Genesaret. “Meine nordirische Herkunft hat mich gut auf das Heilige Land und seine Konflikte vorbereitet”, sagt er.

Abt Gregory, Mönch-Sein im Heiligen Land: Unterscheidet sich das vom Mönch-Sein anderswo?

Nun, wir sind Benediktiner. Wir leben in Gemeinschaft unter der Leitung eines Abtes. Unsere Hauptaufgabe ist es, mehrmals am Tag das Lob Gottes zu singen. Das ist die Struktur von Benediktinerklöstern überall auf der Welt. Aber wir Benediktiner sind kein zentralisierter Orden wie andere. Dagegen haben wir uns immer gewehrt. Die einzelnen Klöster, in die man eintritt und an die man sich für sein Leben bindet, haben ihre Eigenart. Hier in Jerusalem ist es natürlich so, dass die meisten Mönche Ausländer sind. Für mich persönlich kommt hinzu, dass ich als englischsprachiger Mensch in eine deutschsprachige Gemeinschaft komme. Umso wichtiger ist für mich, dass wir das benediktinische Gelübde der stabilitas loci, der Ortsbeständigkeit, ernst nehmen und uns als Gemeinschaft hier in Jerusalem und im Heiligen Land konsolidieren. Unsere Mönche haben versprochen, hier und nirgends sonst zu leben.

Ihre Abtei ist dem Geheimnis der Entschlafung der Gottesmutter gewidmet. Der Abendmahlssaal und die Grabeskirche sind nur einen Steinwurf entfernt. Wie bereichern die heiligen Orte das Mönch-Sein?

Ich persönlich – und da spreche ich wirklich nur für mich – kann nicht sagen, dass es viel ändert. Als Christ glaube ich, dass Christus von den Toten erstanden ist und in den Himmel aufgefahren ist, wo er zur Rechten des Vaters sitzt. In einem gewissen Sinne sind deshalb alle Plätze heilig. Aber wichtig sind die heiligen Orte und das ganze Heilige Land dennoch. Sie sind Zeugen der Inkarnation. Wir glauben nicht nur an eine Mythologie. Sondern wir glauben, dass Christus in Zeit und Raum lebte, starb und auferstand. Unter Pontius Pilatus, wie es im Credo heisst. Die heiligen Orte erinnern uns daran, dass die christliche Religion auf Geschichte gründet. Für mich sind sie also Zeugen des Glaubens. Und die Archäologie hat ja gezeigt, dass viele Stätten wie die Grabeskirche mit Recht als die historischen Orte des Lebens und Sterbens Christi gelten dürfen.

“Wahrheitsansprüche sind wichtig. Sie gehören zum Christentum”

Geschichtlichkeit und Glaube gehören also zusammen?

Ja. Wahrheitsansprüche sind wichtig. Sie gehören zum Christentum. Wir glauben, dass Gott Mensch wurde, starb und auferstand. Die heiligen Stätten zeugen wie gesagt davon. Besonders die byzantinischen Stätten gehen auf älteste Überlieferungen zurück und sind sehr verlässlich. Bei Kreuzfahrerstätten, die nicht auf einer byzantinischen Tradition aufbauen, kann das manchmal anders sein. Aber als Christen glauben wir nicht an den Golgothafelsen oder das leere Grab. Die wichtigsten Worte des Osterevangeliums sind, dass Christus auferstanden ist, dass er nicht mehr da ist. Christus füllt das ganze Universum. Er ist deshalb in einer Pfarrkirche in Deutschland genau so gegenwärtig wie hier in der Jerusalemer Grabeskirche.

Hatte der heilige Benedikt eine besondere Beziehung zum Heiligen Land?

Nein.

Welche Sendung hat Ihre Abtei im Heiligen Land?

Von Sendung würde ich nicht sprechen. Das gehört eher zu einer späteren Tradition des Ordenslebens. Das passt nicht zum Mönchtum, das seine Gestalt im ersten Jahrtausend gefunden hat. Anders als die später entstandenen Gemeinschaften sind wir nicht in erster Linie apostolisch tätig. Die Berufung eines Mönchs ist es, das Lob Gottes zu singen, an einem festen Ort zu leben und ihn zu einem Platz des Friedens und der Begegnung mit Gott zu machen, zu dem andere als Gäste eingeladen sind. Ein Mönch weist auf das Reich Gottes hin.

“Natürlich haben wir eine Ausstrahlung über das Kloster hinaus”

Aber die Dormitio ist nun schon ein sehr markanter Ort.

Natürlich haben wir eine Ausstrahlung über das Kloster hinaus. Zwei unserer Mönche sind Seelsorger für die deutschsprachigen Katholiken. Ausserdem haben wir das Studienjahr, wo junge Studenten Auslandssemester verbringen. Aber unsere grundsätzliche Berufung als Mönche ist es, uns auf das Geheimnis Gottes zu konzentrieren und die Einheit mit ihm als Einzelne wie als Gemeinschaft zu suchen. Das würde ich eher unser Zeugnis denn unsere Sendung nennen wollen. Das ist wichtig in einer Zeit, in der die Realität Gottes am Horizont verschwindet und weite Teile der westlichen Welt kein Interesse mehr daran haben.

Sie sind Mönch, der das Geheimnis Gottes in der Liturgie feiert, aber auch Theologe, der der Rationalität verpflichtet ist: Gibt es da einen Konflikt oder gar Widerspruch?

Ich wüsste nicht, wie man Theologie betreiben sollte, wenn man nicht aus dem Gebet und dem Glauben an Gott kommt. Hans Urs von Balthasar sagte, Theologie müsse auf den Knien beginnen. Alle authentische christliche Tradition sagt, dass wir von Gott im Gebet erst empfangen müssen, was wir dann in der Reflexion bedenken. Die Spaltung zwischen Spiritualität und Theologie ist meiner Meinung nach für beide desaströs.

Welchen Mehrwert, wann man so sagen darf, gewinnt eine Ortskirche durch die Präsenz eines monastischen Klosters?

Daraus spricht ein eher quantitatives Verständnis von Kirche. Ich begreife Kirche eher als Geheimnis, das den Menschen die Wirklichkeit Gottes mitteilen möchte. Und eine monastische Gemeinschaft versucht genau das. Sie schafft einen Platz, wo Gott angebetet wird, wo von ihm gesprochen wird. Es ist ein kontemplativer Ort, der andere einlädt, Gott ebenfalls zu begegnen. In unser Kloster kommen jedes Jahr viele tausend Besucher, Touristen, Pilger, Gäste. Man kann nicht wirklich messen, was daraus folgt. Mit der Ortskirche des Heiligen Landes selbst haben wir ein ausgezeichnetes Verhältnis. Sowohl der Lateinische Patriarch als auch seine Weihbischöfe sind uns eng verbunden.

Das Jahr der Orden: Wie nimmt Ihr Kloster daran teil?

Ich persönlich wurde eingeladen, Vorträge vor anderen Gemeinschaften hier im Heiligen Land zu halten. Aber als Mönche ist es wie gesagt vor allem unsere Aufgabe, zu beten und in Gemeinschaft zu leben. Die beste Art, zum Ordensjahr beizutragen, ist deshalb, diesen Auftrag ernst zu nehmen und so glaubhaft als möglich zu leben.

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