Ebola: Es trifft die Ärmsten

Papst Franziskus und kirchliche Hilfswerke schlagen Alarm

Don Bosco MondoDon Bosco Mondo

Die Seuche trifft die ohnehin schon Ärmsten am härtesten. Salesianer gehen unkonventionelle Wege. Schulunterricht in Zeiten von Ebola: Über Radio, Facebook oder WhatsApp.

Die Tagespost, 29. Oktober 2014

Von Michael Gregory

Auch wer überlebt, trägt die durch Ebola verursachten traumatisierenden Erfahrungen ein Leben lang mit sich. An Schulunterricht ist in Seuchengebieten nicht zu denken. Die Epidemie legt das soziale Leben lahm und raubt die Chance auf Bildung.

Am Mittwoch erhob Papst Franziskus seine Stimme und rief die internationale Gemeinschaft zum verstärkten Einsatz gegen die Ebola-Seuche in Afrika auf. Die unerbittliche Krankheit treffe Menschen, die ohnehin schon zu den Ärmsten gehörten, sagte Franziskus auf dem Petersplatz. Es bedürfe aller Anstrengungen der Weltgemeinschaft, um das Virus zu besiegen. “Ich bin mit meiner Liebe und im Gebet bei den Betroffenen wie auch bei den Ärzten, Pflegern, den Freiwilligen, den religiösen Einrichtungen und den Organisationen, die sich heldenhaft einsetzen, um unseren kranken Brüdern und Schwestern zu helfen”, versicherte der Papst und bat darum, ebenfalls für die Kranken und Toten zu beten.

Nicht nur der Papst, auch kirchliche Hilfswerke schlagen Alarm: Die Ebola-Epidemie in Westafrika treffe Kinder und Jugendliche am härtesten, teilte das in Bonn ansässige Hilfswerk “Don Bosco Mondo” der Salesianer jüngst mit. Allein in Sierra Leone sind nach Angaben des Ordens mehr als 2 220 Kinder direkt von Ebola betroffen. “Tendenz sprunghaft steigend”, so Don Bosco Mondo-Geschäftsführer Christian Osterhaus. Die Zahl der erkrankten Kinder und Jugendlichen sei in den letzten Tagen um 25 Prozent gestiegen: 674 sind Waisen, 1 569 befinden sich in Quarantäne. “Die Dunkelziffer liegt noch weit höher”, sagt der in Sierra Leones Hauptstadt Freetown tätige Salesianer-Bruder Lothar Wagner. Eine ganze Generation sei von Ebola um ihre Entwicklungschancen gebracht.

Tatsächlich sind in Sierra Leone und Liberia wegen Ebola alle rund 13 000 Grund- und weiterführende Schulen geschlossen. 2,4 Millionen Kinder und Jugendliche bekommen seit den Sommerferien keinen Unterricht mehr. “Die Schulen werden nicht vor Ostern 2015 wieder öffnen”, sagt Pater Nicola Clarapica, Leiter des Don Bosco Jugendzentrums in Liberias Hauptstadt Monrovia. Die Salesianer zählen zu den wichtigsten Trägern von Bildungseinrichtungen vor Ort. Mehr als 8 000 junge Menschen gehen in Liberia und Sierra Leone in Don Bosco-Schulen, deren Zukunft ebenfalls ungewiss ist.

Dennoch gibt es Zeichen der Hoffnung. So zeigt sich: Not macht erfinderisch. Durch völlig neue, unkonventionelle Wege in der Pädagogik versuchen die Salesianer wenigsten einigen der betroffenen Jugendlichen Unterricht zu ermöglichen. Für sie entwerfen Lehrer derzeit alternative Lehrmethoden. So ist eine eigene Radiostation im Aufbau, um Unterrichtsprogramme in umliegende Dörfer zu übertragen. Die jüngeren Schüler werden mit solarbetriebenen Radios ausgestattet, mit denen sie die Unterrichtsstunden über den Äther empfangen können. Für die Älteren gibt es multimediale Konzepte, um die sozialen Netzwerke wie WhatsApp und Facebook für den “Unterricht auf Distanz” zu nutzen.

“Die Ebola-Epidemie raubt den jungen Menschen ihr Recht auf Bildung in den ohnehin krisengeschüttelten Länder Westafrikas”, so Osterhaus, der für die Arbeit der Salesianer um Spenden bittet. Entwicklungserfolge der vergangenen Jahre würden zunichte gemacht. “Die Gesundheitskatastrophe legt das soziale Leben lahm. Keine Bildung, kein Handel, keine Investitionen, keine Landwirtschaft. Besonders dramatisch: Die Epidemie bricht in einer Zeit des Aufbruchs mit erstmals hohen Wachstumsraten seit dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg aus. Fortschritte in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Tourismus werden zunichte gemacht.”

Schon jetzt hat Ebola den inneren Frieden in der Region ins Wanken gebracht, ein Klima der Angst entstehen lassen und das gesellschaftliche Leben paralysiert. So ist es in Sierra Leone durch einen Streit mit Ebola-Helfern in der vergangenen Woche erneut zu Unruhen gekommen. In der Stadt Koidu im Osten griffen Jugendliche Polizisten mit Knüppeln, Buschmessern und Flinten an, berichtete Polizeichef David Koroma im Radio. Es habe mehrere Verletzte, aber keine Toten gegeben. Einige Randalierer wurden Koroma zufolge festgenommen. Die Polizei verhängte eine Ausgangssperre. Ausgelöst wurden die Unruhen dadurch, dass ein Helfer-Team bei einer 90-jährigen Frau mit Ebola-Verdacht eine Blutprobe entnehmen wollte. Jugendliche Verwandte der Greisin verwehrten dies und griffen Sicherheitskräfte an, als diese die Blutprobe erzwingen wollten.

Nachdem einige Wochen verstrichen sind, ist nun auch die kirchliche Unterstützung in den Krisengebieten voll in Gang gekommen. “Wir wollten sicherstellen, dass die Hilfe wirklich ankommt und solide umgesetzt wird. Das gelingt nur mit vertrauenswürdigen Partnern und Strukturen vor Ort. Der Aufbau dieser Strukturen hat eine gewisse Zeit in Anspruch genommen, doch jetzt sind wir in der Lage, rasch und zielgerichtet zu helfen”, erklärt Misereor-Sprecher Ralf Allgaier im Gespräch mit der “Tagespost”. Ein Teil der von Misereor zur Verfügung gestellten Soforthilfe in Höhe von 400 000 Euro wurde für die Bereitstellung von 130 Sets für Infektionsschutz in den liberianischen Gesundheitseinrichtungen eingesetzt, jetzt ist das Hilfswerk auf weitere Spenden angewiesen. Misereor arbeitet in Monrovia mit dem “Mother Patern College of Health Sciences” zusammen. In 14 Gesundheitsstationen werden Patienten aufgenommen und bei Ebola-Verdacht erstversorgt und an spezialisierte Ebola-Stationen weitervermittelt. Das Personal wurde geschult und Schutzanzüge bereitgestellt. “Die Angst beim Personal ist ein ständiger Begleiter, aber die Fortbildungen und die Schulungen geben Selbstvertrauen und Sicherheit”, sagt Sister Barbara Brillant, Leiterin des Schulungszentrums. Auch die Aufklärung der Bevölkerung über die Epidemie greife langsam. “Die Menschen trauen sich wieder, Krankenhäuser und Gesundheitsstationen zu betreten und sich behandeln zu lassen. Es kommen immer mehr Ebola-Patienten, aber vor allem auch wieder Patienten mit anderen Krankheiten. Das ist ein Zeichen, dass die Menschen wieder Vertrauen in unsere medizinische Betreuung haben”, so Sister Barbara. Vor Ort setzen sich die Helfer meist weit über das normale Mass bei der Bekämpfung von Ebola ein. “Auch wenn in der deutschen Berichterstattung überwiegend die ausländischen Ärzte und Helfer im Mittelpunkt stehen, so sind es doch vor allem die einheimischen Fachkräfte, die jeden Tag bis ans Ende ihrer physischen und psychischen Grenzen gehen, um ihren Mitmenschen zu helfen”, sagt Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. “Wir stellen uns darauf ein, die Menschen in Westafrika noch Monate in ihrem Kampf gegen Ebola zu unterstützen.”

Misereor kooperiert mit dem Missionsärztlichen Institut in Würzburg. Um die Erfordernisse vor Ort zu erkunden, war jetzt der Würzburger Arzt Klemens Ochel in Monrovia. Die Lage sei dramatisch, so Ochel. Viele aus den medizinisch schlecht versorgten Dörfern strömten derzeit nach Monrovia. “Da viele von ihnen oft mittellos sind, leben sie in Slums.” Und dort könne sich das Virus ungehemmt ausbreiten.

Während im Westen – befeuert von einer mitunter reisserischen Berichterstattung – aufgeregt darüber diskutiert wird, wie der Übergriff von Ebola verhindert werden kann, veröffentlichte die WHO neueste Zahlen zur Ebola-Epidemie. Sie zeigen: Das zentrale Problem liegt in Westafrika. Dort muss es angegangen werden. Inzwischen sind fast 5 000 Menschen an dem Virus gestorben, mehr als 10 000 haben sich infiziert. Allerdings müsse man von einer grossen Dunkelziffer ausgehen.

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