Zukunft der Ehe steht und fällt mit Vorbereitung

Sakramente feiern und leben im Raum des Glaubens

Plädoyer für eine Erneuerung der Tauf- und Ehepastoral.

Die Tagespost, 08.09.2014, Von Helmut Hoping

Nach der Taufe geht der Weg des Christen weiter: Es lohnt sich, Zeit und Energie in die Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente zu investieren – insbesondere in Bezug auf die Ehe gibt es noch viel zu tun.

Wenn Eltern um die Taufe ihres Kindes bitten, verbinden sie damit nicht selten die Vorstellung einer religiösen Feier anlässlich der Geburt des Kindes oder seiner Namensgebung. Oder sie betrachten die Taufe als eine Art Schutzzeichen gegen das Böse.

Von ihrem Sinngehalt ist die Taufe aber weder ein Geburtsritual noch ein apotropäisches Symbol (das “Gebet um Schutz vor dem Bösen”, das der Taufhandlung vorausgeht, hat die Form eines fürbittenden Gebets). Die Taufe ist nicht das Sakrament der Geburt oder der Menschenwürde, sondern das Sakrament der Wiedergeburt und Rechtfertigung der menschlichen Person: Der Macht der Sünde entrissen wird der Täufling mit Christus untrennbar verbunden, in die Kirche eingegliedert und ihre sakramentale Gemeinschaft aufgenommen.

Die Taufe ist kein magisches Ritual, sondern ein Sakrament des Glaubens. Wie jedes Sakrament setzt auch die Taufe den Glauben voraus, bringt ihn zum Ausdruck und stärkt ihn. Sakramente kommen ex opere operato, aus ihrem gültigen Vollzug heraus, zustande. Dies gilt auch für die Taufe. Doch kann die Taufe nur wirksam werden, wenn sie im Raum des Glaubens gefeiert und gelebt wird. Grundvoraussetzung der Taufe ist daher das Bekenntnis zum Glauben der Kirche. Bei der Taufe älterer Kinder, Jugendlicher oder Erwachsener bekennt der Täufling selbst den Glauben. Bei der Kindertaufe bekennen die Eltern stellvertretend für den Täufling den Glauben. Zugleich versprechen sie, ihre Kinder im Glauben zu erziehen, mit ihnen zu beten und ihnen zu helfen, ihren Platz in der Gemeinschaft der Kirche zu finden. Bei vielen Eltern fehlen dazu heute die Voraussetzungen, da sie den Glauben nicht kennen oder ihr Leben davon nicht wirklich bestimmt ist. Der religiöse Analphabetismus von Eltern, die um die Taufe ihres Kindes bitten, geht mitunter so weit, dass sie das”Vater unser” nach der Taufe nicht mitsprechen können.

Taufaufschub und “Taufe in zwei Stufen”

Der Zusammenhang von Glaube und Taufe verlangt es, dass die christliche Erziehung der Kinder, die getauft werden sollen, guten Gewissens, das heisst mit Gründen, vorausgesetzt werden kann (CIC/1983 can. 851). Wo keine reelle Chance auf eine christliche Erziehung besteht, sieht das kanonische Recht einen Taufaufschub vor (CIC can. 868 § 1). Die zweite Ausgabe des Gottesdienstbuches “Die Feier der Kindertaufe” (2007) empfiehlt in diesem Fall, das Kind zunächst zu segnen und mit den Eltern einen katechumenalen Weg zu gehen, der zur Taufe ihres Kindes hinführt. Man spricht bei dieser Form der christlichen Initiation von einer “Taufe in zwei Stufen“. Tatsächlich handelt es sich um eine Art Taufaufschub.

Der Taufaufschub spielt in unseren Gemeinden keine nennenswerte Rolle, da die meisten Pfarrer ihn aus “pastoralen Gründen“ ablehnen. Doch welche pastoralen Gründe sollten das sein? Wohl kaum die Sorge um das “Seelenheil“ ungetauft verstorbener Kinder, die meinen Pfarrer aus Kindertagen noch umgetrieben hat. Die Vorstellung, ungetauft verstorbene Kinder kämen nicht in den Himmel, sondern in eine Art Vorhölle (limbus puerorum/infantium), stellt keine verbindliche Lehre der Kirche dar, es handelt sich um eine theologische Lehrmeinung, die heute nur noch ganz selten vertreten wird. Zu diesem Ergebnis, das von Benedikt XVI. bestätigt wurde, kam eine Untersuchung der “Internationalen Theologischen Kommission” (2007) im Auftrag der Kongregation für den Glauben.

Es sind keine theologischen Gründe, die gegen einen möglichen Taufaufschub vorgebracht werden, sondern praktische Überlegungen: Da man sich unter den Pfarrern in Sachen des Taufaufschubs nicht einig ist, könnte ein Taufaufschub leicht umgangen werden. Manche Priester befürchten vielleicht, ein Taufaufschub würde das Image der Kirche beschädigen, denn es könnte der Eindruck entstehen, die Kirche verweigere Eltern die Taufe ihres Kindes. Man darf aber nicht vergessen, dass es der mit dem Sakrament der Taufe verbundenen Berufung widerspricht, wenn die sakramentale Wirklichkeit der Taufe im Leben des Getauften keine erfahrbare Realität darstellt. Unser Christsein, das in der Taufe gründet, ist auf ein Leben aus dem Glauben und der Kraft der Sakramente hingeordnet. Um es drastisch zu sagen: Man tauft nicht für das Taufregister oder um potenzielle Kirchensteuerzahler zu gewinnen. Die missionarische Vitalität einer Ortskirche bemisst sich auch nicht an der jährlichen Taufquote.

Es soll hier nicht bestritten werden, dass vor Ort vereinzelt fundierte Taufkatechesen mit Eltern und Paten existieren. Vielfach reduziert sich die Taufvorbereitung auf ein bis zwei Gespräche mit den Eltern. Das mag ausreichend sein, wo Eltern praktizierende Christen sind, die um ihren Glauben nicht nur wissen, sondern ihn auch vorleben. Beim Taufgespräch haben wir es aber immer öfter mit Eltern zu tun, deren Christsein weder in ihrem Alltag noch am Sonntag eine erkennbare Rolle spielt. Entscheidend ist aber, ob Menschen, die als Kind getauft wurden, zu Christus und einem Leben aus dem Glauben geführt werden. Natürlich liegt das nicht allein in menschlicher Hand. Die Taufgnade kann sich aber ohne das Zutun von Menschen nicht entfalten. Denn der Geist Christi wirkt nur dort, wo Menschen sich ihm öffnen.

Die Taufe ist Voraussetzung für eine christliche Ehe. In den ersten drei Jahrhunderten existierte noch kein eigener kirchlicher Ritus der Eheschliessung. Die Heiligkeit der Ehe gründete in der Taufe, ob diese nun vor oder nach einer Eheschliessung erfolgte. Zwar sind schon sehr früh Segnungen von Ehen nachweisbar (Ignatius von Antiochien, Tertullian). Doch ein eigener kirchlicher Ritus der Eheschliessung und die Lehre von der Ehe als Sakrament entwickelten sich nur langsam. Nach katholischer Ehelehre ist eine gültig geschlossene und vollzogene Ehe zwischen zwei Christen ein Sakrament und unauflöslich. Die sakramentale Ehe begründet ein Band zwischen den Ehepartnern, das bis zum Tod eines der beiden Ehepartner besteht, nach orthodoxem Verständnis sogar über den Tod hinaus.

Das zweite Konzil von Lyon (1274), das die Ehe als siebtes und letztes Sakrament der Kirche aufführt, bildete einen ersten Abschluss der kirchlichen Lehrentwicklung. Da nach scholastischer Lehre derjenige, der die Sakramentenformel spricht, als Spender des Sakramentes derjenigen gilt, die Form des Sakraments aber in der Konsenserklärung gesehen wurde, betrachtete man die Brautleute als Spender des Ehesakramentes. Diese Auffassung hat sich im römischen Ritus der Eheschliessung allerdings nie vollständig durchsetzen können. Im Ritus, wie er bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil vollzogen wurde und heute in der forma extraordinaria des Ritus weiterlebt, erklärt der Priester nach der Konsenserklärung und nachdem er die Stola um die rechte Hand der Brautleute gelegt hat: “Ego conjungo vos ad matrimonium. In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti. Amen“ (Ich verbinde euch zur Ehe. Im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes). Zwar spricht der erneuerte Ritus der kirchlichen Trauung von der Bestätigung der Ehe durch den Priester beziehungsweise Diakon. Doch kam es im Zuge der Liturgiereform zu einer signifikanten Aufwertung des Brautleutesegens und damit der Rolle des geistlichen Amtsträgers für die Spendung des Ehesakramentes. Kirchenrechtlich hatte das zwar bis heute keine Konsequenzen gehabt. Rechts- und Segenshandlung gehören bei der Feier der kirchlichen Trauung aber heute untrennbar zusammen. Die Segenshandlung stellt nicht nur etwas Dekoratives dar, wie noch Thomas von Aquin meinte. Die Lehre von der Identität von Vertrag und Sakrament kann nicht meinen, dass die Ehe nur ein “rechtlich Ding“ sei. Denn die Ehe ist Sakrament, bei dessen Feier der Priester oder Diakon durch den von ihm erteilten Brautleutesegen aktiv beteiligt ist.

Wie das Sakrament der Taufe setzt auch das Ehesakrament den Glauben voraus. Oft ist der Glaube der Brautleute aber nur noch sehr rudimentär vorhanden, so dass man das nötige geistliche Fundament für eine kirchliche Trauung einfach nicht voraussetzen kann. Die veränderte pastorale Lage macht es heute erforderlich, über die individuelle Glaubenssituation der Brautleute offen zu sprechen und das Ehe- und Familienverständnis der katholischen Kirche präzise und umfassend zu vermitteln. Oft umfasst die Ehevorbereitung aber nur das förmliche Verfahren des Eheprotokolls sowie Überlegungen zur Gestaltung der gottesdienstlichen Feier.

Zur wirksamen Entfaltung des Ehesakramentes bedarf es eines gelebten Glaubens an den treuen Gott, die Gegenwart Christi in der Kirche und seines Geistes im gemeinsamen Leben der Eheleute. Darauf muss eine fundierte Ehevorbereitung hingeordnet sein. Voraussetzen kann sie ihn heute immer weniger. Was ein eingeschränkter oder fehlender Glaube an die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe für die Gültigkeit einer kirchlichen Trauung bedeutet, ist eine schwierige Frage, auf die Dogmatik und Kanonistik aber eine Antwort finden müssen.

Die kirchliche Trauung sollte, soweit möglich, innerhalb einer Messfeier erfolgen (SC 78). Denn das Sakrament der Eucharistie ist gleichsam das Siegel der christlichen Ehe. Wie sehr sich die Lage in der Ehepastoral verändert hat, erkennt man daran, dass Eheschliessungen unter Katholiken inzwischen vermehrt in Wort-Gottes-Feiern erfolgen, da die Eucharistie im Leben vieler Brautleute keine erfahrbare Realität mehr darstellt. Das ist prekär, weil nach katholischem Verständnis die christliche Ehe und Familie eine Art “Hauskirche“ (LG 11) darstellt, in der Eheleute ihren Kindern die ersten Glaubensboten sein sollen. Doch was ist “Hauskirche“ ohne Gebet, Glaubensunterweisung und die regelmässige Teilnahme an der Feier der Eucharistie?

Die lebenslange christliche Ehe aus der Kraft des Glaubens, des Gebets und der Eucharistie ist eine Form des Lebens in der Nachfolge Jesu, die heute nicht weniger anspruchsvoll ist als die zölibatäre Lebensform um des Himmelreiches willen für jene, die dazu berufen sind. Angesichts der Scheidungsrate, fast jede zweite Ehe wird heute geschieden, stellt die lebenslange christliche Ehe ein prophetisches Zeichen für die unverbrüchliche Treue Gottes zu uns Menschen dar. Zugleich ist sie ein Bild der Treue Christi zu seiner Kirche und der Gegenwart des Geistes seiner Liebe. Um eine erfüllte christliche Ehe führen zu können, bedarf es nicht nur einer der Glaubenssituation der Brautleute angemessenen Vorbereitung, sondern ebenso einer pastoralen und spirituellen Begleitung der geschlossenen Ehen. Es ist fatal, dass die öffentliche Debatte im Vorfeld der Bischofssynoden zur Ehe und Familie (2014/2015) sich fast ausschliesslich auf die Frage einer möglichen Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene fokussiert. Übersehen werden dabei die gravierenden Mängel in der Ehevorbereitung und die Situation schuldlos verlassener Ehepartner, die unverheiratet bleiben.

Die Zukunft der christlichen Ehe steht und fällt mit einer angemessenen Ehevorbereitung. Wenn Männer sich auf den Weg machen, Priester zu werden, bereitet man sie auf die Weihe und das damit verbundene Versprechen, zölibatär zu leben, intensiv vor. Eine auch nur in Ansätzen vergleichbare Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe gibt es nicht. Wäre es nicht sinnvoll, der sakramentalen Ehe eine verbindliche Verlobungszeit vorausgehen zu lassen, ein Ehekatechumenat, das rituell mit einem Segen des Paares eröffnet wird? Vor der kirchlichen Trauung sollte das Busssakrament empfangen werden. Eine Verlobungszeit würde auch die Chance bieten, das Firmsakrament zu spenden, sofern dieses noch nicht empfangen wurde.

Der Vorschlag einer verbindlichen Verlobungszeit und eines Ehekatechumenats mag auf den ersten Blick unrealistisch erscheinen. Die Zukunft der kirchlichen Ehevorbereitung kann nicht darin bestehen, die Anforderungen an die kirchliche Trauung immer weiter herunterzuschrauben. Denn es ist zutiefst widersprüchlich, an den Glauben der Brautleute und den Nachweis ihres Willens zur sakramentalen Ehe nur geringe Anforderungen zu stellen, nach einem möglichen Scheitern der Ehe aber den klaren und festen Ehewillen zu unterstellen. Zuletzt hatte deshalb Papst Benedikt XVI. angemahnt, bei der Vorbereitung der Brautleute auf die Ehe und der Prüfung ihres Ehewillens grösste pastorale Sorgfalt walten zu lassen (Sacramentum caritatis Nr. 29). Vielleicht könnte durch eine intensivere Ehevorbereitung auch die Scheidungsquote bei christlichen Ehen gesenkt werden.

Erneuerung der Tauf- und Ehepastoral

Um in der Tauf- und Ehepastoral neue, auch unkonventionelle Wege gehen zu können, braucht es von den Bischöfen bis zu den Priestern und Diakonen die Einsicht, dass nicht die Quote der Taufen und kirchlichen Trauungen zählen darf, auf die unsere kirchensteuerfinanzierte Kirche so sehr fixiert ist. Entscheidend ist, ob Christen ihre Taufberufung leben, ob Eheleute das Sakrament Ehe im Raum des Glaubens mit Leben erfüllen, so wie auch die mit der Weihe geistlicher Amtsträger verbundene Sendung gelebt werden muss. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: Wer mit Christus durch die Taufe verbunden ist, soll entsprechend seines Standes “die Heiligung, die er empfangen hat, mit Gottes Gnade im Leben bewahren und zur vollen Entfaltung bringen” (LG 40), um so der “allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der Kirche” (LG 39–42) zu entsprechen. Eine Tauf- und Ehepastoral ist daran zu messen, ob sie Christen hilft, ihrer Berufung zur Heiligkeit gemäss zu leben.

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