Wo bleibt der Aufschrei?

Sie leiden, sie sterben, sie fliehen und die Welt schaut zu

Markus RederDie Tagespost, 01. August 2014

Von Markus Reder

Sie leiden, sie sterben, sie fliehen und die Welt schaut zu. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis weite Teile des Irak “christenfrei” sind.

“Christenfrei”, was für ein entsetzliches Wort.

Mit dem erzwungenen Exodus der Christen wird nach mehr als 1 800 Jahren ein Land seiner christlichen Tradition und Kultur beraubt. Aber es geht nicht allein um die Zukunft des Christentums, sondern grundsätzlich um Menschenwürde und die Chancen auf ein friedliches Zusammenleben von Völkern und Religionen.

Die bestialische Brutalität, mit der die islamistischen Fanatiker der IS-Terrormilizen zu Werke gehen, macht all das zunichte. Immer wieder haben Papst und Bischöfe in den vergangenen Monaten auf die Bedrohung hingewiesen, zu Solidarität und Gebet aufgerufen und an die internationale Gemeinschaft appelliert. In dieser Woche nun hat der Vatikan erneut eine Initiative für die bedrängten Christen im Irak gestartet, diesmal auf diplomatischem Weg. Das vatikanische Staatssekretariat hat an alle beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter ein offizielles diplomatisches Schreiben gesandt. In dieser sogenannten “Verbalnote” an die Regierungen von mehr als 170 Staaten ruft Rom zur Hilfe für die Christen in Nahost auf. Das Signal ist deutlich: Papst Franziskus setzt alle Hebel in Bewegung, damit sich die internationale Gemeinschaft endlich die Lage der Christen “zu Herzen” nimmt, wie es Erzbischof Mamberti in Diplomatensprache formulierte.

Doch die Appelle von Papst und Bischöfen drohen genauso zu verhallen wie die Hilfeschreie von Christen und Muslimen im Irak oder in Syrien. Es sei zum Verzweifeln, dass es keinen Aufschrei gegen die Brutalität der Islamisten gebe, beschreibt der Vorsitzende der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Volker Kauder (CDU), die Situation treffend. Man kann darüber streiten, ob internationale Gemeinschaft und Medienöffentlichkeit dem Leiden der Christen mit tätigerer Solidarität und grösserer Aufmerksamkeit begegnen würden, gäbe es derzeit kein Blutvergiessen in Gaza, keinen Krieg zwischen Israel und der Hamas, keine Ukraine-Krise. Wirklich sicher sein kann man sich leider nicht. Leid und Vertreibung der Christen im Irak und in anderen Regionen des Nahen Ostens drohen zum toten Winkel der Weltpolitik zu werden. Das darf Christen nirgendwo auf der Welt kalt lassen.

Als die Taliban in Afghanistan die Buddha-Statuen von Bamiyan zerstörten, war das für viele im Westen wie ein Fanal. Der Aufschrei damals hat viele aus ihrem Wohlstandsschlaf gerissen. Jetzt schreien Christen um Hilfe. Doch ein wirkliches Bewusstsein dafür, was da im Irak oder in Syrien gerade auf dem Spiel steht, fehlt bei vielen im Westen noch immer.

Auch unter Christen.

 

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