Eucharistie- und “Glaubensverständnis”?
Beim Abendmal kommt es an den Tag
Quelle
Vatikan: Kongregation für die Glaubenslehre
Der Churer Bischof Vitus Huonder ordnet an, wie die katholische Kirche an der Eucharistiefeier mit Schwulen und Wiederverheirateten umzugehen hat. Empörte Theologinnen und Kirchenmitglieder wenden sich nun mit einem Appell an den Bischof.
Laut dem Bistum Chur sind Kirchenmitglieder, die sich zur Homosexualität bekennen, die Pille als Verhütungsmittel benutzen oder geschieden und wieder verheiratet sind, in einer “irregulären Situation”. Darum können sie laut Bistumsvorsteher Vitus Huonder zwar gesegnet werden, nicht aber die heilige Kommunion empfangen. Betroffene, die statt des gesegneten Brotes also dennoch den Segen des Pfarrers wünschen, sollen deshalb die Arme verschränken, um zu signalisieren, dass sie keine Kommunion empfangen können.
“Unglaublich, das bedeutet, die Leute an den Pranger zu stellen!”, empört sich ein Mitglied der katholischen Kirche. “Das ist schwarzes Mittelalter.” “Es ist höchst bedauerlich, dass Bischof Huonder mit Tunnelblick und Ignoranz gegenüber der Selbstverantwortung der Menschen handelt. Mit einer solchen Haltung fördert der Bischof die Isolation der römisch-katholischen Kirche von der modernen Gesellschaft.” Dies seien zwei von Hunderten von Mails, die sie seit Mittwoch erhalten habe, sagt die Luzerner Theologin Jacqueline Keune, die nach der erwähnten Verkündung des Churer Bistums (Ausgabe vom Montag) in die Tasten griff und zusammen mit zwei anderen Theologinnen einen Appell an den Bischof verfasste. Darin bezeichnet sie seinen Erlass als “beschämende Geste” und als “zutiefst demütigend und anmassend gegenüber Menschen, deren einziges Vergehen es ist, für ihre Sexualität Verantwortung zu übernehmen oder es nach einer gescheiterten Beziehung nochmals zu versuchen”.
Leute mit gesundem Menschenverstand könnten die Argumentation des Bischofs einfach nicht mehr akzeptieren, geschweige denn nachvollziehen, sagt Keune. “Wie soll man verstehen, dass bei Homosexuellen oder Wiederverheirateten das Sakrament der Kommunion nicht wirken soll, die Segnung hingegen schon?”, fragt sie rhetorisch. Ganz abgesehen davon sei es unfassbar, dass der Bischof in trockenem Juristendeutsch von Menschen in einer “irregulären Situation” spreche.
Nicht im Sinne Jesu
Als Theologin, die regelmässig Gottesdienste gestalte, wisse sie, “wie wichtig gerade für Menschen, die eine Scheidung oder ein Coming-out hinter sich haben, die Unterstützung ihres Umfeldes und damit auch der Kirche ist”. Der Bischof halte an einer theologischen Lehre fest, anstatt die Menschlichkeit im Sinne von Jesus von Nazareth ins Zentrum zu stellen.
Ihre Meinung findet Anklang. Es seien keine 24 Stunden vergangen, bis die empörten Reaktionen über Huonders Verhalten ihr Mailkonto regelrecht verstopften, sagt sie. Den Brief hatten die drei Frauen am Mittwoch per Mail zirkulieren lassen, um in den Pfarreikreisen für Unterstützung zu werben. “Wir hatten nicht mit einem solch riesigen Echo gerechnet.”
Keune erwartet nach dem Appell keine Schritte des Bischofs, dafür sei er wohl zu weltfremd. “Vielmehr erhoffe ich mir, dass die Gläubigen selbstbewusster werden, sich hinter die mutigen und weltoffenen Pfarreien ihrer Gemeinde stellen und auch Laientheologinnen und -theologen auffordern, Gottesdienst zu halten.” Damit ruft sie weiter zu Ungehorsam gegenüber der Kirchenleitung auf, denn dies ist bis heute nur geweihten Priestern erlaubt.
Auch Markus Heil, Diakon der katholischen Kirche Balsthal und Mit- initiant der Pfarrei-Initiative, hofft auf mehr Mut der Gläubigen. Vor allem aber auch auf den Mut der anderen Schweizer Bischöfe, ihre Meinung zu Vitus Huonder zu äussern. Die Pfarrei-Initiative hat zum Ziel, mittels zehn Thesen die Kirche zu modernisieren. Dazu gehört etwa, dass nicht zwischen “würdigen” und “unwürdigen” Personen bei der Erteilung von Sakramenten unterschieden wird, dass Frauen zu Priesterinnen geweiht werden können und der Gottesdienst gemeinsam mit anderen christlichen Kirchen gefeiert werden kann. Die Initiative wurde vor anderthalb Jahren von 539 Seelsorgern und über 1000 Sympathisantinnen und Sympathisanten unterzeichnet.
Hoffen auf weltoffene Geister
Das Bistum Chur hat vor Jahresfrist statt mit Dialogbereitschaft mit personellen Konsequenzen auf diese Forderungen reagiert. Laut Markus Heil hat der befürchtete Exodus zwar nicht stattgefunden. “Aber ich würde auch keine Entwarnung geben”, sagt er. Die Vorsteher der Bistümer Basel und St. Gallen, Felix Gmür und Markus Büchel, haben sich bezüglich der Initiative viel gesprächsbereiter gezeigt. “Allerdings ist seit der Glaubenskongregation im Juli nichts mehr gegangen”, lässt Heil seine Enttäuschung durchblicken. “Es wird Zeit, dass sich offenere Geister, zu denen ich Gmür und Büchel zähle, einmal zum Gebaren des Churer Bischofs äussern”, fordert er.
Karin Landolt
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