“Die Kirche wird verwundet”

“Die Kirche wird verwundet, aber der Glaube kann nie ganz zerstört werden”

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Fünf Todesopfer bei Anschlag auf kath. Kirche in Nigeria

Boko Haram attackiere zunehmend islamische Einrichtungen, weil Christen und Muslime gegen den Terror zusammenstehen, sagt der Bischof von Yola.

Die Tagespost, 25. Juli 2014, Von Stephan Baier

Die Entführung von fast 300 nigerianischen Schulmädchen löste vor hundert Tagen weltweite Proteste aus. Die versprochene internationale Hilfe im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram blieb jedoch aus. 

Die Diözese Yola des erst 44-jährigen Bischofs Stephen Dami Mamza liegt im Nordosten Nigerias, im Kerngebiet von Boko Haram. Hier fliehen viele Gläubige vor dem täglichen Terror aus ihren Dörfern. Ein Bruder des Bischofs kam bei einem Terrorangriff auf einen Militärstützpunkt in Maiduguri ums Leben.

Gegenüber Missio (missio-hilft.de/bokoharam) kritisierte der Bischof die Untätigkeit der Behörden. Im Gespräch mit der “Tagespost” erklärt er nun, warum er im Kampf um das Überleben der Kirche dennoch zuversichtlich bleibt.

Nahezu jeden Tag hören wir von neuen terroristischen Anschlägen in Nigeria. Zuletzt starben am Mittwoch bei zwei Bombenattentaten mindestens 75 Menschen. Wie stark ist eigentlich Boko Haram?

Es ist sehr schwer, das zu beurteilen, denn niemand sieht ihre Stärke genau. Sie attackieren jeden Tag irgendjemanden. Auch das Militär kann nicht genau sagen, wie stark Boko Haram tatsächlich ist.

Ist Nigerias Regierung unwillig oder unfähig, den Terrorismus einzudämmen?

Ich denke, die Regierung will Boko Haram schon eindämmen. Leider gibt es jedoch eine Menge Politik auch im Zusammenhang mit Boko Haram, so dass die Regierung bisher nicht in der Lage war, Boko Haram einzugrenzen. Jetzt gibt es strategische Überlegungen, um wohl mit noch mehr militärischer Kraft dagegen vorzugehen. Ganz bestimmt ist die Regierung willig, aber sie hat viele politische Interessen und Aspekte zu berücksichtigen. Boko Haram in den Griff zu bekommen, spielt für sie eine große Rolle.

Würden Sie Nigeria als einen gescheiterten Staat bezeichnen?

Nein, auf keinen Fall. Derzeit kann man keinesfalls davon sprechen, dass Nigeria ein gescheiterter Staat sei, denn Boko Haram ist lediglich konzentriert auf den Nordosten des Landes. Und selbst da können wir nicht von einem gescheiterten Staat sprechen, denn die Regierung nimmt ihre Verantwortung weiterhin wahr.

Die Entführung von fast 300 Schulmädchen vor mehr als hundert Tagen schockierte die Welt. Gibt es jetzt mehr internationale Unterstützung im Kampf gegen den Terror?

Es scheint keinerlei internationale Unterstützung zu geben. Wir sehen keinen Unterschied. Am Anfang hat die internationale Gemeinschaft eine Menge Lärm gemacht: Amerika, Grossbritannien, Kanada, Deutschland und alle Europäer. Sie versprachen anfangs lautstark, uns zu unterstützen. Aber wir spüren keinerlei Präsenz und keine Auswirkungen der Versprechen der internationalen Gemeinschaft.

Wer in Nigeria unterstützt Boko Haram?

Nun, die Regierung sagt, dass sie einige der Unterstützer kenne, aber es werden keine Namen genannt. Ich kann darüber nichts sagen, weil es keine öffentlichen Erklärungen dazu gibt.

Wie gewinnt Boko Haram noch immer Sympathien in der Bevölkerung?

Boko Haram gewinnt keine Sympathien, aber vielfach haben die Menschen gar keine Wahl. Wo es keine Präsenz des Militärs gibt, müssen viele Menschen Ja zu Boko Haram sagen, einfach um zu überleben, denn sie können gar nicht anders entscheiden. Boko Haram gewinnt weder die Sympathien der Christen noch die der Muslime.

Boko Haram greift nicht nur staatliche und christliche Einrichtungen an, sondern auch Moscheen und islamische Autoritäten. Zuletzt wurde in Kaduna ein hoher islamischer Würdenträger attackiert. Warum?

Am Anfang griffen die Terroristen vor allem öffentliche Institutionen sowie Kirchen und christliche Einrichtungen an. Aber das hat sich geändert. So viele Muslime wurden bereits Opfer der Attentate von Boko Haram! Christen und Muslime scheinen doch gegen die Aktivitäten von Boko Haram zusammenzustehen. Und das ist der Grund, weshalb jetzt viele Muslime angegriffen werden, denn Boko Haram hat keinen Rückhalt bei den Muslimen.

Blicken wir über die Grenzen Nigerias: Woher bekommen die Terroristen ihre Waffen, Geld und logistische Unterstützung?

Das sind Sicherheitsfragen, die von den nigerianischen staatlichen Einrichtungen beantwortet werden müssen. Mir als Zivilist fällt es schwer, darauf zu antworten. Ich denke aber, dass das nigerianische Militär wissen müsste, woher diese Waffen stammen. Es wird spekuliert, dass manche der Waffen vor allem aus Libyen kommen, durch Niger und Kamerun. Aber es gibt keine offiziellen Erklärungen darüber, woher sie derzeit ihre Waffen beziehen.

Wird die katholische Kirche in allen Regionen Nigerias überleben, auch im Kernland des Terrorismus?

Nun, sicherlich gibt es im Süden keinerlei Lebensgefahr für die katholische Kirche. Aber auch im Norden, wo viele Katholiken ermordet werden, ja sogar in Maiduguri arbeitet die Kirche derzeit, und sie wird auch weitergehen. Die Kirche wird natürlich verwundet: Viele Kirchen werden zerstört, viele Christen ermordet. Aber der Glaube kann nie ganz zerstört werden!

Was ist das Endziel von Boko Haram?

Ihr Endziel ist ganz klar: Sie wollen die totale Islamisierung Nord-Nigerias, ja letztlich die Islamisierung ganz Nigerias, ausgedehnt auch auf den Süden. Das ist ihr Plan. Ich glaube nicht, dass der nigerianische Staat angesichts des Terrorismus kollabieren wird, sondern dass der Staat fortfahren wird, den Terrorismus zu bekämpfen. Besonders wenn Nigeria internationale Unterstützung bekommt, wird Nigeria auch in der Zukunft kein gescheiterter Staat sein.

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