Glaube begründet die Einheit des Wissens

Katholische Universitäten sollten durch die Kirche geschützt und gefördert werden

katholische UniEine Tagung zu “Glaube und Uni” an der  KU Eichstätt. Von Alexander Riebel

Die Tagespost, 21. Mai 2014

Der Bildungsauftrag einer katholischen Universität sollte eigentlich selbstverständlich sein. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass auch solchen Universitäten, die aus katholischer Perspektive die dringende Auseinandersetzung mit der Kultur des Relativismus auf sich nehmen, allzu leicht dieselben Bürden auferlegt werden, unter denen auch andere Universitäten leiden.

Die einzige katholische Universität im deutschsprachigen Raum, die KU Eichstätt, unterliegt harten Sparzwängen, muss sich Rankings sowie Evaluationen stellen und ihre Existenz rechtfertigen. Dass es aber unabweisliche Gründe gibt, die für die Rechtfertigung und Förderung der katholischen Universität sprechen, darüber hat der Alfons-Fleischmann-Verein am Wochenende die Tagung “Glaube und Uni – Wie passt das zusammen?” in der KU Eichstätt veranstaltet.

Die Universität Eichstätt ist nicht nur unter Studenten beliebt, ihre außergewöhnliche Qualität wird auch in den Medien immer wieder gelobt – so lag sie jetzt wieder ganz vorne in der Bewertung der guten Betreuung der Studenten durch die Professoren. Umso mehr Grund, über das Wesen und die Zukunft der katholischen Universität nachzudenken, wie Stephan Ley, Vorsitzender des Alfons-Fleischmann-Vereins, in seiner Begrüssung zur Tagung sagte.

Ist aber, wie der Philosoph Martin Heidegger in seiner Antrittsvorlesung 1929 zum Thema “Was ist Metaphysik” ausführte, “die Verwurzelung der Wissenschaften in ihrem Wesensgrund abgestorben? Und “was geschieht Wesentliches mit uns im Grund des Daseins, sofern die Wissenschaft unsere Leidenschaft geworden ist?” Wird die Vielfalt der Disziplinen nur durch technische Organisation von Universitäten und Fakultäten zusammengehalten? Diese Frage stellte der Eichstätter Ordinarius für Dogmatik und Dogmengeschichte, Manfred Gerwing, an den Anfang seines äusserst anregenden Vortrags. Denn Heideggers Auffassung, die Wissenschaften seien entwurzelt und hätten keinen sie einigenden Grund, hatte schon Johannes Paul II. in seiner Apostolischen Konstitution “Ex Corde Ecclesiae”. Für Johannes Paul II. steht die katholische Universität in direkter Beziehung zur Kirche und muss als akademische Gemeinschaft verstanden werden, „die in strenger und kritischer Methode zum Schutz und zur Förderung der menschlichen Würde und zugleich des Kulturerbes ihren Beitrag leistet durch Forschung und Lehre und durch die verschiedenen Dienste, die sie den örtlichen, nationalen und internationalen Gemeinschaften zu deren Nutzen erbringt. Sie besitzt jene institutionelle Autonomie, die notwendig ist, damit sie ihre Aufgaben wirksam erfüllen kann, und sie gewährleistet ihren Mitgliedern die akademische Freiheit, unter Wahrung der Rechte des Individuums und der Gemeinschaft, innerhalb des Anspruchs der Wahrheit und des Gemeinwohls.“ Diese Förderung der menschlichen Würde und des Kulturerbes unternimmt die katholische Universität, weil ihr eigentlicher Gegenstand die göttliche Wahrheit ist: „Aufgrund einer gewissen Art von universalem Humanismus widmet sich die Katholische Universität voll und ganz der Erforschung aller Aspekte der Wahrheit in ihrer wesentlichen Verbindung mit der höchsten Wahrheit, die Gott ist.“ Diese Verbindung mit der höchsten Wahrheit sichert also den Bezug aller Disziplinen untereinander; für Heidegger war das nicht erkennbar, weil er eine entschieden nicht-christliche Sicht eingenommen hatte – ausdrücklich hat er sich von der christlichen Ontologie und später von der Phänomenologie abgesetzt. Wie Gerwing ausführte, geht es in dem päpstlichen Dokument um die charakteristischen Merkmale einer katholischen Universität. Dabei sei es von besonderer Relevanz, dass „die Apostolische Konstitution eine Ausführung des Codex Iuris Canonici von 1983 im hochschulrechtlichen Bereich darstelle und verlange, von den Bischofskonferenzen und anderen Organen der katholischen Kirche angewendet zu werden“. Katholische Universitäten müssen also unter Schutz und Förderung der Kirche stehen. Schon deswegen, weil die katholische Universität mit dem Evangelisierungsauftrag der Kirche verwoben ist, wie Johannes Paul II. festgelegt hat. Die institutionelle Autonomie und die akademische Freiheit des Lehrpersonals sind engstens verbunden. Das Ziel einer katholischen Universität sind nach „Ex Corde Ecclesiae“ somit der Mensch und die Suche nach der Wahrheit. Der Auftrag der Kirche, die Würde des Menschen zu schützen und zu fördern, wird von der Universität in Forschung und Lehre übernommen, um die Menschen christlich inspiriert zur Wahrheit zu führen.

Papst Johannes Paul II. ließ mit seiner Enzyklika „Fides et ratio“ die Vernunft wieder zu ihrer wahren Größe gelangen: Der Glaube muss auch verstanden werden können, nur so kann er Frucht bringen. Aber auch die Vernunft wird, wie Gerwing zeigte, durch Glaubenserkenntnis ergänzt. Die katholische Universität ist der Ort der Erforschung der Wahrheit der Dinge – Gott selbst wird in den Dingen dieser Welt entdeckt, formuliert Gerwing, oder wie er im Blick auf Heidegger zuspitzt, sei „bei aller wissenschaftlich notwendigen Konzentration auf die Zweitursachen die Option für de Erstursache nicht aus dem Blick zu verlieren“. Die Wissenschaften haben ihren höchsten einheitsgebenden Grund in Gott, wodurch es keinen Widerspruch zwischen den Vernunfterkenntnissen und den Glaubenswahrheiten geben kann. Denn die Wahrheit der Dinge und Erkenntnisse verweist auf Gott. Es kann daher auch gar nicht die Sorge geben, dass das Wissen in eine Vielheit zerfällt, die letztlich unübersichtlich wäre. Vielmehr stehen nach „Ex corde Ecclesiae“ die Disziplinen so im Gespräch, dass sie sich gegenseitig bereichern und deren Integration sichergestellt ist.

Erweiterte Vernunft hat auch eine ungewohnte Logik

Die Universität ist keineswegs nur der Ort für die Gesprächsbereitschaft zwischen Kirche und Wissenschaft, sondern die Apostolische Konstitution fordert, dass die Universität dieses Gespräch auch tatsächlich vollzieht. Die Forschung handelt damit nicht nur über den Glauben, sondern sie wird aus dem Glauben heraus vollzogen, wie Gerwing erläutert hat. Er zitierte auch die vielbeachtete „Ansprache an Wissenschaftler und Studenten im Kölner Dom“, in der Johannes Jaul II. 1980 die Verpflichtung der Kirche für die Wissenschaft unterstrichen hat: „Heute ist es die Kirche, die eintritt für die Vernunft und die Wissenschaft, der sie die Fähigkeit zur Wahrheit zutraut, welche sie als humanen Vollzug legitimiert. Heute ist es die Kirche, die eintritt für die Freiheit der Wissenschaft, durch die sie ihre Würde als menschliches, personales Gut hat. Heute ist es die Kirche, die eintritt für den Fortschritt im Dienste einer Menschheit, die seiner zur Sicherung ihres Lebens und ihrer Würde bedarf.“ An einer katholischen Universität müsste es also anders zugehen als an anderen Universitäten, wie Gerwing in der anschließenden Diskussion hervorhob. Es widerspreche der Apostolischen Konstitution, dass es Rankings und Spardruck gebe und das Lehrkräfte an der Zahl der Aufsätze gemessen werden. Auf jeden Fall müsse die Kirche die Voraussetzungen schaffen, finanziell wie in der Berufungspolitik, damit nach der Wahrheit geforscht werden kann.

Der Theologe Professor Klaus Berger, auch Autor dieser Zeitung, hielt seinen Vortrag über „Glaube und Wissen an der modernen Universität“. Er hält gar nichts von dem dreistufigen Modell Glaube – Theologie – Wissenschaft, wobei der Glaube nur subjektiv und bedeutungslos sei, die Wissenschaft aber objektiv. Auch dass Theologie keine Wissenschaft sei, komme ihm selbst von Kollegen zwischen Vorlesungspausen zu Ohren. Und selbst in Promotionskommissionen habe er schweigen sollen, weil er Theologe sei. Dabei sei doch der Glaube eine Erweiterung des Wissens. Berger nannte Edith Stein als Beispiel, die Karmeliterin geworden sei, um zu hören, was Gott zu sagen hat.

Die Erweiterung der Vernunft führt nach Berger auch dazu, der der Glaube nicht einfach vernunftgemäß ist. Denn es gibt auch absurden Glauben. So etwa, wenn Jesus sage, „sorgt Euch nicht“, sei dies eine Logik des tollkühnen Wegwissens. Oder wenn er sagte, „lasst die Toten ihre Toten begraben“, oder wenn er in der Bergpredigt elementare Selbstverteidigung verneine, dann sei dies eine Logik, die mit den Mitteln der formalen Wissenschaften nicht zu lösen ist. Aber sie bringt uns Gott näher. Kausalität jedenfalls sei nicht der Maßstab der Wirklichkeit – für die Theologie als Wissenschaft hält es Berger für entscheidend, dass sie nicht bestimmte Bereiche von vornherein ausschließt. Der „Glaube an Gott oder an eine bestimmte Dogmatik“ sei nicht deren Voraussetzung. Vielmehr hält Berger diejenige Sichtweise für durchsetzungsstark, sich durch maximale Weite von Fragestellungen und Methoden am schlüssigsten erklärt.

In der von Veit Neumann, Professor für Pastoraltheologie in St. Pölten, moderierten Podiumsdiskussion stellte Anton Burger, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensrechnung an der KU, die wirtschaftliche Sicht einer katholischen Universität dar. Weil Wirtschaft nie wertfrei sein könne, müsse sich die Kirche mit ihrer Soziallehre einbringen. Gewinnstreben könne nur Mittel zum Zweck für das Gemeinwohl sein. Für eine grundsätzliche Vorreiterrolle der Theologie unter den Wissenschaften plädierte Igna Kramp, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Exegese an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen. Für eine Vorreiterrolle in Demut, denn die Wahrheit habe uns – jede Kirchenreform sei auch eine Bildungsreform gewesen.

Die Beiträge werden in einem Buch des Echter Verlags erscheinen. Bei der Tagung wurde auch der soeben erschienene Band der vorigen Tagung „Auftrag und Image – Wo steht die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt in der Öffentlichkeit?“ vorgestellt, der über die KU Eichstätt in der Sicht der Medien handelt. Herausgeber sind Veit Neumann und Stephan Ley, Echter Verlag, 160 Seiten, EUR 15,–

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