Vier Päpste und ein Halleluja

Die bevorstehende Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. österlicher Fingerzeig

Petrus als Papst Peter Paul RubensDie bevorstehende Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ist kein katholisches Massenspektakel für Papst-Groupies, sondern ein österlicher Fingerzeig des Himmels für alle.

Die Tagespost, 17. April 2014, Von Markus Reder

So etwas hat es in der Geschichte der Kirche noch nie gegeben: Zwei neue heilige Päpste als Fürsprecher im Himmel, ein Papa emerito, der betet, und ein Papst im Amt. Kein Wunder also, wenn in diesen Ostertagen die Massen nach Rom strömen und Millionen Menschen weltweit die Übertragung der Heiligsprechung im Fernsehen oder in Kinosälen verfolgen.

Doch diese Heiligsprechung dient weder dem Personenkult, noch ist sie ein Massenevent für Papst-Groupies. Sie ist ein österlicher Fingerzeig des Himmels für alle. Das Wort des Herrn gilt unverbrüchlich: “Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.” (Mt 16, 18)

“Dieser Tag verbindet vier unterschiedliche Pontifikate zu einem Zeugnis. Man muss sich anstrengen, um darin keinen Wink des Heiligen Geistes zu sehen”

Die Heiligsprechung am Barmherzigkeitssonntag unterstreicht nicht nur das leuchtende Glaubensvorbild von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Auf bemerkenswerte Art und Weise verbindet dieser Tag gleich vier unterschiedliche Pontifikate zu einem gemeinsamen Zeugnis. Und man muss sich schon sehr anstrengen, um darin keinen Wink des Heiligen Geistes zu sehen.

Da ist zunächst Johannes Paul II., der Papst aus dem Osten, der in einem der längsten Pontifikate der Kirchengeschichte die Katholiken ins neue Jahrtausend führte. Ein Titan des Glaubens, Nachfolger Petri und Völkerapostel in einem. Der Mauerbrecher aus Polen hat massgeblich dazu beigetragen, den Kommunismus zu bezwingen, und mit gleicher prophetischer Wucht und Weitsicht die vernichtende Macht des Kapitalismus gegeisselt. Er war ein Weltveränderer, der zu Menschenmassen redete und dabei Einzelne ins Herz traf. Er war das Gewissen der Welt, weil er überall dort seine Stimme erhob, wo es galt, den Menschen zu verteidigen gegen seine Entwürdigung durch Ideologien wie durch die sich ausbreitende “Kultur des Todes”. Mehr als zwei Jahrzehnte hat Johannes Paul II. das Leben unzähliger Menschen geprägt, inspiriert, bereichert und herausgefordert. Endlos ist die Schar derer, die aus aller Welt kommen und Tag für Tag an seinem Grab in St. Peter beten und um Fürsprache bitten. Doch heiliggesprochen wird nicht der begnadete Politiker, auch nicht der Rebell der Menschlichkeit auf dem Stuhl Petri, sondern ein Mensch, der seinen Glauben, sein Priestertum in letzter Konsequenz gelebt und aus einer tiefen Gottesbeziehung so gestaltet hat, dass Christus durch ihn erfahr- und begreifbar wurde.

Ein historisches Pontifikat ganz anderer Art war das von Johannes XXIII. Zwar regierte er nur wenige Jahre, aber mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils schlug der Roncalli-Papst eine neue Seite der Kirchengeschichte auf und führte die Kirche in eine neue Zeit. Als der “Papa buono” ist er noch heute vielen Zeitgenossen in der Erinnerung. Sein Lächeln und seine ausgebreiteten Arme sind unvergessen. Für nachkonziliare Generationen ist dieser Visionär der Erneuerung bereits ein Pontifex aus einer anderen Zeit. Erfahrbar über schwarz-weiss Bilder verflüchtigen sich die Erzählungen mehr und mehr in Anekdoten, die – so sie denn zutreffen – der menschlichen und geistlichen Grösse dieses Heiligen nur wenig gerecht werden.

Ja, dieser Papst wollte eine tief greifende Erneuerung der Kirche. Doch dabei ging es ihm, anders als oft behauptet, gerade nicht um Anpassung an die Welt, sondern um eine Verlebendigung des Glaubens, damit das Evangelium mit neuem Mut und wacher Aufmerksamkeit gegenüber den “Zeichen der Zeit” kraftvoll verkündet werden kann. Nicht die Kirche sollte verweltlicht, die Welt sollte verchristlicht werden. Nicht die Laien sollten klerikalisiert werden, sondern zu Botschaftern des Evangeliums in der Welt werden. Das Konzil sei eine “prophetische Eingebung” dieses betagten Papstes gewesen, hob Johannes Paul II. bei der Seligsprechung des Roncalli-Papstes am 3. September 2000 hervor, ehe er aus dem Testament Johannes’ XXIII. Worte zitierte, in denen jene tiefe Christozentrik zum Ausdruck kommt, die das Leben des einfachen Bauernsohns aus Sotto il Monte auch als Papst geprägt hat: “Was im Leben am meisten gilt: Jesus Christus, seine heilige Kirche, sein Evangelium… die Wahrheit und die Güte.”

“Der Vorteil an Heiligen ist: Sie gehören nicht den Theologen, sondern dem ganzen gläubigen Volk, das mit ihnen gewöhnlich einen persönlicheren Umgang pflegt”

Die Heiligsprechung dieses charismatischen Papstes lädt dazu ein, sich erneut mit seiner Person, seinem Wirken und in besonderer Weise mit dem Konzil selbst auseinanderzusetzen. Dabei gilt es, ideologische Schichten und teils wüste Entstellungen abzutragen, die Vertreter einer entkirchlichten Theologie über dieses Konzil gelegt haben, um es für ihre Zwecke zu missbrauchen. Und offensichtlich muss man sich auch gegen allzu schnelles Vergessen stemmen. Das gilt nicht nur für das Konzil. So kann man nur staunen, wie der grosse lehramtliche Beitrag von Johannes Paul II. zu Ehe und Familie selbst unter kirchlichen Würdenträgern bereits dem Vergessen anheimzufallen droht.

Der Vorteil an Heiligen ist freilich: Sie gehören nicht den Theologen, sondern dem ganzen gläubigen Volk, das mit ihnen als himmlische Fürsprecher für gewöhnlich mehr anzufangen weiss und einen direkteren, persönlicheren Umgang pflegt. Einer, der stets ein feines Gespür für beide Zugänge hatte, für eine gesunde Volksfrömmigkeit wie für die Grösse und Schönheit vernünftiger Theologie, ist Benedikt XVI. Die Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sind untrennbar miteinander verbunden. Als Präfekt der Glaubenskongregation hatte Joseph Ratzinger das Jahrtausend-Pontifikat des Wojtyla-Papstes massgeblich mitgeprägt, ehe er ihm als Benedikt XVI. im Petrusdienst nachfolgte. Auf den Völkerapostel folgte ein Theologenpapst, der das von Johannes XXIII. ausgerufene Konzil selbst miterlebt hat und als Pontifex den 50. Jahrestag seiner Eröffnung beging, ehe er in einem spektakulären Schritt von seinem Amt zurücktrat. Untrennbar mit dem Namen Ratzinger/Benedikt verbunden ist die Diskussion um die Rezeption des Konzils. Der Mär von einer Hermeneutik des Bruchs setzte er jene Hermeneutik der Kontinuität entgegen, die den Dokumenten des Zweiten Vatikanums wie dem Willen der Konzilsväter gerecht wird.

Mit dem Pontifikat Benedikts ist der “Tisch der Theologie” nach dem Zweiten Vatikanum überreich gedeckt. Es wird keine zwanzig Jahre dauern, dann wird man diesen Papst als Kirchenlehrer verehren. Tragisch nur, dass dieses Bewusstsein ausgerechnet im deutschsprachigen Raum noch so unterentwickelt ist. Der Glaube ist einfach, hat Papst Benedikt gesagt. In Franziskus ist ihm ein Pontifex gefolgt, der in seiner ebenso gewinnenden wie fordernden Art die Einfachheit und Radikalität des Glaubens in Wort und Gesten zum Programm seiner Verkündigung macht. Dass er dabei wieder mit den Basics beginnt (Gottes Barmherzigkeit, persönliche Begegnung mit Jesus, Umkehr im Sakrament der Busse), zeigt eindrucksvoll, wie Neuevangelisierung funktioniert.

Aber auch bei Franziskus hat längst jener Prozess der selektiven Wahrnehmung und Instrumentalisierung begonnen, wie man ihn vom Umgang mit Johannes XXIII. und dem Zweiten Vatikanischen Konzil kennt. Dabei geht es gerade nicht darum, Päpste und ihre jeweiligen Charismen gegeneinander auszuspielen, sondern herauszuhören, was Gott durch sie der Kirche und der Welt in der jeweiligen Stunde der Geschichte sagen will. Diese Erkenntnis wächst nicht durch Vereinnahmung oder Ablehnung eines Papstes aufgrund eigener Kirchenträume, sondern durch die Bereitschaft, genau hinzuhören, sich selbst zu prüfen und am päpstlichen Lehramt Mass zu nehmen.

Wer sich dabei mit Äusserlichkeiten aufhält, läuft Gefahr, das Wesentliche zu verpassen: Jenes Christusbekenntnis des Petrus, das die Nachfolger des Menschenfischers aus Galiläa durch die Zeit tragen: “Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes”. Die Kirche als ältester global prayer der Welt hat im Petrusamt das Fundament der Wahrheit und der Einheit. Und sie hat – in einer globalisierten (Medien-)Welt besonders wichtig – einen obersten Repräsentanten, der als Statthalter Christi über alle territorialen wie mentalen Grenzen hinweg wahrgenommen wird. Wie dankbar dürfen Katholiken sein, dass ihnen inmitten der schweren Krise, die die Kirche des Westens derart beutelt, solche Päpste geschenkt sind.

Grund genug, dem österliche Halleluja ein Lied des Dankes hinterherzuschicken für diese Felsen des Glaubens.

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