Man sagt ‘Bischof Huonder’ und meint ‘kath. Kirche’

Der Churer Bischof vertritt die katholische Lehre ungekürzt, dafür wird er gehasst und bekämpft

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Eigentlich bekämpft und hasst man die katholische Lehre. Die Kirche, so scheint es, darf es nicht mehr länger geben. Ein Gastkommentar von Michael Gurtner

St. Gallen-Chur, kath.net, 14. Februar 2014

Für den 9. März plant der Schweizerische Katholische Frauenbund, zusammen mit einigen weiteren Gruppen, eine “Kundgebung für eine glaubwürdige und befreiende katholische Kirche Schweiz”. Bei diesem Protest geht es zumindest nach aussen hin um den regierenden Bischof zu Chur, Seine Exzellenz Dr. habil. Vitus Huonder. Es soll ein Wechsel der Bistumsleitung – und damit beispielsweise auch der Generalvikare – gefordert und erwirkt werden, oder zumindest die Ernennung eines Apostolischen Administrators im Sinne der Protestanten.

Liest man jedoch die Aussendung des Frauenbundes, so ist sofort und leicht erkennbar, dass der Protest gegen Exzellenz Huonder nichts Weiteres als ein Vorwand ist. Es geht in Wirklichkeit nicht gegen den Bischof, sondern gegen die Lehre der Kirche, welche angeklagt wird. Der Protest richtet sich nicht gegen einen Vitus Huonder, sondern gegen einen Jedermann, der es wagt katholisch zu sein. Im Folgenden wollen wir die Anliegen der Protestanten ernstnehmen, sie bedenken und auf diese einzeln eingehen um zu sehen, worum es ihnen geht. Wörtlich heisst es in der Aussendung:

“Wir haben genug von Ausgrenzung, von Diskriminierung, von Feudalismus und systematischem Infragestellen wertvoller staatskirchlicher Strukturen. Wir haben genug von disziplinierenden Bischöfen und hartherziger Theologie. Es ist Zeit, gemeinsam hinzustehen für eine Kirche, die wieder Freude macht, die den Menschen zugewandt und mit den Armen solidarisch ist, die mit Hoffnung ansteckt und sich um das Wesentliche kümmert.”

Gehen wir auf die einzelnen Wünsche und Behauptungen etwas näher ein:

1) Ausgrenzung

Erstgenannter Kritikpunkt ist eine angebliche Ausgrenzung. Gemeint ist damit die Aussage des Bischofs, dass nicht jeder Messbesucher automatisch auch sakramental kommunizieren kann.

Es ist zu unterstreichen und festzuhalten, dass dies keine persönliche Erfindung des Bischofs ist.

Es ist nicht der Bischof der verbietet, sondern er tut nichts anderes, als an die Lehre der katholischen Kirche zu erinnern und deren Einhaltung anzumahnen. Man wird es einem katholischen Bischof nicht vorwerfen können, wenn dieser die katholische Lehre vertritt und deren Umsetzung einfordert.

Wenn andere Geistliche – Priester wie Bischöfe – dies nicht tun, so ist darin lediglich eine schwere Vernachlässigung deren Amtspflicht sowie deren Katholikenpflicht zu sehen. Sie sind nicht der moralische Massstab, an dem sich Exzellenz Huonder auszurichten hätte. Im Gegenteil, wenn manche oder viele Geistliche in Verkündigung und Praxis nicht der Lehre der Kirche folgen, sondern falsch handeln, dann heisst dies noch lange nicht, dass auch alle anderen Priester und Bischöfe denselben Fehler begehen sollen, dürfen oder gar müssen. Ein Mangel bei vielen darf nicht zur Pflicht aller gemacht werden!

Dass die Kirche in ihrer Lehre und Disziplin so handeln muss wie sie handelt und dies für die Kirchenglieder auch vorschreibt, hat innere, zwingende theologische Gründe. Der Bischof zu Chur folgt der Lehre der Kirche, und auch die Kirche hat sich ihre Lehre nicht selbst entworfen und ausgedacht, sondern ist an die Lehre Jesu Christi gebunden. Der Zugang zu den Sakramenten richtet sich nicht nach zeitbedingten Gefühlen der Gesellschaft, sondern nach objektiven Kriterien, deren Ursprung in der ewigen Wahrheit Gottes gelegen ist.

Die Kirche hat in ihrer Lehre, Praxis und Disziplin die Offenbarungswahrheiten Gottes umzusetzen. Diese sind nicht davon abhängig, ob sie allen oder niemandem genehm sind. Wenn der Bischof zu Chur diese umsetzt, so tut er dies, weil er als guter Hirte handelt, der die Herde auf die grüne, nährende Weide und in den sicheren Stall führt. Nur dort wartet der eigentliche Herr der Herde auf sie.

2) Diskriminierung

Eine zweite Behauptung ist, dass Exzellenz Huonder “diskriminieren” würde. Damit ist die Haltung gemeint, welche die Kirche gegenüber Homosexuellen und Transsexuellen bzw. gegenüber der Gender-Ideologie im Generellen einnimmt, und welche auch der Bischof von Chur vertritt, weil sie jene Haltung ist, welche den Geboten Gottes entsprechend, und damit wahr ist.

Wer dies mit dem Etikett “Diskriminierung” behaftet macht damit deutlich, dass er den Konnex von Anthropologie und Theologie entweder nicht verstanden hat, oder es ablehnt, diese Wahrheit zu akzeptieren. Wenn die gegen den Bischof protestierenden Gruppen (unter anderem) auf Grund dessen Haltung zum Thema Homosexualität fordern, ihn abzusetzen, dann fordern sie nichts anderes, als einen katholischen Bischof abzusetzen weil dieser katholisch ist und die katholische Lehre der Kirche vertritt.

Eine Sache ist es, mit der katholischen Lehre nicht übereinzustimmen, und darin “Diskriminierung” zu sehen. Aber wirklich absurd wird es dann, wenn man einem Amtsträger der katholischen Kirche vorwirft die Lehre der katholischen Kirche zu vertreten, und als Konsequenz fordert, dass er deswegen sein Amt in der katholischen Kirche aufgeben müsse.

Was die Protestanten sagen, ist: “Exzellenz Huonder diskriminiert! Deshalb brauchen wir einen anderen Bischof!” Was sie jedoch meinen ist: “Die Lehre der katholischen Kirche ist diskriminierend! Deshalb brauchen wir eine andere Lehre!”. Sie haben in Wirklichkeit ein gewaltiges Problem mit der katholischen Lehre, und laden dies an der Person des Bischofs von Chur ab. Es geht ihnen in Wirklichkeit aber nicht um ihn, sondern um die Lehre der katholischen Kirche, welche er vertritt. Sie wollen nicht den Bischof nicht, sondern sie wollen die katholische Lehre nicht! Deshalb behaften sie diese, und mit ihr den Churer Bischof sowie alle anderen Geistlichen und Laien, welche die katholische Lehre vertreten, mit dem Vorwurf der Diskriminierung. Dies können sie aber nur, weil sie ihrem Denken nicht den Schöpfungswillen Gottes zugrunde legen, sondern ein gottloses Denkmuster der Welt, welches den Menschen losgelöst von Gott denkt.

3) Feudalismus

Je nachdem auf welchen Aspekt der feudalen Strukturen sich diese Kritik bezieht, hat sie eine vermutlich unfreiwillige Komik in sich. Zunächst sei daran erinnert, daß es zur Rhetorik der Aufklärung und des Marxismus gehörte, den zu bekämpfenden Gegner des “Feudalismus” zu bezichtigen, wobei Feudalismus als Begriff selbstverständlich stark negativ besetzt war und somit als schwerer Vorwurf galt. Marx sah in ihm den kleinen Bruder des von ihm so bekämpften Kapitalismus. Es ist ein Begriff, der in der Geschichte oft mit Revolten verbunden ist und zur Stimmungsmache verwendet wurde. Kritisiert wurde beim Feudalismus freilich nicht so sehr das Faktum, dass dieses System (solange es nicht abusiv eingesetzt wird) vielen Menschen eine Existenz sicherte, welche ansonsten vermutlich nicht ihren Platz in der Gesellschaft gefunden hätten. Die Kritik, welche im Feudalismus-Vorwurf im Vordergrund stand, sind nicht die 90%, welche als Ertrag behalten werden durfte, sondern die (meist) 10%igen Abgaben, welche an den Eigentümer der Scholle zu entrichten waren, der diese im Gegenzug zur Bewirtschaftung zur Verfügung stellte.

Dass gerade jene Gruppen, welche am Bischof sowohl einen angeblichen Feudalismus, als auch das “systematische Infragestellen wertvoller staatskirchlicher Strukturen” kritisieren, während sie selbst verbissen am System der Kirchensteuer (und damit einer Zwangsabgabe) festhalten und dieses auf Teufel komm raus verteidigen, ausgerechnet dem Bischof (der die bestehenden Strukturen ja in Frage stellt) “Feudalismus” vorwerfen, hat nun wirklich eine humorige Note in sich.

Nichts ist nämlich so feudal als die Kirchensteuer, welche in der Schweiz enorme Reichtümer ausmacht, von welchen der Bischof selbst aber kaum etwas sieht (bei weitem sind es keine 10%!), weil die Gelder Grossteils in der Staatskirche bleiben und kaum etwas an die Kirche selbst weitergeleitet wird. Feudalismus dient also einmal mehr als rein rhetorisches Element zur Stimmungsmache, ähnlich wie bereits in der Aufklärung und im Marxismus.

4) Systematisches Infragestellen wertvoller staatskirchlicher Strukturen

Bei dieser Anklage müssen wir ein wenig differenzieren. Dass der Bischof die staatskirchlichen Strukturen – die Bezeichnung “wertvoll” lassen wir vorerst einmal beiseite – “in Frage stellt” wollen wir gerne zugestehen. Doch müssen wir sofort auch die Gegenfrage stellen: weshalb soll dies etwas sein, was man ihm “anlasten” kann? Ist das Abnicken dieser schweizerischen Sonderstrukturen wirklich dermassen dogmatisch abgesichert, dass ein Hinterfragen oder “Infragestellen” derselben es gerechtfertigt sein lässt, die Absetzung eines Bischofs zu verlangen? Hier lässt die Wertung der Thematik verwundern. Einleitend seien deshalb zwei kurze Anmerkungen zum “Infragestellen” gemacht:

Zum einen verwundert es, dass ausgerechnet Gruppen, welche so gut wie alles der katholischen Lehre kritisieren und “in Frage stellen” es dem Bischof zum schweren Vorwurf machen, wenn auch dieser sich das Recht herausnimmt, diese Schweizerischen Sonderstrukturen in Frage zu stellen.

Es scheint, als dürfe man nach Meinung der Protestanten gegen den Bischof zwar die katholische Glaubenslehre und die Dogmen sehr wohl in Frage stellen, die staatskirchlichen Strukturen hingegen nicht. Ein durchwegs merkwürdiges Ungleichgewicht.

Mit dieser ersten Anmerkung – und damit wären wir beim Übergang zur zweiten Anmerkung angelangt – soll nicht ausgesagt sein, dass jeder alles oder keiner nichts in Frage stellen dürfe. Wenn wir auf dieses Ungleichgewicht hinweisen, dass diejenigen, die alles in Frage stellen ausgerechnet ein Infragestellen seitens des Bischofs als Abtrittsgrund anführen, so ist darin weder ein Freibrief zu sehen, dass man alles “in Frage stellen” darf, noch eine Absage an das Infragestellen an sich.

Es gibt nämlich durchaus Kriterien, welche das Infragestellen einer Sache als legitim oder obsolet qualifizieren. Der Unterschied ist allein im zu infragestellenden Objekt und dessen Klassifizierung gelegen. Was Dogma im engen oder weiten Sinne ist, d.h. verbindlicher Glaube der Kirche bzw. von Gott her stammende Wahrheit, oder mit dieser zusammenhängend ist, das ist tatsächlich einer legitimen Infragestellung entzogen. Was hingegen nicht diesem Bereich zugehörig ist, kann in Freiheit debattiert werden – wobei die freie Debatte allen zuzugestehen ist!

Es ist auffallend, dass im Unterschied zu den protestierenden Gruppen der Bischof zu Chur sehr wohl diese Differenzierung recht zu treffen weiss, denn er hat niemals etwas in Frage gestellt, was verbindliches Glaubensgut der Kirche, oder mit diesem in direkter Verbindung stehend ist.

Ganz anders hingegen die gegen den Bischof protestierenden Gruppen und Personen: deren Angriffe sind direkte Angriffe gegen die Glaubens- und Sittenlehre der Kirche und gegen göttliche Vorgaben, die kein Mensch zu ändern vermag. Darin ist ein sehr wesentlicher Unterschied der Infragestellung seitens des Bischofs und der Protestanten gelegen!

Konkret auf den Bereich der staatskirchlichen Strukturen angewandt bedeutet dies, dass man all jenes, was an diesen Strukturen nicht mit dem Glaubensgut der Kirche, speziell der Ekklesiologie, zusammenhängend ist, sehr wohl in Frage stellen darf – und dies gilt auch für den Bischof. Allerdings sind dort Grenzen zu setzen, wo man an Bereiche der Glaubenslehre gelangt. Und hier darf man sehr wohl zweifeln, ob in der Schweiz die von der Wahrheit geforderte Ekklesiologie hinreichend umgesetzt ist!

Davon abgesehen muss man zugeben, dass der Bischof von Chur sehr wohl mit den staatskirchlichen Strukturen zusammenarbeitet. Dass er gegen diese Strukturen Vorbehalte hat, ist legitim und sachlich mehr als gerechtfertigt. Dennoch arrangiert er sich mit ihnen. Dass er sie “systematisch” in Frage stellen würde kann wirklich nicht behauptet werden, besonders wenn man bedenkt, dass ihm von manchen Gegnern des schweizerischen Staatskirchensystems genau das Gegenteil vorgeworfen wird: er arbeite mit diesem zusammen anstatt es energisch abzulehnen. Von einem “systematischen Infragestellen” kann man wirklich nicht sprechen, und ein Infragestellen ist nun wirklich legitim, weil dieses System kein Glaubenssatz der Kirche ist.

Dass dieses staatskirchliche System “wertvoll” sei, ist eine Sichtweise des Frauenbundes und der mit diesem verbündeten Gruppen, welches insofern zweifelhaft ist, als dass dieses System in mehreren Punkten nicht mit der katholischen Ekklesiologie in Einklang steht.

5) Disziplinieren

Dem Bischof wird vorgeworfen, dass er “diszipliniert”. Dazu ist generell zu sagen, dass dies zu den Hirtenaufgaben des Bischofs gehört. Die Kirche selbst hat im Strafrecht des Kodex des kanonischen Rechtes eine ganze Reihe von Disziplinarmassnahmen vorgesehen, und dies nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Notwendigkeit. Die Kirche ist nämlich auch Hüterin des Glaubens und Beschützerin der Gläubigen. Sie übt dies speziell in den obersten Richtern ihrer Bistümer aus, und damit in ihren Bischöfen.

Dass der Bischof mitunter disziplinieren muss ergibt sich daraus, dass die Gläubigen Rechte haben. Und diese Rechte werden durch die Kirche geschützt, was Disziplinarmassnahmen (und auch Anmahnungen) unumgänglich macht. Wer gegen disziplinierende Bischöfe ist, der spricht sich letztlich für eine anarchische Kirche aus.

Eines der fundamentalsten Rechte eines Gläubigen ist das Recht auf die reine, wahre Lehre. Wo dieses gefährdet ist, dort hat der Bischof die heilige Pflicht, dies zu garantieren. Ob dies immer und überall hinlänglich geschieht, darf bezweifelt werden. Die Bischöfe haben in diesen Belangen vieles schleifen lassen, und die Gläubigen standen und stehen oft schutzlos der Willkür anderer gegenüber. Klagen verlaufen oft im Sand und werden von den Verantwortlichen schlichtweg ignoriert. Dies kann aber kein erstrebenswerter Zustand sein!

Würde der Bischof – nicht nur jener aus Chur sondern generell die Bischöfe – wirklich all das disziplinieren was sie eigentlich disziplinieren müssten, so wären die Medien über Wochen mit Schlagzeilen versorgt.

In diesem Bereich geschieht viel zu wenig anstatt zu viel. Und doch scheint es, dass sogar ein Anmahnen der Lehre und Disziplin der Kirche manchen zu viel ist und deren Kritikfähigkeit überstrapaziert. Dahinter steht die Erwartung, in allem was man tut und sagt unabhängig vom Rechtsein bestätigt zu werden. Wenn ein Bischof diszipliniert, und dies in rechter Weise tut, so ist dies im eigentlichen und wahren Sinne Seelsorge und Hirtenwalten, zum Schutz der Rechte der Gläubigen und zum Heil der Seelen der Irrenden.

6) Hartherzige Theologie

Ein sechster Vorwurf bezieht sich auf eine angebliche Hartherzigkeit der Theologie. In dieser Klage ist ein Auflehnen gegen die katholische Lehre deutlich erkennbar. Denn die Theologie kann im Grunde genommen nicht “hartherzig” sein, da sie sich mit dem Ergründen der objektiven göttlichen Wahrheit befasst, und als Wahrheit diesen Kategorien ebenso entzogen ist wie auch sämtliche Profanwissenschaften.

Auch die Mathematik, die Geographie, die Kunstgeschichte oder die Medizin kann nicht “hartherzig” oder “barmherzig” sein, sondern die Forschungsergebnisse sind wahr oder unwahr, wobei die Forschung immer auf Wahrheit abzielt.

Die Theologie ist hier keine Ausnahme, auch sie zielt auf das Finden von Wahrheit ab – auf die Wahrheit Gottes. Von daher kann sie nicht “hartherzig” sein, sondern höchstens unwahr. Eine Wahrheit, welche manchen Menschen vielleicht missfällt, bleibt dabei aber dennoch wahr und als solche Wahrheit ist sie zwar an sich nicht selbst “barmherzig”, aber auf Gott hin ausgerichtet und ausrichtend. Von daher ist die Theologie, unter der Bedingung dass sie Wahrheit sagt, niemals hartherzig, sondern immer indirekt der Kategorie der Barmherzigkeit zugehörig. Denn die Wahrheit ist der Weg zum barmherzigen, gerechten Gott.

Wir dürfen dabei aber niemals “angenehm” und “dem Zeitgeist entsprechend” mit “barmherzig” identifizieren. Wird die Theologie als “hartherzig” empfunden, so ist dies ein Auflehnen gegen Gott, den Ursprung und Urheber aller Wahrheit, selbst. Dieser Vorwurf gegen Exzellenz Huonder, eine “unbarmherzige” Theologie zu vertreten, impliziert das Begehren, Theologie von der objektiven Wahrheitsfindung loszukoppeln, und ein selbst konstruiertes System daraus zu machen, das mit den zeitbedingten Gedankenmoden im Einklang steht und jeden in seinem Denken bestätigt.

Damit ist aber eine jegliche Objektivität aufgegeben, Theologie wird letztlich sinnlos wie jede Wissenschaft, die nicht der Wahrheit und der Wirklichkeit entspricht. Man will nicht wissen was Wirklichkeit ist, sondern man will hören was man hören will.

Nachdem man im Flyer formuliert hat, wogegen man sich auflehnt, werden einige Wünsche in Worte gefasst.

7) Eine Kirche, die wieder Freude macht

Dieser Wunsch impliziert, dass die Kirche derzeit keine Freude macht, und dass dies die Schuld oder Teilschuld von Exzellenz Huonder sei. Doch auch hier ist die Kategorie verfehlt: Es ist nicht Sinn oder Aufgabe der Kirche, “Freude zu machen”, sondern Heil und Wahrheit zu vermitteln, den Menschen zu heiligen und zu einem Leben anzuleiten welches es seiner unsterblichen Seele ermöglicht, dereinst in die ewige Gemeinschaft mit Gott einzutreten, und nicht der ewigen Höllenstrafe zu verfallen – eine durchaus reale Bedrohung unserer Seele, auch wenn es manchen nicht gefallen mag!

Auch hier gilt wieder: die Wahrheit kommt vor der Freude. Ein Leben nach den Geboten Gottes und in seiner Wahrheit kann mitunter auch eine lange Durststrecke und sehr mühsam sein. Viele Heilige haben keine grossen Freuden verspürt, zumindest nicht unmittelbar, aber dennoch auf die grosse, ewige Freude der Heiligkeit hin gelebt. Es ist zwar etwas modern geworden, aber wir sollten viel eher Abstand davon nehmen, von den Gläubigen grosse Euphorien zu verlangen, so als ob ein nüchterner Glaube wertlos wäre. Glaube ist nämlich mehr eine Sache der Ratio und der bereitwilligen Zustimmung zu einer erkannten Wahrheit als eine Frage des blossen Gefühls. Dieses kann leicht ändern und enttäuschen. Wenn sich Freude zum Glauben hinzugesellt, so ist es um so besser. Aber es ist nicht das eigentliche Ziel des Glaubens, zumindest nicht was das Erdendasein betrifft. Glaube ist mehr ein Leben in Wahrheit als in Freude.

Natürlich sagen wir als Christen dass Gott unserer grösste Freude ist, aber diese ist nicht unbedingt immer unmittelbar erfahrbar. Wenn wir das Leben der grossen Vorbilder im Glauben betrachten so können wir vermutlich sogar sagen, dass ein tiefer Glaube wahrscheinlich sogar öfter mit Leid als mit Freude verbunden ist. Wer im Glauben vorrangig Freude sucht und nicht das ewige Seelenheil, der kann sehr leicht auf Irrwege geraten.

Davon abgesehen ist diese Kategorie viel zu subjektiv als dass man aus ihr allgemeine Desiderate ableiten könnte. Denn für jedes Desiderat, welches nicht auf einem objektiv-sachlichen Argument aufgebaut ist, sondern auf einer subjektiven Grösse, wie etwa “Freude”, kann man sofort die Gegenforderung aufstellen. Denn worin ein Neokatechumenaler oder ein Charismatiker die Quelle seiner subjektiven Freude findet, dort wird der traditionelle Katholik grosses Unbehagen empfinden. Subjektive Kategorien erweisen sich also vollkommen ungeeignet für Forderungen, welche allgemeine Gültigkeit haben sollen. Massstab muss die objektive Theologie sein die nach Wahrheit ringt, nicht persönliche Befindlichkeit, Vorlieben oder Moden. Die “Gestaltung” der Kirche muss sich nach dieser theologischen objektiven Wahrheit richten, unabhängig davon, ob es einem persönliche Freude bereitet oder nicht, denn die Kirche ist kein Wellnesstempel. Sie muss in erster Linie wahrhaftig sein.

Wenn dies auch noch Freude macht, um so besser, aber das eigentliche Ziel ist in der Heiligkeit und somit der Himmelsfreude gelegen, nicht in irdischer Freude.

8) Eine den Menschen zugewandte Kirche

Auch diese Forderung ist in erster Linie eine rhetorische Wendung, weil sie für sich allein genommen mit wenig Inhalt gefüllt ist. Wie für jeden einzelnen Menschen auch, so muss auch für die Kirche zunächst Gott an erster Stelle stehen. Weil Gott sich aber mittels seiner Kirche zu den Menschen wendet, muss sich die Kirche selbstverständlich den Menschen zuwenden. Wer hat dies je bezweifelt?

Aber dieses Zuwenden hat nur dann Sinn, wenn sie sich vorher Gott zugewandt hat, und so den Menschen gleichsam Gott bringt, um dann den Menschen zu Gott zu bringen. Natürlich muss sich die Kirche den Menschen zuwenden, denn Gott hat sie ja gerade für den sündigen Menschen und zu dessen Heil sichtbar eingesetzt! Gerade in einer Kirche, welche Gott und dessen Verehrung an die erste Stelle setzt, ist es garantiert, dass sie sich auch dem Menschen zuwendet, denn sie weiss dass sie Gott nicht gefallen kann, wenn sie vom Menschen absähe. Wo jedoch der Mensch selbst und nicht Gott an erster Stelle steht, dort ist auch die Zuwendung zum Menschen vom augenblicklichen Befinden abhängig, weil es letztlich keine Instanz gibt, welcher sie Rechenschaft ablegen muss. Eine solche Kirche könnte tun was sie gerade tun will.

Gerade durch ihre vorgängige Zuwendung zu Gott ist sie zur Zuwendung zum Menschen verpflichtet, und diese Zuwendung ist mit einem Ziel ausgestattet, welches allein durch die Kirche erreicht werden kann: die Heiligung des Menschen.

Sollte jedoch implizit gemeint sein, dass sich die Kirche auch ohne dieses ihr wesenhaftes Ziel zum Menschen zuwenden soll, so ist sie in ihrem Sein gründlich missverstanden. Denn sie ist keine profane Wohlfahrtsorganisation, sondern eine heilige, von Gott eingesetzte und mit einem speziellen Zweck ausgestattete Heilsinstitution. Sie ist an ihren Auftrag gebunden und kann nicht von diesem absehen – von keinem einzigen dessen Aspekte der Liturgie, des Kerygmas und der Diakonie. Solches zu verlangen würde bedeuten, aus der Kirche etwas anderes machen zu wollen, was sie ihrem gottgestifteten Wesen nach nicht ist. Niemals kann sie in ihrer Zuwendung zum Menschen von der göttlichen Wahrheit absehen und dem Menschen allein das sagen und geben, was er selbst will. Sie muss ihm das vermitteln, was Gott, ihr Ursprung und Ursprung aller Menschen will. Von daher ist die Forderung nach einer “dem Menschen zugewandten Kirche” unnötig weil selbstverständlich, wenn sie richtig und vollständig verstanden ist, und unberechtigt, falls damit ein Absehen von Gott und dessen Wahrheit gemeint sein sollte.

9) Solidarität mit den Armen

Diese Forderung greift zu kurz und muss erweitert werden. Es genügt nicht, wenn sich der Frauenbund und die mit ihm verbündeten Gruppen wünschen, dass die Kirche solidarisch mit den Armen ist. Er gibt sich mit zu wenig zufrieden.

Denn ein armer oder bedürftiger Mensch hat nichts davon, wenn die Kirche “solidarisch” mit ihm ist oder sich selbst in Armut begibt. Dadurch ist niemandem geholfen, im Gegenteil, es ist die Armut nur vermehrt. Das, was ihm hilft, ist die aktive Bekämpfung der Armut. Und zwar nicht kurzfristig-aktuell durch eine einmalige Almose, sondern durch die Schaffung von einem Gefüge, welche die Armut strukturell und dauerhaft beseitigt. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Kirche, der aber mit ihren anderen Aufgaben verwoben sein muss: dem Kult (Verehrung Gottes und Heiligung des Menschen) und der Verkündigung.

Armut kann materieller Natur sein, und auch darin ist die Kirche in die Pflicht genommen. Doch darüber hinaus muss sie sich auch um die anderen Formen von Armut und Verwahrlosung kümmern: die geistige, die geistliche, die kulturelle etc. Es geht nicht um ein blosses Solidarischsein, sondern um aktive Beseitigung. In der Armut ist letztlich kein Selbstzweck gelegen, deshalb muss die Kirche nicht selbst arm sein, sondern sie muss aktiv mithelfen, aus den vielfachen Armuten der Welt herauszuführen.

Es darf daher zurückgefragt werden, ob die schweizerische Kirchensteuer wirklich ausreichend zur Behebung der Armuten eingesetzt wird, oder ob nicht ein unverantwortlich hoher Prozentsatz der Kirchensteuer in Verwaltung, weit überhöhten Personalgehältern staatskirchlich Bediensteter und zweifelhaften Aktionen verschwindet, welche manche Formen von nicht-materieller Armut (in Glaube, Kultur, Liturgie, Bildung) sogar noch aktiv fördern.

10) Ansteckung mit Hoffnung

Die Kirche kann nur dort Hoffnung vermitteln, wo sie den rechten Glauben verkünden kann. Denn allein in diesem ist die wahre Hoffnung gelegen. Die Wahrheit ist es nämlich, die frei macht. Die drei Theologaltugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sind untrennbar untereinander verflochten. Die Hoffnung, welche die Kirche vermitteln muss, darf kein Luftschlösschen sein, sondern muss berechtigt sein. Ihre Berechtigung erhält die Hoffnung nur im Glauben, die Liebe ist ihr Unterpfand.

Die “Ansteckung mit Hoffnung” kann nur dort erfolgen, wo der wahre Glaube in seiner Fülle vermittelt wird – freilich muss dies in Liebe geschehen, aber nicht minder auch in Wahrheit. Deren Vermittlung ist selbst ein Liebesakt. Wo die Hoffnungsvermittlung nicht Arm in Arm mit der Glaubensvermittlung einhergeht, dort wird mit Sicherheit etwas anderes als Hoffnung vermittelt, insofern wir von der christlichen Hoffnung sprechen und diese nicht mit einem Wunschdenken verwechseln.

Exzellenz Huonder tut jedoch genau dies: er steckt mit Hoffnung an, weil er den katholischen Glauben vermittelt, ohne Abstriche zu machen. Dies ist ein Verhalten als guter Hirt, der seiner Verantwortung gerecht wird, seine Schafe auf die saftige Weide des Lebens zu führen.

Die Hoffnung wird zu einer solchen durch das Wahrsein der Lehre Christi. Wir haben nur deshalb Aussicht auf das ewige Heil, weil sich die Heilsgeschichte als Wahrheit erwiesen hat. Wer in der Wahrheit nicht die Hoffnung, und in der Verkündigung der Wahrheit nicht die Ansteckung mit Hoffnung zu erkennen vermag, der lehnt entweder den Inhalt dieser Wahrheit ab, oder hat ihn nicht recht begriffen.

Der Glaube ist in seinem Inhalt aber vom Menschen und seinen Wünschen unabhängig, weil er aus Gott selbst hervorkommend ist, und deshalb notwendig wahr, gut und schön. Wer aber nicht die innere Bereitschaft aufweise, den von Gott selbst vorgegebenen Glauben anzunehmen, sondern seine eigenen Wünsche in ein menschenkonstruiertes Glaubenssystem fasst, der wird im gottgestifteten Glauben der Kirche niemals eine Quelle der Hoffnung erkennen können, weil das “ich will haben” in ihm stärker ist als das “ich will empfangen”.

Objektiv gesehen ist  aber  im Lehr- und Hirtenamt, wie es der Churer Bischof ausübt, ein grosser Hoffnungsquell erkennbar, weil es ihm gelingt, das Wahrsein des katholischen Glaubens logisch stringent darzutun, besonders in seinen Hirtenschreiben.

Doch wo diese Lehre, die nicht die Lehre des Bischofs, sondern die Lehre Christi ist, an sich schon abgelehnt wird, dort wird die Wahrheit auch nicht als mit Hoffnung ansteckend erkannt werden können. Doch dann handelt es sich um ein schwerwiegendes Problem des Glaubensaktes des einzelnen Betroffenen, nicht des Glaubensinhaltes als solchen. Der objektive Glaubensinhalt wird nicht im subjektiven Glaubensakt angenommen, was jedoch ein persönliches Problem des Betroffenen ist, welches man nicht dem Bischof anlasten kann.

11) Sich um das Wesentliche kümmern

Als letzten Punkt führen die Protestanten an, dass sie sich eine Kirche wünschen, welche sich um das Wesentliche kümmert. Deshalb müssen wir die Frage nach dem Wesen der Kirche stellen, nach ihrem Zweck und Daseinsgrund. Hier stossen wir auf jene Punkte, um welche es im Grunde genommen bereits die ganze Zeit geht. Das Wesentliche in der Kirche ist ein zweifaches: sie ist eingesetzt zur Verehrung und Anbetung Gottes (eine angemessene, gottzentrierte Kult und Liturgie), und zum Heil (sprich: zur Heiligung) des Menschen. Dies tut sie durch die Feier des göttlichen Kultes, die Spendung der heiligen Sakramente und die Glaubensvermittlung in der Lehre und die Anleitung in der Sitte.

Das Wesentliche der Kirche und ihres Auftrages ist es, den Menschen zur ewigen Gemeinschaft mit Gott zu führen. Alles andere steht in dessen heiligen Dienst und muss seinen Beitrag zum wesentlichen Zweck der Kirche leisten.

Die Änderungen, welche jene Gruppen gegen Exzellenz Huonder für gewöhnlich fordern, sind in vielen ihrer Teile dem Glauben der Kirche entgegengesetzt und mit diesem unvereinbar.

Sie haben sich allesamt nicht selbst dadurch ausgezeichnet, dass sie sich um das Wesentliche kümmern, sondern im Gegenteil, sie greifen in aggressiver Weise gezielt diejenigen an, welche sich tatsächlich um das Wesentliche kümmern, so wie sie es eigentlich fordern. Auch in diesem letzten Punkt wird schmerzlich deutlich, dass es letztlich schwerwiegende theologische Gegensätze sind, welche zu dem Protest geführt haben.

Das, was die Protestgruppen als das Wesentliche ansehen, ist nicht wirklich das Wesentliche der Kirche. Deshalb fordern, wünschen und hoffen sie etwas, was ohne die Aufhebung der katholischen Kirche nicht erfüllbar ist.

Resümee

Als abschliessende Zusammenfassung müssen wir nach einer Zusammenschau der Vorwürfe und Wünsche der gegen Exzellenz Huonder protestierenden Gruppen leider feststellen, dass hinter diesen Protesten im letzten ein aggressives Ablehnen der katholischen Lehre steht. Diese Ablehnung hat nur äusserlich mit dem regierenden Bischof zu Chur zu tun, doch im letzten geht es nicht um ihn, sondern um den katholischen Glauben selbst. Man gibt vor, den Bischof abzulehnen, weil man nicht offen sagt, dass man die katholische Kirche und deren Glaubenslehre ablehnt. Deshalb muss eine Person herhalten, wo eigentlich das grosse Gesamt der katholischen Lehre gemeint ist.

Der brennende Zorn entlädt sich in einer aggressiven, feindseligen und vollkommen unfairen Art und Weise deshalb am Bischof, weil er genau jenen Glauben der Kirche vertritt, den die protestierenden Gruppen ablehnen. Sie teilen in weiten und wesentlichen Teilen nicht mehr den katholischen Glauben, und so müssen sie sich im Grunde die ehrliche Frage stellen, ob sie selbst, ganz persönlich, wirklich noch katholisch sind. Viele von ihnen sind es vermutlich leider nicht mehr! Denn zum Katholischsein gehört auch der katholische Glaube wie ihn die Kirche immer lehrte, und ist nicht auf einen Verwaltungsakt, den Eintrag in einer Liste oder die Entrichtung der geforderten Kirchensteuer reduzierbar.
Jemand, der regelmässig in einen hinduistischen Tempel geht, deren Rituale mitmacht und die hinduistischen Gemeinschaften seiner Umgebung materiell unterstützt ist deshalb noch lange kein Hindu, wenn er trotz allem deren Lehre absolut nicht teilen kann. Ähnlich ist es mit vielen Katholiken, welche sich dermassen weit vom katholischen Glaubensgut entfernt haben, dass sie nicht mehr wirklich als Katholiken bezeichnet werden können. Denn was sie glauben und daher auch fordern, ist vielfach etwas ganz anderes, und geht oft weit über einen Irrtum oder eine blosse Meinung hinaus.

Hinter der Fassade einer Kritik an einer Person versteckt sich eigentlich die Ansicht und das Bestreben, dass es die katholische Kirche als solche nicht mehr geben darf. Denn würde man die grundlegenden Forderungen tatsächlich umsetzen und Lehre wie Praxis dahingehend ändern, so hätte dies zur Folge, dass man aus der katholischen Kirche etwas vollkommen anderes gemacht hätte, auch wenn sie nominell gleich hiesse, weil sie für einen Glauben stünde, welcher nicht mehr der Wahrheit Christi entspräche.

Die sichtbare Kirche würde aufhören, Kirche zu sein. Weil der Churer Bischof jedoch die katholische Lehre ungekürzt vertritt, wird er gehasst und bekämpft, weil man eigentlich die katholische Lehre hasst und bekämpft. Die Kirche, so scheint es, darf es nicht mehr länger geben.

Mag. theol. Michael Gurtner ist katholischer Theologe aus der Erzdiözese Salzburg

In der Schweiz ist eine Gebetsinitiative entstanden: “Zusammen mit Papst Franziskus und Bischof Vitus Huonder beten wir zu Gott und verrichten gute Werke für Einheit und Frieden in der Kirche”.
Infos und Beteiligungsmöglichkeit: “Nein zum Krieg unter uns!”

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